Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Erich Albrechtowitz: Gemeinsam ist man stärker

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„Digitalisierung kann nicht als Einzelphänomen verstanden werden, sondern als prozessuale Fähigkeit, Aufgabenstellungen zu lösen. Und dabei bedarf es einer gesamtstaatlichen Ansicht.“ Erich Albrechtowitz, CDO im Bundeskanzleramt

Digitalisierung ist gleichermaßen Marathon und Teamsport sagt Erich Albrechtowitz, CDO im Bundeskanzleramt, im Interview. Gemeinsam mit seinem Team stellt er sich als Bundesverwaltung den digitalen Herausforderungen wie Datenschutz in der Cloud, Künstlicher Intelligenz und der Cyber-Sicherheit.

 

IoT: Das Bundeskanzleramt digitalisiert man nicht einfach so, sondern dafür braucht es eine Strategie und ein Ziel. Wie sieht das aus?
Erich Albrechtowitz: Unser Ziel kann und muss es sein, alles zu tun, damit Österreich moderner, sicherer und wettbewerbsfähiger ist und bleibt. Das gilt natürlich für den Staat selbst, aber auch für die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes. Warum ist das so wichtig? Digitalisierung kann nicht als Einzelphänomen verstanden werden, sondern als prozessuale Fähigkeit, Aufgabenstellungen zu lösen. Und dabei bedarf es einer gesamtstaatlichen Ansicht. Wir selbst im Bundeskanzleramt digitalisieren natürlich im Rahmen unserer engeren Kompetenzen den Staat bzw. ganz konkret die Bundesverwaltung. Da gehört etwa das Personalmanagement genauso dazu wie auch unsere Bemühungen, gemeinsam mit anderen Fachressorts, wie dem digitalen Staatssekretariat oder dem Wirtschafts- und Innenressort, gemeinsame Initiativen zu starten. Denn gemeinsam ist man stärker.

IoT: Sie sind Chief Digital Officer im Bundeskanzleramt und stehen einer Gruppe von vier Abteilungen vor. Welche Aufgaben haben diese?
Erich Albrechtowitz: Wir haben die Abteilung IT-Personalmanagement, die die IT-Services für das Personalmanagement im gesamten Bund zur Verfügung stellt. Die Abteilung strategische Cybersicherheit kümmert sich um das Thema Sicherheit aus gesamtstaatlicher Sicht. Die hauseigene IT-Infrastruktur versorgt das Bundeskanzleramt mit digitalen Systemen. Und die Abteilung Informationssicherheit beschäftigt sich mit der Klassifizierung von Daten und Dokumenten. Ein übergreifendes Thema, das wir in allen Abteilungen aufgreifen und das immer wichtiger wird, ist das Thema Technologie- und Informationsmanagement. Das bedeutet gemeinsam mit den anderen Fachressorts, der Wirtschaft und der Forschung Projekte und Arbeitsgruppen zu bilden, um die Aufgaben gemeinsam besser meistern zu können.

IoT: Das Bundeskanzleramt ist ein großer Apparat, der als solcher ein gewisse Trägheit hat. IT per se ist gar nicht träge. Wie schaffen Sie den Spagat?
Erich Albrechtowitz: Das Bundeskanzleramt ist kein Start-up-Unternehmen. Und wir sind ohne Zweifel ein Teil der staatlichen Verwaltung. Das hat aber auch Vorteile, denn wir unterliegen nicht den quartalsmäßigen Zahlen der Konzerne, sondern wir sind sehr wohl in der Lage, mittelfristige bis langfristige Strategien zu entwickeln. Durchaus auch über Legislaturgrenzen hinweg, was ungeheuer wichtig ist. Denn Digitalisierung ist ein Marathon und kein 100 m Sprint. Und den laufen wir. Das Thema eGovernement wird in Österreich spätestens seit den 2000er Jahren intensiv betrieben. Wir haben ganz große IT-Services, um die uns andere Staaten durchaus beneiden.

