Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Thomas Lutzky: Gegen den Verzicht

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Im Rahmen unserer Initiative „Digital Factory Now“ bieten wir Betreibern fertige Plug & Play-Lösungen inklusive Software an, mit denen sofort Verbesserungen erzielt werden, ohne die bestehende CE-Zertifizierung der Maschine zu verletzen.“ Thomas Lutzky, Geschäftsführer Phoenix Contact Österreich

Thomas Lutzky, Geschäftsführer Phoenix Contact Österreich, spart im Gespräch nicht an Komplimenten an die österreichische Industrie in Sachen Digitalisierung. Um das Dilemma zwischen dem steigenden Energieverbrauch und Nachhaltigkeit zu meistern, setzt er auf Technik.

 

IoT4industry&business: Klima und Energie sind die Topthemen des Jahres. Bringt das für Phoenix Contact besondere Herausforderungen?
Thomas Lutzky: Wir engagieren uns schon lange in den Bereichen Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen, intelligente Energieverteilung und effizientes Energiemanagement. Durch die Klima- und Energieversorgungskrise ist der Bedarf nach effektiven Lösungen für die Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung massiv gestiegen. Mit der zunehmenden Vernetzung sind auch die Möglichkeiten in der Anwendung deutlich größer geworden. Heute betrachtet man nicht mehr nur eine einzelne Maschine, sondern die gesamte Produktion, sektorübergreifend auch im Zusammenspiel mit dem smarten Gebäude. Daten sind das Fundament und die Voraussetzung Skalierungseffekte nutzen zu können.

IoT: Sie haben Vernetzung angesprochen. Alles vernetzt und verbindet sich. Häufig sind es aber Insellösungen, die die Hersteller anbieten. Wie schafft man hier Durchgängigkeit?
Thomas Lutzky: Erst das Zusammenspiel aller verbauten Komponenten und Gewerke ermöglicht es Produktionen und Gebäude kostengünstig und nachhaltig zu betreiben. Dazu braucht es einen ganzheitlichen Ansatz – von der Feldebene über die Automation bis hin zum Management und -betrieb. Wir führen Daten, die von unterschiedlichsten Systemen und in unterschiedlichsten Formaten in der bereits installierten Basis generiert werden, in einer zwischengeschalteten Ebene, unserem smarten IoT-Framework, zusammen. Damit kann der Anwender komfortabel weiterarbeiten und sofort Kosten sparen.

IoT: Ein schöner Satz von der Phoenix Contact-Website: „Digitalisieren Sie jetzt.“ Wie einfach könnte Digitalisierung in der Produktion tatsächlich sein?
Thomas Lutzky: Es kommt immer darauf an, welche Schritte man setzen möchte. Die ersten kleineren Schritte sind tatsächlich sehr einfach. Im Rahmen unserer Initiative „Digital Factory Now“ bieten wir Betreibern fertige Plug & Play-Lösungen inklusive Software an, mit denen sofort Verbesserungen erzielt werden, ohne die bestehende CE-Zertifizierung der Maschine zu verletzen. Diese Lösungen lassen sich dann hochskalieren bis zur kompletten digitalen Fabrik. Bei uns in Österreich gibt es ganz hervorragende Produktionsunternehmen, die auch im internationalen Vergleich Vorreiter sind indem sie ihre Prozesse zu einem großen Teil schon digital abbilden und damit ihre Effizienz, Qualität und Produktivität steigern. Für alle, die sich weiter verbessern wollen, leisten wir mit ergänzender Beratung und Programmierung die entsprechende Unterstützung.

IoT: Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, wenn Unternehmen digital werden wollen?
Thomas Lutzky: Es gibt immer eine Unsicherheit, ob der Weg, den man einschlägt, auch tatsächlich der Richtige ist. Wenn man einmal in eine bestimmte Richtung unterwegs ist, wird es schwierig oder teuer, wieder zurückzugehen, von Null zu starten und etwas Neues zu machen. Das Know-how in den Produktionsunternehmen wächst stetig, aber die Antwort auf die Frage, ob sich der angestrebte Effekt mit der jeweiligen Investitionsentscheidung einstellt, ist zu Beginn nicht immer eindeutig erkennbar. Bei Phoenix Contact haben wir mit der Kombination aus eigenem Maschinenbau und Produktion eine ausgezeichnete Ausgangslage Erfahrungen mit unserem Portfolio in beide Richtungen zu sammeln. Alles, was wir in unser Produkt und Dienstleistungsangebot aufnehmen, wurde zuvor in der eigenen Produktion auf Herz und Nieren getestet. Unsere eigenen Techniker gehen dabei sehr akribisch vor und hinterfragen alles kritisch. Erst wenn der jeweilige Digitalisierungsschritt bei uns intern bestanden hat, stellen wir die Lösung unseren Kunden vor. Von daher können wir jederzeit den Beweis antreten, dass unsere Lösungen funktionieren.

