Im Gespräch MM Maschinenmarkt

Roland Peterseil: Autorität kraft Expertise

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„Jede Person, die in eine neue Konstellation dazukommt, bringt neue Impulse und Perspektiven ein und fördert damit Innovation.“ DI (FH) Roland Peterseil, People, Culture & Structure, Keba

Weg von klassischen Hierarchien und hin zu einer zweckorientierten Arbeitsstruktur zugunsten höherer Agilität und Schnelligkeit: Beim oberösterreichischen Automatisierungsspezialisten Keba hat ein Umdenken stattgefunden. Verteilte Autorität heißt der Schlüssel, der das Unternehmen mit Hauptsitz in Linz seit einigen Jahren noch erfolgreicher macht. DI (FH) Roland Peterseil ist seit 16 Jahren in der Keba-Gruppe beschäftigt und spricht über den Transformationsprozess und darüber welche wirtschaftlichen Vorteile die neue Art der Organisation mit sich gebracht hat.

MM: Wie kam es zu diesem Transformationsprojekt?
Roland Peterseil: Im Jahr 2015 haben wir, auf Initiative unserer Vorstände und externer Berater, begonnen unsere Organisation aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Für uns als Unternehmen war das eine sehr erfolgreiche Zeit und dennoch haben wir gemerkt, dass unsere Märkte mehr Agilität und Schnelligkeit brauchen.

MM: Im Zentrum der Transformation steht der New-Work-Ansatz. Wie wird das bei Ihnen definiert?
Roland Peterseil: New Work ist ein breiter Begriff, mit vielen Facetten: Wie organisiere ich die Unternehmensstruktur? Welchen Blick habe ich auf die Menschen? Was sind die Fähigkeiten, die unsere Mitarbeiter:innen einbringen können? Und: Welche digitalen Tools braucht es? Wir haben sehr früh gemeinsame digitale Orte geschaffen, um zusammenzuarbeiten. Zu Beginn der Corona-Pandemie konnten wir zum Beispiel von einem Tag auf den anderen auf 100% Remote Work umstellen. Das war auch für uns eine Bestätigung, uns mit den richtigen Themen beschäftigt zu haben.

MM: Was waren die Meilensteine in diesem Projekt?
Roland Peterseil: Da muss man nur kurz den Begriff „Projekt“ abstecken. Wenn wir von Projekt sprechen, dann sprechen wir von unserer Transformation der Organisation von einer Pyramidenstruktur hin zu Kreisen und auf Purpose ausgerichtet. Zu Beginn haben wir uns sehr intensiv mit vielen Aspekten der Organisationsgestaltung und Kulturentwicklung auseinandergesetzt. Unsere Mitarbeiter:innen waren hierbei in diesen Prozess sehr stark involviert. Es wurden nicht wie früher üblich, Abteilungsleiter:innen zusammengespannt, um die „neue Keba“ zu gestalten, sondern alle Mitarbeiter:innen wählten selbst Gestalter, die sozusagen in Vertretung für die gesamte Belegschaft diese Aufgabe „Keba neu zu denken“ übernahmen. Daraus haben sich sehr heterogene Teams gebildet, die sich intensiv damit auseinandersetzten, was es mit einem Blick auf eine sich immer schneller drehende Welt – Stichwort VUCA – braucht, um weiterhin zukunftsfit zu sein und welche Art von Zusammenarbeit Menschen begeistern kann. 2017 erfolgte mit einem „Big Bang“ die Umstellung von klassisch managementhierarchisch auf flach, hierarchiearm und Rollen und Kreise.

MM: Was änderte sich für die Mitarbeiter:innen?
Roland Peterseil: Es ist unsere Grundüberzeugung, dass Keba-Mitarbeiter:innen sich in der ganzen Unternehmensgruppe mit ihren Stärken und Fähigkeiten einbringen können, und zwar überall dort wo aktuell Bedarf an diesen Fähigkeiten besteht. Unser Fokus liegt auf Purpose.

