Im Gespräch MM Maschinenmarkt

Norbert Jungreithmayr: Wir sind vorsichtig optimistisch

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Welche Trends beim WFL Technologiemeeting 2022 im Fokus stehen und wie sich WFL aktuellen Herausforderungen stellt, erzählt Norbert Jungreithmayr.

Das WFL Technologiemeeting vom 21. bis 23. Juni ist eine Rückkehr zur persönlichen Kommunikation in Form von Gesprächen mit Experten und Kunden. Welche Trends an den drei Messetagen im Fokus stehen und wie sich das Unternehmen aktuellen Herausforderungen von Lieferkette bis Nachhaltigkeit stellt, erzählt Mag. Norbert Jungreithmayr, Geschäftsführer von WFL MILLTURN Technologies im Interview.

 

MM: Die Rückkehr zum persönlichen Austausch ist essenziell. Wie schaffen Sie diesen Austausch mit Ihren internationalen Kunden?
Norbert Jungreithmayr: Die Corona-Pandemie machte den persönlichen Austausch mit vielen internationalen Kunden unmöglich, da das Reisen stark eingeschränkt war. Die Pandemie hat uns aber gezeigt, dass man mit digitalen Tools vieles bewerkstelligen kann. Es ist aber trotzdem wichtig, den persönlichen Kontakt zu halten. Dies ist sehr gut durch die Mitarbeiter unserer Vertriebsniederlassungen gelungen. Dort haben wir sowohl im Vertrieb als auch im Service ausgewiesene Fachleute in den jeweiligen Ländern und konnten damit einerseits den direkten Kontakt zu den Kunden halten und andererseits die Maschinen und Anlagen immer bestens serviciert in Betrieb halten.
In Zukunft wird es eine Mischung geben aus persönlichem Kontakt, welcher meiner Ansicht nach nicht zu ersetzen ist, und digitalen Medien. Einerseits unterstützen uns elektronische Medien wie Videokonferenzen im Verkauf, andererseits Online-Tools im Dienstleistungsbereich, um im täglichen Geschehen den Maschinenanwender effizient und einfach unterstützen zu können.

MM: Expertengespräche zu wegweisenden Trends stehen beim WFL Technologiemeeting 2022 im Fokus – welche Trends werden konkret thematisiert?
Norbert Jungreithmayr: Ein wesentliches Thema ist ohne Zweifel die Automatisierung, die es Unternehmen ermöglicht, zusätzliche Schichten in der Fertigung zu gewinnen, Nebenzeiten massiv zu reduzieren und somit hocheffizient die Anlagen zu betreiben.

Die digitale Vernetzung der Fertigungssysteme ist ein weiterer Schwerpunkt. Hier geht es darum, alle zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst gut zu nutzen und in den Fertigungsprozess einzubinden. Highlights am Technologiemeeting sind außerdem sensorische Werkzeuge bzw. Werkzeugaufnahmen mit integriertem Sensor (wie unser ICOtronic tool), Spannkraftmessung während des Bearbeitungsprozesses im iJaw der Firma Röhm sowie verschiedenste Mess- und Scann-Technologien.

MM: Welchen Einfluss hat die zunehmende Automatisierung im Bereich der Bearbeitungsmaschinen?
Norbert Jungreithmayr: Wir werden ohne Frage dahingehend gefordert, Automatisierungssysteme zu schaffen, welche sowohl eine manuelle Bedienung als auch einen automatisierten Betrieb erlauben. Dieser Mischbetrieb bringt die höchste Flexibilität und Produktivität für den Kunden. Die Integration und Optimierung der Schnittstellen als auch der Austausch von Daten sind durch die Zusammenarbeit von FRAI und WFL bestmöglich sichergestellt. Gemeinsam entwickeln wir Systeme, um innovative und hochflexible Automatisierungslösungen zu bieten. Dies reicht von einfachen Roboterzellen bis hin zu komplexen Anlagen mit Leitrechner und Integration mehrerer Maschinen.

MM: Sie präsentieren Ihren Kunden auch Mobile Robot Automation, um für die Fabrik der Zukunft gerüstet zu sein. Bei welchen Maschinen oder Anwendungsbereichen kann die Roboterunterstützung ihre Stärken ausspielen?
Norbert Jungreithmayr: Mobile Robot Automation bietet die Möglichkeit, mit einem mobilen Roboter mehrere Maschinen zu automatisieren. Dies ist speziell dann von Vorteil, wenn sich die Laufzeiten des einzelnen Bauteils in einer Größenordnung von 30 – 60 Minuten oder mehr befinden. Infolgedessen hat der mobile Roboter Zeit, um verschiedene Maschinen zu bedienen. Neben den MILLTURNs können das auch weitere Maschinen in der Prozesskette sein, wie etwa der Transport zu einer Mess- oder Finish-Maschine.
Einen großen Vorteil bietet die Mobile Robot Automation zudem in der nachträglichen Automatisierung, denn oft sind diese Maschinen aufgrund ihres Standortes nicht für eine Portal- oder Roboterzellenlösung geeignet. Mittels mobilem Roboter müssen die Maschinen nicht umgestellt werden, sondern werden vom mobilen Roboter direkt angefahren. Bei dieser Lösung bleibt die Maschine frei zugänglich, sodass auch eine manuelle Beladung über den Kran jederzeit möglich ist.