IoT: Welche Services sind das?
Erich Albrechtowitz: Im Bereich des IT-Personalmanagements betreiben wir eine der größten SAP-Installationen Europas und damit eines der großen Services, das wir im Rahmen der eGovernement-Initiativen eingerichtet haben. Über das SAP-System werden die Gehälter von einer halben Million Bediensteten abgerechnet und zahlbar gestellt. Außerdem werden über das System sämtliche personaladministrativen Aufgaben für den gesamten Bund digitalisiert. Die Personalakten etwa, aber auch Themen wie das Bildungsmanagement, Recruiting oder die Jobbörse der Republik werden darin abgebildet. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen Self-Services zur Verfügung, mit denen sie in der Lage sind, die für sie wichtigen Daten und Prozesse wie Abwesenheiten, Urlaube und Krankenstände selbst zu managen. Das betrifft nicht nur die aktiven Mitarbeiter, sondern auch jene im Ruhestand. Auf dieses Angebot sind wir sehr stolz.

IoT: Schnittstellen sind meist ein Problem. Wie wird die Zusammenarbeit mit den anderen Behörden und Ressorts technisch gelöst?
Erich Albrechtowitz: Schnittstellen sind Teil der Digitalisierung und bedeuten Arbeit und Mühen. Ein Tal der Tränen, das für jeden Informatiker zu gehen ist. Aber selbstverständlich versuchen wir einerseits Technologien einzusetzen, die dieses Schnittstellen-Management sehr gut gewährleisten. Andererseits versuchen wir Themengebiete, sofern es unsere Bundesverfassung zulässt, möglichst homogen und kompakt zu gestalten. Und es werden natürlich Gremien eingerichtet, um diese Thematik der Schnittstellen-Interoperativität sicherzustellen bzw. zu bearbeiten. Denn es ist Bedeutung, dass Dokumente ausgetauscht werden können und gemeinsame Versionen gefunden werden. Wesentlicher Teil dieser Interoperativität-Strategie ist aber auch das Bundesrechenzentrum. Es ist ein fundamentaler Fortschritt, wenn die Digitalisierung dort gebündelt wird und eine zentrale Infrastruktur vorhanden ist. Es ist auch eine wesentliche Voraussetzung, um im Bund mit den wachsenden Schnittstellen umzugehen.

IoT: In der Privatwirtschaft strömt alles in die Cloud. Darf das Bundeskanzleramt mit den großen Public Clouds zusammenarbeiten?
Erich Albrechtowitz: Das ist bis dato eine Herausforderung und wird es auch bleiben. Es gibt keine gesetzliche Norm, die besagt: Als öffentlicher Auftraggeber darf man die Cloud nicht nutzen. Was es allerdings zu betrachten gilt, sind die unterschiedlichen Normqualitäten. Die offensichtlichste ist das Thema Datenschutz. Selbstverständlich müssen die Regeln des Datenschutzes eingehalten werden. Das ist mit einigen Cloud-Anbietern schon möglich. Mir fällt auf, dass die Hyperscaler mittlerweile erkennen, dass es in den europäischen Verwaltungen bestimmte Notwendigkeiten gibt. Über den Datenschutz hinaus gibt es noch weitere Themen wie Sicherheit, Souveränität oder Rechtsstaatlichkeit zu betrachten. Rechtsstaatlichkeit lebt in seinen Grundfesten insbesondere davon, dass Recht umgesetzt wird. Das Thema Cloud lebt von global standardisierten Prozessen. Das ist ein gewisser Antagonismus. Also gilt es im Vorfeld zu beurteilen, wo es innerstaatliche Regelungen gibt, die den Services entgegenstehen. Aber auch die öffentliche Verwaltung ist vom Markt abhängig, und manche Anbieter erlauben nur mehr Clouddienste. Hier muss man Wege finden. Kurz gesagt: Das Thema Cloud ist ein Phänomen der Digitalisierung und wir werden uns dem Thema à la longue nicht verschließen.

