Interview MM Maschinenmarkt

Harald Mali: Man muss den Gesamtprozess sehen und verstehen

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Harald Mali, Geschäftsführer von Lubot spricht über die Begriffe Nachhaltigkeit und Digitalisierung und dem Wunsch nach neuen Arbeitsmodellen.

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird für Harald Mali, Tribologie-Experte und Geschäftsführer von Lubot Schmierstoff- und Prozesstechnik GmbH heute leider oft marketingtechnisch überstrapaziert. Darum hängt er seine PV-Anlage auch gar nicht an die große Glocke. Worüber er allerdings mit uns gesprochen hat, ist das Verfügbarkeitsproblem einfacher Grundöle und über seinen persönlichen „Raketentreibstoff“.

Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen für Ihre Branche?
Harald Mali: Die rasante Preisentwicklung ist eine allgegenwärtige Herausforderung, die uns weiter begleiten wird. Dahinter steckt aber noch ein zweites, womöglich noch größeres, jedoch erst aufkommendes Problem: die Verfügbarkeit einfacher Grundöle. Viele Raffinerien in Europa sind auf die Massenware Brennstoff und Treibstoffe optimiert worden – Grundöle stehen da nicht im Fokus. Die brauchen wir aber für die Industrie.
Für die meisten klassischen Industrieschmierstoffe werden sogenannte Gruppe I Öle benötigt, die hauptsächlich aus älteren Raffinerien kommen und daher einen hohen Importanteil aus russischen Raffinerien aufweisen. Es ist zudem anzunehmen, dass es Raffinerien in Ländern des ehemaligen Ostblocks gibt, die Grundöle in Russland einkaufen, das Endprodukt aber als in Europa produzierte Öle verkaufen. Das wird bei einem rigorosen Lieferstopp von Russland-Importen sichtbar und spürbar werden.
Wir haben uns zum Glück schon vor längerer Zeit bei diesen Grundölen für DIN Öle – wie Hydraulik-, Getriebe-, Gleitbahnöle – und ausschließlich europäische Produkte auf Basis nachhaltiger Upcycling-Technologien entschieden. Auch unsere Kühlschmierstoffe aus synthetischen Grundstoffen und speziellen mineralischen Grundölen stammen definitiv aus der Europäischen Union. So sichern wir für unsere Bestandskunden auch längerfristig eine zuverlässige Versorgung.

Was beschäftigt Sie und Ihr Unternehmen dieser Tage am meisten?
Harald Mali: Bei den heutigen Bearbeitungsprozessen sind der Einsatz und die Auswahl des optimalen KSS zu einem hochkomplexen Thema geworden. Jetzt geht es darum, die Kunden partnerschaftlich in die Zukunft zu begleiten – mit Know-how, echten Lösungen und einer fundierten Expertise. Wir merken, dass uns unsere Kunden immer stärker in ihre Prozesse einbinden, denn die Bereiche Schmierstoff-Instandhaltung und Produktionsverbesserungen sind echte Hightech-Themen. Dort und da einen neuen KSS einzufüllen reicht nicht. Wer sich auf die Suche nach unbeachteten Potenzialen und Einsparungen macht, der muss den Gesamtprozess sehen und verstehen.
Diesem Anspruch werden wir auch mit unserem Anlagenbau für wassergemischte Schmierstoffe gerecht, der sich von der Mainstream-Technologie der deutschen Nachbarn unterscheidet. Wir modularisieren und optimieren die Anlagen von Anfang an, damit auch bei maßgeschneiderten Lösungen vernünftige Preise möglich sind. Ein Konzept, das sich mittlerweile bei vielen großen und namhaften österreichischen Kunden bewährt hat. Darum interessieren sich zunehmend auch deutsche Unternehmen dafür.

