Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Uwe Scharf und Stefan Rattke: Digitale Zwillinge für die Smart Factory

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Worauf man sich auf dem Weg zur smarten Fabrik einläst, erklären Uwe Scharf, Rittal, und Steffen Rattke, German Edge Cloud.

Die smarte Fabrik wird real. Worauf man sich auf dem Weg dorthin einlässt, wie das geht und welchen Sinn das überhaupt macht, erklären Uwe Scharf, Chief Business Unit Officer bei Rittal, und Steffen Rattke, Leiter Presales bei German Edge Cloud, im Gespräch.

IoT4industry&business: Digitalisierung ist längst in den modernen Fabriken angekommen. Wie können diese nun optimal damit umgehen?
Uwe Scharf: Ja, für die Fertigungs-Unternehmen ist das Thema Digitalisierung in der Produktion immer greifbarer. Die Ziele sind klar: mehr Transparenz, Wissen, Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit. Die Frage für viele Unternehmen lautet: Mit welchen Schritten kommen sie am besten voran? Die Datenqualität ist der entscheidende Faktor. Dabei sollte der Blick auf das Umfeld der Fertigung erweitert werden. Für eine „Smart Production“ gilt es gleich drei Ökosysteme mit ihren jeweiligen Digitalen Zwillingen klug zu verbinden: Anlagen, Produkte und Fertigungsprozesse.

IoT: Woher kommen die Daten der Zwillinge?
Uwe Scharf: Die Daten entstehen in Ökosystemen, die heute oft noch lückenhaft vernetzt sind. Wenn es gelingt, für Anlagen, Produkte und Fertigungsprozesse je einen vollständigen digitalen Zwilling zu erzeugen und diese intelligent zu verbinden, ist das ein sehr relevanter Schritt auf dem Weg zur Smart Production. Beim Digitalen Zwilling der Anlagen können wir unsere Kunden schon sehr weitgehend unterstützen. Eplan und Rittal treiben gemeinsam mit den Steuerungs-, Schaltanlagen und Maschinenbauern die durchgängige Digitalisierung voran, mit Software von Eplan schon ab dem ersten Klick beim Engineering sowie mit Systemtechnik, Software und Automation von Rittal. Werden diese Daten beispielsweise über die digitale Schaltplantasche Rittal ePocket aktuell gehalten, profitieren die Anlagenbetreiber auch im Betrieb von einem Zwilling ihrer Anlagen als „Single Source of Truth“ in der Cloud.

IoT: Sie sprachen von drei Zwillingen: Anlagen, Fertigungsprozesse und Produkte?
Uwe Scharf: Auch rund um die anderen Zwillinge können wir die Erfahrungen unserer Schwesterunternehmen einbringen. Bei den Fertigungsprozessen kommt German Edge Cloud (GEC) ins Spiel. GEC nutzt die Informationen der Anlagendaten zur schnelleren Vernetzung und zur Visualisierung der Prozesse als Digitaler Fertigungszwilling. IIoT-gestütztes Produktionsmanagement mit dem Oncite Digital Production System erhöht dann die Effizienz und Flexibilität der Fertigung. Dafür sind auch vollständige Datensätze für jedes einzelne Werkstück erforderlich – gewissermaßen ein Digitaler Produktzwilling. Hier steigert Cideon die Datendurchgängigkeit mit Erfahrung in CAD/CAM, PDM/PLM und Produktkonfiguration.

IoT: Wo genau setzt GEC an?
Steffen Rattke: Zuerst müssen die Maschinen vernetzt und die Daten in Kontext gesetzt werden. Das braucht viel Domänenwissen über Automatisierung und Fertigungsprozesse. Sie müssen erkennen, welcher Sensor welche Daten an welcher Maschine misst und welche Rückschlüsse daraus zum Fertigungsprozess gezogen werden können. Mit Maschinen- und Anlagendaten von Eplan kommen wir dabei schneller voran. Wir kontextualisieren alle Produktions- und Prozess-Daten und legen diese für wertige Analysen sinnhaft übereinander. Die gute Nachricht: Wer das geschafft hat, kann schnell neues Wissen und damit Nutzen aus den Daten ziehen, beispielsweise durch einen vollständigen virtuellen Überblick über alle Fertigungsprozesse in nahezu Echtzeit. Auf dieser Basis können Sie Fehler finden und die Prozesse optimieren. In unserer Unternehmensgruppe haben wir das mit Rittal im Werk Haiger umgesetzt.

