Im Gespräch IoT4 Industry & Business

René Klausrigler: Die Guten ins Töpfchen die Schlechten ins Kröpfchen

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„Künstliche Intelligenz setzt sich im Bereich der industriellen Bildverarbeitung in den letzten Jahren immer mehr und mehr durch und wird, meiner Meinung nach, in speziellen Einsatzgebieten zum Standard werden.“ René Klausrigler, Market Product Manager Identification and Measurement bei Sick Österreich

KI kann nicht nur Texte und Bilder generieren und uns dabei in die Irre führen. In der Qualitätssicherung kann Deep Learning zwischen einem guten Produkt und Ausschuss unterscheiden. René Klausrigler, Produktmanager bei Sick Österreich, erklärt wo und wie man zu den besten Ergebnissen kommt.

 

IoT4industry&business: Sick spricht auf seiner Website vom „reformierten IT-Denken“. Was ist damit gemeint?
René Klausrigler: Früher haben Sensoren lediglich Messdaten geliefert. Heute gehen wir stark in Richtung Digitalisierung und Monitoring. Das heißt: Messwerte transparent machen und bei besonderen Ereignissen Alarme schalten etc. Es geht um die digitale Transformation, bei der es nicht nur um die Sensoren alleine geht, sondern darum, die Daten transparent zu machen. Dazu bieten wir auch Dashboards an, welche veranschaulichen, wie es dem Sensor oder der Anlage geht. Und auf Ereignissen basierend, können direkt Aktionen ausgeführt werden.

IoT: Sick ist noch einen Schritt weiter gegangen und setzt Künstliche Intelligenz ein.
René Klausrigler: Künstliche Intelligenz setzt sich im Bereich der industriellen Bildverarbeitung in den letzten Jahren immer mehr und mehr durch und wird, meiner Meinung nach, in speziellen Einsatzgebieten zum Standard werden. Wir bieten dazu unsere SensorApp namens „Intelligent Inspection“ an. Die SensorApp basiert auf Deep Learning, einer Unterkategorie der Künstlichen Intelligenz. Sie erlaubt die Automatisierung anspruchsvoller Prüfaufgaben, die bisher nicht möglich waren.

IoT: Welche Anwendungsgebiete sind ideal für Deep Learning?
René Klausrigler: Das sind etwa Objekte mit unkalkulierbaren Eigenschaften, wie z. B. natürlich gewachsene Objekte, verformte und defekte Objekte oder Objekte mit komplexen und unregelmäßigen Formen. Eine gute Einsatzmöglichkeit gibt es bei der Kontrolle von organischem Material wie Holz oder Lebensmittel. Ein Fisch oder eine Banane sehen ja immer anders aus. Also überall dort, wo es bisher sehr schwierig war, gleichbleibend robuste und wiederholbare Qualitätsprüfungen zu erreichen. Ein schönes Beispiel haben wir in der Holzindustrie umgesetzt. Da ging es um die Ausrichtung von Holzprofilen durch Erkennung der Jahresringe. Aber auch wenn unterschiedliche Lichtverhältnisse vorherrschen, ist eine Überprüfung mit regelbasierter Bildverarbeitung teilweise sehr schwierig. Im Bereich der kamerabasierten Barcode-Lesung wird ebenfalls bereits mit KI gearbeitet. Diese hilft vor allem, stark beschädigte Codes doch noch zu lesen.

IoT: Wie funktioniert die Inspection Deep Learning SensorApp?
René Klausrigler: Wenn man einem Kind den Unterschied zwischen einem sehr großen Hund und einem Pony beibringen möchte, zeigt man ihm immer wieder Bilder von beiden, bis es den Unterschied kennt. Bei Deep Learning ist es nichts anderes. Nur geht es dabei um Bilder verschiedener Produkte und deren Qualitätsmerkmale. Unser Intelligent Inspection-Bilderfassungstool sammelt zunächst die Beispielbilder des Produkts unter realen Produktionsbedingungen. Diese werden, je nach Anwendungsfall in unseren cloudbasierten Trainingsdienst dStudio geladen und dort oder direkt am Sensor schrittweisen trainiert. Im Grunde ist das sogar einfacher als bei der regelbasierten Bildverarbeitung, für die man bestimmte Messtools benötigt.

IoT: Lernt das System alleine oder muss der Mensch bei den Entscheidungen helfen?
René Klausrigler:
Beim Deep Learning werden Fotos der Produkte aufgenommen und für jedes einzelne definiert: Das ist gut, das ist schlecht. Das entscheidet allerdings der Mensch. So wird das neuronale Netz schrittweise trainiert, um seine Inspektionsaufgabe erfüllen zu können. Bei Bedarf können dann weitere Bilder hinzugefügt und ausgewertet werden, um das Ergebnis zu perfektionieren. Das Erstellen und Labeln der Bilder ist dabei die größte Arbeit. Da ist es aber immer noch der Mensch, der die essentielle Arbeit erledigt.

IoT: Sie haben von einem cloudbasierten Trainingsdienst gesprochen. Was ist das?
René Klausrigler:
Das Erkennen von Anomalien wird direkt auf dem Gerät, mithilfe der Intelligent Inspection SensorApp, trainiert. Das Trainieren neuronaler Netze zum Klassifizieren von Bildern erfolgt in der Sick-Cloud. Die generierten Deep-Learning-Algorithmen werden über die Cloud lokal auf dem Sensor bereitgestellt und sind so unmittelbar und ausfallsicher auf einer intelligenten Kamera verfügbar. Der Kunde braucht keine separate Trainingshardware oder -software. Das spart ihm Zeit und Kosten bei der Implementierung. Sobald der Kunde mit dem Ergebnis zufrieden ist, überträgt er sein individuell trainiertes neuronales Netz auf den Sensor. Hier trifft die Kamera dann selbstständig Entscheidungen, ohne dass eine weitere Anbindung an die Cloud erforderlich ist.

IoT: Für welche Kameras steht die Anbindung zur SensorApp zur Verfügung?
René Klausrigler: Deep Learning kann über das gesamte Portfolio der Sick InspectorP6xx-Vision-Sensoren ausgeführt werden. Der InspectorP61x ist der derzeit kleinste Vision-Sensor, bei dem Deep Learning direkt im Gerät läuft. Die Möglichkeiten zur intelligenten Inspektion gehen dann bis zum InspectorP65x. Er hat eine besonders hohe Auflösung und ein erweitertes Sichtfeld. Neben der InspectorP6xx-Familie ist es auch möglich, die Intelligent Inspection App auf unseren Controllern laufen zu lassen. Das findet Anwendung, wenn z.B. in der Applikation das Objekt von mehreren Seiten betrachtet werden muss. Hierzu verwenden wir unsere SIM (Sensor Integration Machine)-Controller in Kombination mit den 2D-Streaming-Kameras der Serie Midi und Pico Cam.

IoT: Kann der Anwender das alleine umsetzen?
René Klausrigler: Hat der Anwender bereits Erfahrung im Bereich der Bildverarbeitung, ist es nicht zwingend notwendig, dass wir ihn hier unterstützen. Aber natürlich bieten wir diese Serviceleistung an. Mit Hilfe des Gold Deep Learning Starter Packages werden unsere Kunden zu Profis für ihre Deep-Learning-Anwendungen – auch wenn sie vorher kein hohes Vision Know-how hatten. Anschließend kann der Kunde mit Hilfe des Sensors Daten sammeln und das neuronale Netz ganz alleine weiter trainieren.

 

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