Nachhaltigkeit ist nicht nur in aller Munde, sondern eine Notwendigkeit. Wie sieht der Beitrag von Lubot aus?
Harald Mali: Wir haben eine PV-Anlage, die unseren kompletten Strombedarf abdeckt – wir hängen es aber nicht an die große Glocke. Ich finde, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ heute leider oft marketingtechnisch überstrapaziert wird. Es wird viel Greenwashing betrieben. Jeder ist „nachhaltig“, wenn er genug zugekaufte Zertifikate gegenrechnet. Tatsächlich wirksam sind aber nur konkret eingesparte Kilogramm CO2 – darauf kommt es an.
Darum achten wir bei der Konstruktion unserer Aufbereitungsanlagen auf den Energieverbrauch und wir haben auch re-raffinierte Produkte im Programm. Das sind Öle, die aus Gebrauchtöl hergestellt werden. Die waren bisher preislich leider meist nicht konkurrenzfähig. Das hat sich nun in Anbetracht der Weltmarktsituation aber geändert – zudem ist die Qualität solcher Öle höherwertiger als bei erstraffinierte Ölen.
Will die fertigende Industrie CO2 reduzieren, lohnt es sich, den KSS und seine Aufbereitung genau unter die Lupe nehmen zu lassen. Es spielt nämlich eine große Rolle, welchen Kühlschmierstoff man wofür einsetzt, wie man in wartet und was am Ende der Standzeit – wenn es eine solche überhaupt gibt – mit dem Reststoff passiert. Wer nach in jeder Hinsicht optimalen Ergebnissen sucht, sowohl in Richtung Wirtschaftlichkeit als auch in Richtung Fertigungsqualität und Umwelt, der kommt um eine ganzheitliche Betrachtung nicht herum. Als Chemiker und Techniker weiß ich, wie anspruchsvoll und komplex dieses Thema ist. Darum setzen wir auf eine partnerschaftliche Beratung auf Augenhöhe. Wir nehmen uns Zeit, um die Prozesse gemeinsam zu analysieren, das Zusammenspiel von Chemie und Technik zu erklären und begleiten unsere Kunden mit Know-how und individuellen prozesschemischen und technischen Lösungen.

Welchen Stellenwert hat Digitalisierung für Sie im Unternehmen?
Harald Mali: Ein ganz wichtiges Thema – Kühlschmierstoffe werden zwar nicht digital, aber ihre automatisierte Aufbereitung wird immer digitaler und liefert damit wertvolle Informationen. Unsere Zentral- oder Nebenstromanlagen sorgen – dank ausgeklügelter Digitalisierung – für eine konstante Top-Qualität des Kühlschmierstoffs an jeder Maschine und in jedem Bereich der Fertigung. Ein weiteres Beispiel ist unsere automatische Nachfüllstation LuM-X, mit der Einzelmaschinen ohne Umbau erweitert werden können. Sie hält den Füllstand des KSS-Tanks konstant, sorgt für den richtigen Mix beim Nachfüllen und informiert über einen anstehenden Fasswechsel. Zudem ist die Erweiterung der Station mit einer umfassenden Konzentrationsüberwachung und -steuerung möglich. Dann sind auch IO-Link und eine Anbindung an einen firmeninternen OPC-Server an Bord. Ein zusätzlicher Schritt in Richtung Zukunftssicherheit, der ohne Digitalisierung undenkbar wäre.

Zum Thema Work-Life-Balance: Die Menschen suchen nach neuen Arbeitsmodellen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Harald Mali: Als Familienunternehmen ist es bei uns selbstverständlich, den Bedürfnissen der Mitarbeiter entgegenzukommen. Jeder kennt jeden – man merkt, wie es dem gegenüber geht und was er oder sie braucht. Umgekehrt ist jeder bei uns im Team bereit, die Extrameile zu gehen. Das verbindet – es ist aber auch viel Eigenverantwortung gefragt. Gerade in Zeiten, in denen das Smartphone zum Büro in der Hosentasche geworden ist. Denn wir sind überall und jederzeit erreichbar. Das verlangt nach einem bewussten Umgang seitens Mitarbeiter und Unternehmen, sonst gerät die Work-Life-Balance schnell aus dem Lot.

Etwas Persönliches: Was macht Ihnen Spaß an Ihrer Aufgabe? 
Harald Mali: Ich war viele Jahre bei einem Großkonzern und habe dort begonnen, gemeinsam mit meinen Kollegen modulare tribologische Lösungen für den Markt zu entwickeln, denn das war es, was für den Vertrieb erforderlich war. Dieser individuelle Ansatz passte jedoch nicht zum Großkundengeschäftsdenken eines Konzerns. Darum habe ich Lubot gegründet. Aus heutiger Sicht der absolut richtige Schritt. Mit dem eigenen Unternehmen war es möglich, ganzheitliche Lösungen anzubieten, in einem Bereich, der ein fachliches „Bindeglied“ wie mich brauchte. Chemie und Maschinenbau – das scheint sich oft abzustoßen wie Öl und Wasser. Ich bin der „Emulgator“, der beides zusammenführt. Es hat mir schon immer Spaß gemacht, quer zu denken und neue Lösungen zu entwickeln. Ich freue mich über die erfolgreiche Umsetzung von coolen Ideen, das ist mein persönlicher „Raketentreibstoff“. Und vielen unserer Kunden geht es genauso – das merkt und spürt man. Begeisterung verbindet!

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