Im Gespräch MM Maschinenmarkt

Interview | „Bei der Mobilität der Zukunft gibt es kein Entweder-Oder“

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Prof. Dr.-Ing. Thomas Weber ist als Vize-Präsident der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften - verantwortlich für das Themengebiet „Zukunft der Mobilität“. Weber ist Mitglied des Lenkungskreises der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM).

Das gesamte Mobilitätssystem befinde sich mitten in einer tiefgreifenden Transformation. Die „Innovationen für die Mobilität der Zukunft“ sind Thema einer Keynote im Rahmen der Dinner-Night am 8. Juni 2021 in Wien im Vorfeld des Technologieforum. Vortragender zu diesem spannenden Themenbereich ist Prof. Dr.-Ing. Thomas Weber. Er ist als Vize-Präsident der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften – verantwortlich für das Themengebiet „Zukunft der Mobilität“.

Interview: DHK, Hans Winkler

Diese tiefgreifende Transformation der Mobilität der Zukunft verschärft sich durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie noch mehr erklärt Weber: „Wir müssen diesen Wandel mit Forschung und Innovationen aktiv gestalten. Innovationen stellen nicht nur einen wichtigen Stellhebel für die wirtschaftliche Erholung der Automobilindustrie mit ihrem gesamten Zulieferernetzwerk dar, sondern sind auch Voraussetzung für ein wettbewerbsfähiges und fortschrittliches Mobilitätssystem der Zukunft.“ Um das Thema zu vertiefen hat Thomas Weber im Vorfeld ein paar Fragen dazu beantwortet.

E-Antrieb oder Verbrennungsmotor – entscheiden Markt und Kunden wohin die Reise geht oder ist die Weichenstellung nicht zuletzt durch die massive Förderung längst passiert?

Prof. Dr.-Ing. Thomas Weber:   Wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, sind Entweder-oder-Fragen nicht zielführend. Dazu sind die Anforderungen an das Mobilitätssystem viel zu komplex. Wir müssen anspruchsvolle Klimaziele erreichen und die Transformation sicherstellen. Dabei gilt es, auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, Arbeitsplätze zu erhalten und Mobilität bedarfsgerecht, bezahlbar und sozial gerecht zu gestalten.

Ich bin davon überzeugt, dass im Bereich der Elektromobilität die Marktmechanismen greifen, sobald wir einen reifen, einen selbstragenden Markt haben. Finanzielle Anreize und Förderinstrumente, aber auch Privilegien wie Sonderparkflächen oder die Nutzung von Busspuren helfen, die Marktentwicklung für Elektromobilität zu beschleunigen, mehr E-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen und eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur aufzubauen.

Es gibt bisher nur eine lückenhafte Ladeinfrastruktur. Zudem ist die Reichweite von E-Autos immer noch ein Thema. Was tut jemand, der am Land wohnt, wo es keine Ladestationen gibt? Oder wie soll man mit dem E-Auto auf Urlaub fahren, etwa auf eine kroatische Insel, wenn die Reichweite nicht einmal für eine Fahrt von Wien nach Oberkärnten reicht?

Weber: Umfragen zeigen, dass zwischen dem, was Elektromobilität heute schon bietet und der Wahrnehmung der Nutzenden eine große Lücke klafft. Wenn allerdings Anreize richtig gesetzt und attraktive Fahrzeugmodelle angeboten werden, dann weicht die Skepsis schnell. Die Reichweiten der Fahrzeuge steigen durch größere Batterien – immer mehr Fahrprofile können damit problemlos elektrisch abgedeckt werden. Parallel dazu wächst das Angebot an Ladeinfrastruktur sowohl zuhause, beim Arbeitgeber und im öffentlichen Raum. Wichtig ist, dass wir E-Fahrzeuge bedarfsgerecht einsetzen und bereit sind, unsere Gewohnheiten anzupassen. Alles nur mit dem Auto abdecken zu wollen, ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Schon heute – und in Zukunft noch viel mehr – setzten wir Mobilität durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung flexibler und bedarfsorientiert ein. Auch heute schon fahren wir mit der Bahn zum Flughafen, steigen ins Flugzeug und nehmen am Ankunftsort einen Mietwagen.