IoT: Mittlerweile werden nicht mehr nur IT- , sondern auch OT-Infrastrukturen angegriffen. Ist hier Bewusstsein vorhanden?
Thomas Lutzky: Die Zahl der Cyberangriffe, nimmt massiv zu und stellt heute ein großes Bedrohungsszenario dar. Vor einigen Jahren sind wir noch durchs Land gezogen und haben versucht das Bewusstsein dafür zu schaffen. Inzwischen ist es voll da. Was manchmal noch fehlt, ist der klare Weg OT-Security tatsächlich zu erreichen. Denn in der OT geht man von anderen Rahmenbedingungen aus als in der IT. Während auf der IT-Seite kurze Entwicklungszyklen alles sehr schnelllebig machen, ist es in der OT so, dass Maschinen über Jahrzehnte im Einsatz sein können. Hier gilt es laufend Updates am Bestand zu realisieren. Ein Aspekt, der Fachkenntnisse und Umdenken erfordert.

IoT: Wie glauben Sie, könnte man OT-Technikern am besten helfen?
Thomas Lutzky: Mit zunehmender Vernetzung und Digitalisierung von Anlagen und Produktionen erhöhen sich gleichzeitig auch die Anforderungen an ganzheitliche Sicherheitskonzepte. Menschen, Maschinen und Daten müssen bestmöglich geschützt werden. Zusätzlich gibt es immer mehr gesetzliche Vorgaben und Standards, die Unternehmen im Bereich OT-Security und der funktionalen Sicherheit einhalten müssen. Ich glaube, dass der Aufbau von Know-how der Schlüssel ist. Wir bieten dazu unterschiedliche Schulungen an, vom Tages- bis zum Wochenseminar mit anschließender TÜV-Prüfung.

IoT: PLCnext ist vom TÜV Süd zertifiziert worden. Was bedeutet das für Sie?
Thomas Lutzky: In der Automatisierung nimmt die IEC 62443 „IT-Sicherheit für industrielle Automatisierungssysteme“ eine herausragende Rolle ein, da sie die Security aus der Perspektive des Betreibers, Systemintegrators und Geräteherstellers ganzheitlich betrachtet. Je mehr Produkte nach der IEC 62443 nachhaltig entwickelt werden, desto einfacher wird es für Betreiber und Systemintegratoren Security bei Integration und Betrieb von automatisierungstechnischen Anlagen umzusetzen und über den gesamten Lebenszyklus sicherzustellen. Ergänzend dazu wird die funktionale Sicherheit durch die Sicherheitsnormen IEC 61508, ISO 13849 und IEC 62061 beschrieben. Künftig müssen beide Sichten für erfolgreiche Automatisierungslösungen kombiniert werden und konsequenterweise rückt in der kommenden Maschinenrichtlinie der OT-Security-Aspekt durch die Forderung nach „Schutz gegen Verfälschungen“ stärker in den Fokus. Als Experte für funktionale Sicherheit und OT-Security und kombiniert Phoenix Contact diese Disziplinen in der PLCnext Control-Technologie. Gegenüber dem TÜV SÜD haben wir unsere Security-Kompetenz mit vielen Zertifikaten im Bereich der Prozesse für die Produktentwicklung, System-Design und Security Services nachgewiesen und Ende 2021 die weltweit erste Zertifizierung einer Steuerung nach IEC 62443-4-2 (SL2 Feature Set) geschafft. Mit der Zertifizierung der Kombination aus OT-Security und bereits nach IEC 61508 SIL3-zertifizierter Safety-Hardware ermöglichen wir es unseren Kunden zukunftssichere Digitalisierungslösungen zu implementieren. Nach den erfolgreichen IEC 62443-4-1 ML3- und IEC 62443-4-2-Zertifizierungen unserer Axioline Controller ist OT Security durch die Umsetzung des Secure Development Lifecycles für weitere Steuerungen der PLCnext Control-Familie in der Breite unseres Portfolios angekommen.

IoT: Wir sind von so vielen negativen Nachrichten umgeben. Was könnte am heurigen Jahr positiv werden?
Thomas Lutzky: In der Branche haben wir allen Grund für Optimismus. Innovationen schreiten rasch voran und wir haben eine starke Dynamik bei den großen Trends. Denn es gilt die Transformation aktiv zu gestalten um unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhalten und die Klimakrise zu adressieren. Zudem nehmen viele Kunden große Auftragsbestände aus den letzten beiden Boomjahren mit ins heurige Jahr.

IoT: Kann Technik helfen ein nachhaltiges Leben zu ermöglichen?
Thomas Lutzky: Ja, denn es kann nicht unser Anspruch sein, mit Verzicht durchs Leben zu gehen. Vielmehr gilt es durch Investitionen in erneuerbare Energien den vermehrten Bedarf zu leistbaren Konditionen zu decken und ergänzend durch technisch-organisatorische Maßnahmen CO2 zu reduzieren. Ein Aspekt, der künftig auch in Ausschreibungen für große Projekte und eine wesentliche Rolle spielen wird. So sind Unternehmen schon aus eigenem Geschäftsinteresse gefordert, sich dazu intensiv Gedanken zu machen und an Lösungen zu arbeiten. Technologie ist jedenfalls der Schlüssel, um dieses scheinbare Dilemma zu lösen und die aktuellen industriellen Herausforderungen zu bewältigen.

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