MM: Wie autonom können die Werkstücke bearbeitet werden?
Norbert Jungreithmayr: Da wir mit unseren Automatisierungslösungen auch Spannvorrichtungen und Werkzeuge an der Maschine rüsten können, ist die Bearbeitung von Werkstücken mit sehr hoher Autonomie möglich. Speziell durch den Greiferwechsel ist das Abarbeiten unterschiedlicher Werkstücke ohne Eingriff eines Bedieners möglich. Funktionen wie kamerabasierte Erkennungssysteme oder die Integration von Messmaschinen erhöhen den Autonomiegrad nochmals.

MM: 2018 wurde die Firma FRAI erworben. Was wurde schon gemeinsam erreicht?
Norbert Jungreithmayr: Die Firma FRAI wurde erworben, um sich dem Thema der Automatisierung gemeinsam intensiv zu widmen und optimierte, abgestimmte Kundenlösungen zu erarbeiten. So sind die Automatisierungslösungen von FRAI integriert und können über den MILLTURN-Bildschirm bedient werden.
Gemeinsam konnten wir bereits viele Projekte realisieren. Highlights waren u.a. die Automatisierung von Anlagen mit mehreren MILLTURNs inklusive Leitrechner und Stationen zum automatischen Wechsel der Spannbacken, Reitstockspitzen und Werkzeuge sowie Anlagen mit Kamerasystemen für Bin-Picking nicht orientierter Rohteile.

MM: Größer, schwerer, stärker – oder automatisierter, vernetzter, effizienter. In welche Richtung entwickelt sich WFL aktuell?
Norbert Jungreithmayr: Das eine schließt das andere nicht aus. Je Branche und Industrie gibt es einerseits den Bedarf nach schweren und großen Maschinen, aber noch stärker ist die Nachfrage nach automatisierten, vernetzten Systemen, welche eine optimale Nutzung der Kapazitäten ermöglichen. Speziell beim Thema Effizienz geht es um die Vermeidung bzw. massive Reduktion von Nebenzeiten, um durch hohe Auslastungsgrade effizient und kostengünstig produzieren zu können.

MM: Aktuell gibt es „multiple Krisen“, die es produzierenden Unternehmen erschweren zu liefern oder zu planen. Wie erleben Sie das?
Norbert Jungreithmayr: Mit der Corona-Krise erfolgte eine Verknappung von verschiedensten Bauteilen. Nun erschwert sich die Lage durch den kriegerischen Konflikt in der Ukraine, denn dieser führt zu Schwierigkeiten bei den Rohstoffen. Transportengpässe weltweit und Lockdowns in Asien machen die Situation besonders problematisch. Dies erfordert ein tägliches Krisenmanagement. Bis dato sind wir liefer- und handlungsfähig und sehen vorsichtig optimistisch den nächsten Monaten entgegen.

MM: Wie begegnen Sie den Herausforderungen hinsichtlich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit?
Norbert Jungreithmayr: Das Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz haben wir in drei Handlungsfelder aufgeteilt: Die Infrastruktur des Unternehmens, die Prozesse sowie die Produkte und Technologien, welche wir für unsere Kunden entwickeln und liefern. In all diesen Bereichen wurden klare Ziele und Maßnahmen definiert, um sowohl die Nachhaltigkeit als auch die Energieeffizienz laufend zu verbessern.

MM: Wie nachhaltig ist WFL?
Norbert Jungreithmayr: Wir haben bereits viele Maßnahmen im Bereich der Energieeinsparung und andererseits in der Stromproduktion ergriffen. Einerseits reduzieren wir etwa durch thermische Sanierung und LED-Beleuchtung den Energieverbrauch und andererseits produzieren wir Strom durch unsere PV-Anlage, welche heuer auf 700 kW Peak ausgebaut wird. Der Fuhrpark wird Zug um Zug auf Hybrid- und Elektrofahrzeuge umgestellt. Gemeinsam mit unseren Lieferanten arbeiten wir zudem an der Energieeffizienz unserer Werkzeugmaschinen und optimieren die Bearbeitungsprozesse unserer Kunden hinsichtlich Energieeffizienz. Dazu gibt es derzeit ein wissenschaftliches Forschungsprojekt, um energieeffiziente Fertigungsprozesse voranzutreiben.

MM: Welche Erwartungen haben Sie für das aktuelle und das kommende Jahr für WFL?
Norbert Jungreithmayr: Trotz der aktuellen Herausforderungen sind wir vorsichtig optimistisch, da viele Veränderungen, wie etwa bei Energiepolitik, Nachhaltigkeit, Green Deal, etc. vonstattengehen. Verschiedene Industrien investieren in Fertigungskapazitäten und innovative Verfahren, um diese Veränderungen umzusetzen.

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