MM: Wie kann man sich die Organisation in Kreisen vorstellen?
Roland Peterseil: Rein formal haben wir Kreise mit Rollen und darin sind jene Arbeitspakete beschrieben, die es braucht, damit der Kreis seinen Purpose erfüllen kann. Wir haben in der Keba-Gruppe mittlerweile über 2.000 Mitarbeiter:innen, die sozusagen genau diese Arbeit erfüllen. Wann immer eine Rolle unbesetzt ist oder neu dazukommt, wird diese auf unserer Kollaborationsplattform zentral und transparent ausgeschrieben. Bei freien Ressourcen und den entsprechenden Fähigkeiten und Fertigkeiten bewirbt man sich auf diese Rolle. Dh. die Menschen haben in Folge meistens nicht nur eine Rolle bzw. erfüllen diese nur in einem Kreis, sondern gerne auch in mehreren Kreisen. So kann man seine Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen des Unternehmens zur Verfügung stellen. Das macht das Arbeiten spannend und das Unternehmen hat Zugang zu einer breiten Palette an Können.

MM: Gibt es eine Kontrollfunktion, wenn z.B. Aufgaben frei bleiben?
Roland Peterseil: Wir haben keine Kontrollmechanismen. Vielmehr machen wir die Dinge sichtbar. Sogenannte Spannungen – Abweichungen vom Soll-Zustand – nehmen wir zum Anlass, darüber nachzudenken, warum z.B. eine Rolle unattraktiv ist. Hier liegt ein entscheidender Unterschied, denn wir verdonnern niemanden dazu, sondern wir setzen uns damit auseinander.

MM: Wie hat man diese Umstellung geschafft?
Roland Peterseil: Es ist ein spannender und sehr erfolgreicher Weg – in unserem Verständnis sind wir auch weiterhin in einem Transformationsprozess. Wir sind ein Industrieunternehmen, wo wir Dinge zu erledigen haben. Sie sind jetzt nur anders strukturiert. Was uns als Menschen beschäftigt, ist das Mehr an Freiheit und Verantwortung. Damit muss man lernen umzugehen. Das unterscheidet Keba deutlich von anderen. Wir arbeiten ständig an uns weiter.

MM: Erreicht man dadurch auch wirtschaftliche Vorteile?
Roland Peterseil: Immer wenn die Frage kommt, muss ich sagen: Ich kann den Gegenbeweis nicht antreten, weil ich nicht wüsste, wie wir uns entwickelt hätten. Fakt ist, wir haben uns in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Um ein konkretes Beispiel zu nennen, gab es im Bereich der Elektronik-Komponenten in den vergangenen zwei Jahren eine sehr starke Bauteilverknappung. Auch bei uns kam es zu Turbulenzen in der Beschaffung. Wir als Keba konnten aufgrund unserer interdisziplinären Einheiten schnell reagieren. Ganz agil hat sich eine Einheit aus Disponenten, Einkäufern, Verkäufern und unserem Technikvorstand auf Augenhöhe zusammengesetzt und Lösungen gefunden. Diese Vorgehensweise, die besten Köpfe zum jeweiligen Thema ganz unbürokratisch zusammenzuziehen, schnell zu sein, gerade im Umgang mit schwierigen Situationen, schätzen unsere Kunden sehr. Daran ist unser Erfolg messbar.

MM: Die gewonnene Freiheit für Mitarbeiter:innen klingt sehr attraktiv.
Roland Peterseil: Es ist nicht so, dass ich mich als Mitarbeiter an gar nichts mehr zu halten habe. Bei uns ist ein Schlagwort verteilte Autorität. Es gibt immer noch jemanden, der in einem Thema den Lead übernimmt, aber das ist die Spezialist:in im jeweiligen Thema. Das heißt, wir verteilen die Autorität nach Expertise und nicht kraft Position in der Pyramide.

MM: Ist Ihre Organisationsform in Zeiten von Fachkräftemangel ein Argument, bei der Personalsuche?
Roland Peterseil: Fachkräftemangel ist natürlich ein Thema, das auch uns fordert und wir merken, dass wir mit unserer Organisationskultur den Puls der Zeit treffen. Auch wenn ich das Thema nicht zu sehr strapazieren will, ist es wichtig eines zu sagen: Die Menschen von heute – nicht nur junge Menschen – wollen in dem, was sie tun einen Sinn und Beitrag erkennen. Das kann man bei uns besonders gut einbringen.

MM: Der Keba-Leitsatz im Bereich Industrial Automation lautet: „Automation by Innovation“. Hilft dieses Arbeiten dabei, innovativer zu sein?
Roland Peterseil: Ja. Und warum hilft es uns? Weil wir durch diese Rollen- und Kreislogik nicht an eine Abteilung gebunden sind, sondern jeder und jede seine Fähigkeiten egal wo im Unternehmen einbringen kann. Jede Person, die in eine neue Konstellation dazukommt, bringt neue Impulse und Perspektiven und fördert damit Innovation.

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