Es wird auch an Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen geforscht. Muss man sich das als eine Art Wettlauf mit den E-Autos vorstellen oder ist der Weg zur E-Mobilität unumkehrbar? 

Weber: Stand heute wird es die eine Antriebslösung für eine klimafreundliche, saubere und effiziente Mobilität nicht geben. Die globalen Anforderungen im Personen- und Güterverkehr, für Fahrzeuge auf der Straße, auf der Schiene, zu Wasser und in der Luft sind viel zu unterschiedlich. Wir brauchen intelligente Antriebs- und Kraftstofflösungen. Intelligent bedeutet, dass wir die Emissionen dauerhaft senken und gleichzeitig die unterschiedlichen Anforderungen an flexible und leistungsstarke Verkehrsmittel auch zukünftig erfüllen können. Für Pkw ist die derzeitige Fokussierung auf Elektromobilität wegen des erreichten Reifegrades und der getätigten Investitionen passend. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir derzeit knapp 48 Millionen Pkw und 3,5 Millionen Lkw allein in Deutschland in der Bestandsflotte haben, die größtenteils mit Verbrennern fahren. Synthetische Kraftstoffe könnten speziell für diese Bestandsflotte eine sinnvolle Ergänzung bieten.

Sind Hybrid-Antriebe eine Dauerlösung oder nur ein Übergang bis zur flächendeckenden E-Mobilität?

Weber: Für die deutsche Bundesregierung hat die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) vergangenes Jahr untersucht, ob und inwieweit Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge (PHEV) einen Beitrag zu einem klimafreundlichen Verkehr leisten können. Wir haben gezeigt, dass PHEV ein Wegbereiter für die Elektromobilität und Teil des Antriebsportfolios der Zukunft sein können, wenn sie ihre technologischen Stärken ausspielen und überwiegend elektrisch gefahren werden. Mit höheren elektrischen Reichweiten der Fahrzeuge von mindestens 80 Kilometern könnte der Großteil der täglichen Fahrten abgedeckt werden. Auch eine höhere Ladeleistung von 11 kW und der schnellere Ladeinfrastrukturausbau zuhause und beim Arbeitgeber werden helfen, dass Nutzerinnen und Nutzer mit PHEV schrittweise und ohne Reichweitenangst an die Elektromobilität herangeführt werden.

Die Batterie der E-Fahrzeuge steht immer wieder in der Kritik – es geht um Themen wie Sicherheit, Gewinnung von Kobalt und Verfügbarkeit seltenen Erden oder Entsorgung. Wie gehen die Hersteller damit um?

Weber: Sicherheit ist eines der wichtigsten Kriterien in der Automobilindustrie. Fahrzeugbatterien erfüllen bereits heute alle geltenden Sicherheitsstandards. Hinzu kommen die gesetzlichen Anforderungen, deren Einhaltung von den Zertifizierungs- und Zulassungsstellen überwacht wird. Mit steigenden E-Fahrzeugzahlen wächst der Bedarf an Fahrzeugbatterien und bei den erforderlichen Batteriematerialien wie Kobalt, Lithium und Nickel. Im Sinne der Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit müssen die Wertschöpfungsnetzwerke für alle Schlüsselkomponenten als geschlossenen Kreisläufe geplant und realisiert werden. Dann können die damit verbundenen Herausforderungen durch eine effektive Kreislaufführung entlang der Lieferkette vom Abbau der Rohstoff bis zum Recycling minimiert werden. In all‘ diesen Handlungsfeldern passiert gerade sehr viel und mehr denn je gilt: Forschung und Innovationen sind der Schlüssel für eine nachhaltigen Erfolg.

Mehr Informationen: www.technologieforum-dhk.at

 

Die Deutsche Handelskammer in Österreich  (DHK) veranstaltet regelmäßig in Kooperation mit Fraunhofer Austria Research das Deutsch-Österreichische Technologieforum. Im Fokus stehen dabei immer aktuelle Themen aus Digitalisierung in Industrie und Handel. Motto der diesjährigen Veranstaltung „Technologien für nachhaltige Unternehmensstrategien“.  

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