Im Gespräch MM Maschinenmarkt

Markus Heering: Wir schaffen Perspektiven

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Die EMO Hannover World Tour führte Dr. Markus Heering auch nach Wien, wo er über seine Erwartungen und Entwicklungen am Markt sprach. „Im Fokus der EMO Hannover steht auch die Nachhaltigkeit. Das ist aufgrund der aktuellen Klimaveränderungen unerlässlich.“

Im Mai ist Dr. Markus Heering in die Geschäftsführung des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) und des Fachverbands Werkzeugmaschinen und Fertigungssysteme im VDMA eingetreten. Gemeinsam mit Dr. Wilfried Schäfer bildet er derzeit eine Doppelspitze und wird mit Jahreswechsel das Zepter von Dr. Schäfer übernehmen, wenn dieser nämlich in den Ruhestand geht. Die EMO Hannover wird ein großer Meilenstein sein, den die beiden im Duo begehen dürfen. Im Rahmen der EMO Hannover World Tour stattete Dr. Heering auch der österreichischen Bundeshauptstadt einen Besuch ab und stand uns exklusiv Rede und Antwort.

MM: Herr Dr. Heering, was dürfen die EMO-Besucher:innen in diesem Jahr erwarten?
Dr. Markus Heering: Ein wichtiges Thema für den Maschinenbau und daher auf der EMO Hannover ist die Digitalisierung und was sie mit der Industrie macht – die vielfältigen Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten, die daraus erwachsen. Im Fokus steht selbstverständlich auch die Nachhaltigkeit. Das ist aufgrund der aktuellen Klimaveränderungen unerlässlich. Hinzu kommen gesetzliche Anforderungen, aber auch die instabilen Energiepreise. Neben den Kostengesichtspunkten ist Energieeffizienz angesagt. Das ist ein ganz essenzielles Thema. Abgerundet werden die Metathemen durch den Fachkräftemangel, der aus meiner Sicht nicht nur Deutschland betrifft, sondern vielmehr eine weltweite Herausforderung ist. Auch in Märkten wie China stehen der Personalmangel und der demografische Wandel im Raum.

MM: Wo sieht die EMO in diesem Zusammenspiel ihre Rolle?
Dr. Markus Heering: Die EMO Hannover ist die Weltleitmesse für Produktionstechnologie und das wichtigste ist, dass man die Perspektiven aufzeigt. Das ist einerseits der Status quo, aber auch den Blick in die Zukunft zu werfen. Für Entscheidungsträger ist wichtig, Wissen zu erlangen um Investitionsentscheidungen fundiert treffen zu können. Und die EMO Hannover als Weltleitmesse für die Produktionstechnologie zeigt diese Perspektiven auf.

MM: Welche Entwicklungen erwarten Sie am Werkzeugmaschinenmarkt?
Dr. Markus Heering: Ich glaube, dass das Jahr 2023 noch einmal ein herausforderndes wird. Darauf weisen im Moment alle Indikatoren hin. Die Prognosen zumindest für den Euroraum sagen, dass es im nächsten Jahr wieder deutlich anziehen wird. Allerdings hängt das von Rahmenbedingungen ab, die wir nur sehr bedingt beeinflussen können, was die gesamtgeopolitische Lage und auch die Inflation betrifft.

MM: Wie werden Trendthemen wie Elektromobilität oder Wasserstoff auf der EMO Hannover ihren Platz finden?
Dr. Markus Heering: Die Automobilindustrie zählt zu den wichtigsten Kunden der Werkzeugmaschinenhersteller und die Transformation zur Elektromobilität hat natürlich erhebliche Auswirkungen für die Industrie. Insofern sehen wir, dass derzeit auch gerade im Bereich der Elektromobilität zusätzliche Investitionen getätigt werden. Dafür gilt es die passenden Lösungen und Konzepte anzubieten. Auf der EMO Hannover werden wir daher dieses Thema explizit hervorheben.

MM: In der Vergangenheit ist vieles in den virtuellen Raum gewandert. Ist das Thema vom Tisch?
Dr. Markus Heering: In den 2 Jahren der Corona-Krise haben wir sehr deutlich gemerkt, dass physische Messen nicht 1:1 in den virtuellen Raum übertragen werden können. Die Unternehmen haben sehr deutlich gespürt, dass wenn man virtuelle digitale Veranstaltungen professionell durchführen möchte, die Kosten annähernd so hoch sind wie ein physischer Messeauftritt. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass man virtuell häufig nicht die Entscheidungsträger erreicht. Wenn wir eine Messe veranstalten, dann kommen die Entscheidungsträger. Bei einer Weltleitmesse wie der EMO Hannover kommen sie auch aus dem globalen Raum. Das ist etwas was virtuell nicht funktioniert.