IoT: Die Lösung von GEC nennt sich Oncite. Jetzt gibt es Oncite DPS. Was ist neu?
Steffen Rattke: Wir haben unsere Cloud-nativen industriellen Anwendungen zum vollwertigen Gesamtsystem Oncite Digital Production System (DPS) erweitert. Das Ergebnis verbindet ehemals getrennte Kernkomponenten einer digitalen Produktion in einem integrierten System: intelligentes Fertigungsmanagement mit MES- und MOM-Funktionen, Industrial IoT für die Datenanalyse, einen digitalen 3D-Zwilling für die Realtime-Sicht auf die Produktion sowie Low-Code Development für einfache Anwendungsentwicklung und Digitalisierung der Datenströme. Hinzu kommt Edge- und Cloud-Computing für die skalierbare und souveräne Datenverarbeitung. Die Oncite DPS ist Plattform- und Applikationsfunktionalität in einer integrierten Lösung mit moderner, flexibler Architektur. Ganz neu ist die strategische Partnerschaft mit den Prozessintegrations-Spezialisten von Scheer. Scheer PAS ist jetzt als Low-Code & Integration Platform Teil des Systems.

IoT: Wo liegen die Vorteile von Low-Code?
Steffen Rattke: Wir sprechen von Wandlungsfähigkeit und Flexibilität. Mit Low-Code lassen sich Anwendungen und Anpassungen schnell und ohne umfassende IT-Kenntnisse umsetzen. Das Prinzip: Die Anwendungen werden auf einer grafischen Oberfläche modelliert, sogar einfach mit Drag & Drop. Die Umsetzung in Programm-Code erfolgt automatisch. Das Ergebnis: Das Domänenwissen rund um den Inhalt der Anwendung in der Fertigung mündet ohne den Umweg über aufwendige Programmierung direkt in Digitalisierung. So geht es für die Fertigungs-Unternehmen noch einfacher und schneller voran. Dazu braucht es eine agile Plattform, die Microservices ermöglicht. Die Idee der Composable Enterprise von Scheer PAS passt also ideal zum DPS.

IoT: Wie sieht die Zukunft der Fertigungsindustrie in Sachen Smart Factory aus?
Steffen Rattke: Grundsätzlich kommt es darauf an, die digitale Transformation schnell in die Breite zu bringen, insbesondere bei mittelständischen Zulieferern als Rückgrat für die Lieferketten der Automobilindustrie. Das ist unser Antrieb als Gründungsmitglied und Beirat beim offenen Automotive-Datenökosystem Catena-X. Innerhalb der Fabrik steht jetzt für viele Unternehmen, die schon weiter fortgeschritten sind, die nächste Phase Richtung „Smart“ an: Der Übergang von der eher starren „Execution“ ihrer Prozesse hin zu mehr Agilität und IIoT-gestützter Regelungsfunktion – also Manufacturing Operations Management in nahezu Echtzeit. Ein Hindernis ist häufig der Mangel an Flexibilität vieler bestehender MES/PCS/Scada-Anwendungen durch ihre monolithische Software-Architektur. Software, die mit modernen Microservices das Industrial IoT nutzt, führt dank ihrer Flexibilität schneller und günstiger zum Ziel. Hier setzen wir mit dem DPS an. Natürlich müssen die in vielen Fabriken bereits eingesetzten Systeme berücksichtigt werden. Oncite DPS bietet daher flexible Möglichkeiten zur schrittweisen Migration und harmonisiert und modernisiert die IT-Architektur.

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