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Clemens Voegele: Digitale Transformation ist kein Selbstzweck

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„Heute werden viele Entscheidungen nicht datenbasiert gefällt, weil die Daten dem Management für ihre Entscheidungen nicht transparent genug zur Verfügung stehen. Künstliche Intelligenz, Machine Learning und die Strukturierung von Daten werden der Digitalisierung in Zukunft einen enormen Schub geben“, so Clemens Voegele, CDO und CIO der Friedhelm Loh Group

Die Facetten der Digitalisierung sind so vielfältig wie die Prozesse und Prozessschritte in die sie integriert wird. Im Rahmen des Automation Forum in Vösendorf Ende Juni erklärte Clemens Voegele, CDO und CIO der Friedhelm Loh Group, überaus anschaulich, worauf Unternehmen bei Digitalisierungsprojekten besonders achten müssen. Im Interview sprach der Gründer von Cideon, das heute ein Unternehmen der Friedhelm Loh Group ist, über das richtige Mindset und die Low Hanging Fruits in Digitalisierungsprojekten.

MM: Herr Voegele, Sie haben in Ihrem Vortrag gesagt, Digitalisierung sei kein IT-Thema, sondern ein komplettes Business-Thema. Wie kriegt man das in die Köpfe?
Clemens Voegele: Ganz zu Beginn ist die Auseinandersetzung zu führen, wer denn der Treiber für diese Digitalisierung ist. Gerade große Unternehmen verfügen meist über große IT-Abteilungen, die aus der Historie heraus auch für Business-Prozesse mitzuständig sind oder sich dafür zuständig fühlen. Dass die IT beispielsweise im Vertrieb ein CRM einführt ist technisch natürlich klar, allerdings ist dafür das prozessuale Wissen nur in Ansätzen vorhanden. Deshalb ist es wichtig, dass hier das Business die führende Rolle übernimmt. Das Hauptthema im Business ist die Awareness. Es müssen Positionen geschaffen werden, die es früher in dieser Form nicht gab, wie etwa der Global Process Owner, die das Businessmodell sehr genau kennen und diesen Prozess optimal aufs Business adaptieren können. Das ist aus meiner Sicht der große Ansatzpunkt, auf Business-Seite das Verständnis und die Verantwortung für dieses Thema zu übernehmen, dann kommt die Digitalisierung auch in Schwung. IT muss die Technologie liefern, muss die Plattform liefern und muss die Flexibilität schaffen.

MM: Nun werden Unternehmen dadurch mit Themen konfrontiert, die ihnen bisher nicht vertraut waren. Wie geht man damit um?
Clemens Voegele: Firmen, die „born in the cloud“ sind, da keine Historie mitbringen, haben damit keine Probleme. Traditionelle Unternehmen hingegen, und zu denen zählen wir uns auch, sind gewachsen, bringen Tradition und Historie mit. Den Digitalisierungsschritt zu schaffen, ist damit deutlich schwieriger.

MM: Was ist für Sie Digitalisierung?
Clemens Voegele: Die Digitalisierung umfasst die unterschiedlichsten Aspekte. Da sind einerseits die Menschen, Kunden wie Mitarbeiter, die enorme Veränderungen und Verbesserungen erwarten dürfen. Für Unternehmen bedeutet Digitalisierung Effizienzsteigerung und Wettbewerbsfähigkeit. Es können Effekte erzielt werden, die anders gar nicht mehr bewältigt werden könnten. Früher ist man an Themen gescheitert, weil es die Technologie nicht gab. Heute haben wir die Technologie und können überragende Mehrwerte schaffen.

MM: Welche Themen und Technologien werden künftig den Unterschied ausmachen?
Clemens Voegele: Bei Programmiertechnologien, Plattformen sowie Infrastruktur ist man bereits sehr weit. Richtig spannend wird es beim Thema Daten. Künstliche Intelligenz, die Strukturierung, Auswertung und Bereitstellung von Daten, um das Business datengetrieben steuern zu können, ist der Riesenfortschritt von Digitalisierung. Heute werden viele Entscheidungen nicht datenbasiert gefällt, weil die Daten dem Management für ihre Entscheidungen nicht transparent genug zur Verfügung stehen. Künstliche Intelligenz, Machine Learning und die Strukturierung von Daten werden der Digitalisierung in Zukunft einen enormen Schub geben.

MM: Wo sehen Sie in der Industrie die Low Hanging Fruits, die man ernten kann ohne das komplette Business zu verändern?
Clemens Voegele: In den Serviceprozessen (z.B. HR, FI/CO, Service) findet man echte Low Hanging Fruits überall dort, wo es hohe transaktionale Tätigkeiten gibt. Prozesse können in diesen Bereichen schnell automatisiert und Effekte einfach erzielt werden.

MM: Nur ein schlechter Prozess, der digitalisiert ist, bleibt immer noch ein schlechter Prozess. Was sind die entscheidenden Fragen, die man sich ganz zu Beginn stellen sollte?
Clemens Voegele: Es ist zu allererst essenziell seine Prozesslandschaft zu kennen. In vielen Unternehmen sind die Prozesse nicht ausreichend visualisiert oder dokumentiert, um letztendlich auch die Varianzen zu sehen. Wenn dieser Schritt getan ist und Prozesse End-to-end gedacht sind, kann man sich dem Soll widmen und auch die gewünschten Effekte erzielen.

MM: Wie kann man aus Ihrer Sicht, um auf Ihren Vortragstitel zurückzukommen, verhindern, dass Digitalisierung zum Selbstzweck wird?
Clemens Voegele: Man muss die ganze Pyramide betrachten. Wenn die Zielbilder auf Managementebene nicht klar sind und nicht klar ist, dass das Projekt eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren hat, sowie damit auch hohe Investitionen verbunden sind – finanzielle Ressourcen als auch menschliche Ressourcen – kann man gar nicht erst beginnen. Die Managementebene muss es verstehen, den Menschen im Unternehmen das richtige Bild zu vermitteln, was man denn damit erreichen will, sonst passiert kein Fortschritt und es wird zum Selbstzweck. Digitalisierung braucht alle Aspekte von Kultur über Menschen bis Technologie. Es braucht dieses Bild, das ins Unternehmen transportiert wird, dann können Sie loslegen.

MM: Wo sieht die Friedhelm Loh Group in diesem Zusammenspiel ihre Rolle?
Clemens Voegele: Für uns als Unternehmen birgt die Digitalisierung eine Wahnsinnschance, einerseits hinsichtlich Effizienz und andererseits bei der Nutzung von Daten, um durch neue Businessmodelle beim Kunden noch attraktiver zu werden.

MM: Und aus Kundensicht?
Clemens Voegele: Am Anfang war der Schaltschrank – also eigentlich eine Komponente, wo Sie nicht viel digitalisieren können. Nun betrachten wir aber das große Ganze: Das Engineering von Eplan wird vorgelagert, wir schaffen Daten und reichern unsere Produkte damit an. Der Mehrwert entsteht durch unsere Konstellation: Wenn Sie eine Durchgängigkeit haben von Schaltplanentwurf mit Eplan bis hin zur Schaltschrankplanung und dann auch die Komponenten erhalten, schafft das für den Kunden einen hohen Mehrwert. Es schafft Durchgängigkeit und Transparenz im kompletten Prozess.

MM: Vielen Dank, Herr Voegele.

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