MM: Erteilen Sie damit virtuellen Formaten eine Absage?
Dr. Markus Heering: Ich glaube, dass wir uns als Veranstalter auch in Zukunft sehr wohl Gedanken machen müssen, welche Leistungen wir um die physische Messe herum digitalisieren können. Die EMO Hannover World Tour beispielsweise konnte dank hybrider und digitaler Formate mehr als 900 Teilnehmende aus aller Welt erreichen. Trotzdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass mit digitalen Formaten nicht alle globalen Märkte ausreichend abgeholt werden. Zum Beispiel in den USA und Asien hatten wir geringere Streamings als erwartet. Digitalisierung wird eine Rolle spielen, aber eben nicht die, dass sie alles übernimmt. Daher sind wir froh, nun wieder Nähe schaffen zu können.

MM: Bleiben wir gleich in Fernost. Wie sehen Sie die Situation im Zusammenspiel mit China?
Dr. Markus Heering: Das ist eine ganz schwierige Frage. China ist für unsere Industrie immer noch ein sehr wichtiger Absatzmarkt. Auch die USA sind ein Markt mit großer Bedeutung. Die politischen Spannungen zwischen diesen beiden Ländern geben uns Grund zum Nachdenken. Wir müssen uns fragen, wie wir uns auf Dauer positionieren wollen. In Coronazeiten haben wir gesehen, wie schwierig es ist, von einzelnen Märkten als Zulieferer abhängig zu sein. Die Lieferketten-Problematik hat uns branchenübergreifend getroffen. Insofern denke ich, ist man gut beraten, wenn man diverse Märkte bedienen kann, um das Risiko zu minimieren. Eine andere Dimension ist, dass wir China natürlich zunehmend auch als Wettbewerber sehen. In Russland ist China in weiten Teilen als Lieferant eingesprungen und ersetzt westliche Technologien. Die Unternehmen müssen schauen, wie sie sich da positionieren können.

MM: Welche Märkte rücken zukünftig stärker in den Fokus?
Dr. Markus Heering: Indien ist sicherlich ein Markt, der gerade sehr stark in der Diskussion steht. Einerseits, weil Indien geopolitisch zwischen den Lagern positioniert ist und andererseits als bevölkerungsreichstes Land mit einer Perspektive weiter zu wachsen. Die Bevölkerung in Indien wird weiter wachsen, während China allen Prognosen zufolge in den nächsten Jahren schrumpfen wird, und zwar dramatisch.

MM: Zurückkommend auf die Lieferketten – hat es hier schon ein Umdenken gegeben oder sind wir wieder zurückgekehrt zur Ursituation?
Dr. Markus Heering: Ich glaube, es ist seitdem ein permanenter Prozess im Gange die Lieferketten zu diversifizieren und sich alternative Produktionsstandorte zu suchen, aber das braucht Zeit. Wichtig ist, dass wir das entsprechende Durchhaltevermögen mitbringen und auf Dauer wettbewerbsfähig in der Lage sind, diese Produkte in Europa herzustellen. Auf der EMO Hannover sehen wir nämlich genau das: Wir sehen Perspektiven zu investieren und Möglichkeiten. Das führt dann dazu, dass wir auf den globalen Märkten wettbewerbsfähige Technologien anbieten können.

MM: Wettbewerbsfähig heißt mittlerweile vor allem auch nachhaltig entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Wie hält man es in Märkten wie China und Indien mit der Nachhaltigkeit?
Dr. Markus Heering: Auch dort wird das Thema vorangetrieben, aber mit anderen Schwerpunkten. Ich glaube aber, dass wir in Europa Vorreiter sein können, wenn wir die richtigen Entscheidungen treffen, weil wir technologisch immer noch sehr weit vorne sind. Ich glaube, dass wir diesen Vorsprung nutzen müssen, um möglichst nachhaltige, effiziente, ressourcenschonende Konzepte umzusetzen. Das hat in der Perspektive auch auf dem Weltmarkt eine Chance.

MM: Welche Erwartungen haben Sie an den Messeerfolg?
Dr. Markus Heering: Eine unserer Erwartungen hat sich bereits erfüllt, dass alle wichtigen Unternehmen an der EMO Hannover teilnehmen. Denn das ist wichtig, um die Weltleitmesse zu bleiben und das gesamte Portfolio zeigen zu können. Das ist der erste große, wichtige Schritt. Ich habe die Erwartung, dass auch die Besucher wiederkommen und erhoffe mir eine ähnliche Besucherstruktur wie beim letzten Mal. Dafür ist wichtig, dass global alle Regionen vertreten sind und wir damit dem Charakter dieser Weltleitmesse gerecht werden.

MM: Ich danke Ihnen für das Gespräch.

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