IoT: Künstliche Intelligenz ist ebenfalls auf dem Vormarsch. Wie gehen Sie damit um?
Erich Albrechtowitz: Künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die gekommen ist um zu bleiben. Sie hat ein gewaltiges Potenzial und – das möchte ich betonen – sie ist nicht nur Physikern und Informatikern zugänglich, sondern erklärbar. Und ich glaube fest daran, dass dort, wo Menschen fit und gebildet sind, die Sicherheit und die Möglichkeiten der KI Eingang finden und keine Dysbalance entsteht. Auf alle Fälle braucht es eine Readyness der Österreicherinnen und Österreicher, der Wirtschaftstreibenden aber auch der staatlichen Akteure. Meines Erachtens ist es in jedem Fall zu kurz gegriffen, nur den ‚Terminator’ in den Vordergrund zu stellen und nicht das, wofür KI grundsätzlich geschaffen wurde: nämlich für die Medizin, die Wissenschaft, die Bildung oder die Digitalisierung selbst. Hier wird uns KI in Zukunft jeden Tag begegnen und ich glaube wir tun gut daran, ein hohes Know-how zu haben und Strukturen aufzubauen, die nicht nur regulieren.

IoT: Regulierung bedeutet auch Sicherheit. Das Bundeskanzleramt ist mit Sicherheit sehr gut geschützt, was technische Systeme angeht. Meist ist der Mensch die Schwachstelle. Wie sensibilisieren Sie die Mitarbeiter:innen?
Erich Albrechtowitz: In jedem Fall hat jedes Ministerium und jedes Ressort die technischen Maßnahmen nach State of the Art zu treffen, um Abwehrmaßnahmen erfolgreich starten zu können. Und es gibt pro Monat unglaublich viele Cyberattacken. Das Bundesrechenzentrum hatte allein im März mit drei Millionen Cyberattacken zu tun. Das Thema Cyber-Sicherheit muss daher als Gesamtphänomen der Digitalisierung verstanden werden. Es kann nicht sein, dass man sich mit Digitalisierung beschäftigt und Cybersicherheit nicht mitdenkt bzw. Cybersicherheit unabhängig von Digitalisierung denkt. Das bedeutet für uns: Aufwand und budgetäre Mittel für Cybersicherheit bei jedem Projekt sicherstellen.
Und entscheidend beim Faktor Mensch ist, nicht nur wie groß unser eigenes Know-how ist und wie stark die Abwehrmaßnahmen hier im Bundeskanzleramt sind, sondern – und ich werde noch mehrmals sagen: Das Thema Digitalisierung ist ein Marathon und ein Teamsport. Es geht darum, uns gemeinsam sicher und fit zu machen. Denn die Hacker nutzen den schwächsten Einfallspunkt in einem digitalen Prozess. Und da ist es egal, ob der im Bundeskanzleramt oder in einem Partner-Ressort liegt, von dem man über Schnittstellen infiziert wird. Diese Security-Chain muss lückenlos und stark sein.

IoT: Gibt es internationale Vorbilder in der öffentlichen Verwaltung, von denen Sie Ideen übernehmen konnten?
Erich Albrechtowitz: Viele Länder haben gute Ideen. Es passiert alltäglich, dass wir Ideen zu Schnittstellenüberlegungen oder Strukturen kopieren und in unsere Verwaltung und unsere Prozesse einfließen lassen. Was wir uns auch sehr genau anschauen ist, wie man in befreundeten Staaten mit den Themen Datenschutz, Cloud oder KI umgeht. Wie richtet man sich aus und welche Gefahren und Chancen sieht man dort? Das ist für uns immer sehr wichtig. Das ist ein großer Teil der Verwaltungsarbeit, der sich dann letzten Endes auch in den Rechtsakten wiederfindet. Aktuell etwa im neuen Netz- und Informationssicherheit-Gesetz NIS 2, das ja aus den europäischen Initiativen hervorgegangen ist. Sehr oft wird die Zusammenarbeit als träge, behindernd, sozusagen als langsamer Moment gesehen, aber am Ende kommt die Kraft aus der Gemeinschaft.

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