Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Rudolf Platzer: Wie kommt der Schaltschrank in die Cloud?

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Der Schaltschrank wird digital. Wie das geht und warum man dabei keine Angst vor der Cloud haben muss, erklärt Rudolf Platzer im Gespräch. „Digitalisierung hängt nicht unbedingt von der Größe, sondern von der Fokussierung im Unternehmen ab.“

Alles wird digital – auch der Schaltschrank. Warum das notwendig ist, wie das geht und warum man dabei keine Angst vor der Cloud haben muss, erklären Rudolf Platzer, Produktmanager RAS Maschinen bei Rittal und Hans-Peter Ziegler, Business Development bei Eplan, im Gespräch.

 

IoT4industry&business: Ein Schaltschrank ist per se ein Metallkasten. Wie macht man einen Schaltschrank digital?
Rudolf Platzer: Wir beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit dem Thema Wertschöpfungskette. Und das bedeutet im Steuerungs- und Anlagenbau die Bereiche Engineering, Beschaffung, Herstellung, Betrieb und Servicierung über den gesamten Lebenszyklus eines Schaltschranks hinweg. Jeden einzelnen dieser Bereiche kann man digitalisieren. Diese einzelnen digitalen Schritte bedeuten, dass die Prozesse deutlich effizienter und transparenter werden. Rittal bietet heute schon, gemeinsam mit Eplan, ein System an, in dem bereits vieles digitalisiert ist. Da gibt es nur mehr wenige Arbeitsbereiche, die noch manuell ausgeführt werden müssten. Digitalisierung ist allerdings ein Prozess, der nur step by step gelingt. Mit einem Fingerschnipp gelingt das keinem Unternehmen.

IoT: Industrie 4.0, IoT, Digitalisierung – Man hat einen Eindruck, dass wir in einer digitalen Produktionswelt leben. Die Realität sieht meist anders aus. Was denken Sie?
Rudolf Platzer: In meiner Wahrnehmung sind viele Unternehmen bislang nur in einzelnen, teilweise in mehreren Produktionsbereichen, auf diesen Erfolgszug aufgesprungen. Und es gibt noch sehr viel Luft nach oben, denn die herkömmliche manuelle Arbeitsweise, wird immer fehleranfällig und zeitaufwendig bleiben. Mit unserem Angebotsportfolio könnte man bereits die nahezu komplette Schaltschrankbearbeitung digitalisieren. Es gibt kleine Unternehmen, die bereits sehr gut aufgestellt sind, weil es hier eine einfache Entscheidungshierarchie gibt und die Vorteile im Bereich Industrie 4.0 zu ihrem Marktvorteil nutzen wollen. Auf der anderen Seite sind es mittlere bis große Firmen, die den Schritt Richtung Digitalisierung noch nicht wirklich gegangen sind. Im Glauben, dass sie ihre Prozesse gut beherrschen, erachten sie es oftmals nicht für notwendig, etwas zu ändern. Es hängt also nicht unbedingt von der Größe, sondern von der digitalen Fokussierung im Unternehmen ab. Natürlich spielt der nötige Finanzierungsaufwand für die Digitalisierungs- und Automatisierungsschritte ebenfalls eine wesentliche Rolle.

IoT: Seit Jahrzehnten hören wir, dass Maschinen Menschen ersetzen werden. Die Digitalisierung bestärkt diese Befürchtungen. Was sagen Sie dazu?
Hans-Peter Ziegler: Österreichweit waren diesen Mai 280.000 offene Stellen ausgewiesen. Das heißt, wir nehmen keinem etwas weg. Im Gegenteil, wir müssen uns überlegen, wie wir diese Stellen auffüllen. Wir sind in einer Branche, in der man Menschen durch Automatismen entlasten kann. Der Anteil unserer Arbeitszeit, die wir für Dokumentationen aufwenden, wird immer größer. Dadurch macht die Arbeit immer weniger Spaß. Da ist es super, Ansatzpunkte zu finden, um die Leute wieder für ihre eigentlichen Aufgaben freizuspielen. Wenn ihnen dokumentieren mehr Spaß machen würde, wären sie wahrscheinlich von Anfang an in die technische Dokumentation gegangen.

Rudolf Platzer: Ich möchte auch einen anderen Aspekt hinzufügen. Wir haben zusätzlich das Problem eines Fachkräftemangels. Mit Hilfe von automatisierten Prozessen können auch weniger qualifizierte Menschen dank technischer Unterstützung eingesetzt werden.

„Der digitale Schaltschrank entsteht schon im Design und in der Entwicklung der einzelnen Bauteile für den Schaltschrank selbst. Da entstehen bereits digitale Daten im Engineering, der Beschaffung und der Herstellung.“ Hans-Peter Ziegler, Business Development bei Eplan
„Der digitale Schaltschrank entsteht schon im Design und in der Entwicklung der einzelnen Bauteile für den Schaltschrank selbst. Da entstehen bereits digitale Daten im Engineering, der Beschaffung und der Herstellung.“ Hans-Peter Ziegler, Business Development bei Eplan

 

IoT: Sind Digitalisierung und Automatisierung die einzigen Hebel, um die Effizienz im Unternehmen zu steigern?
Rudolf Platzer: Als Unternehmen wird man mittlerweile dazu gezwungen mitzumachen. Denken Sie etwa an Fernost. Im Wettbewerb zum globalen Markt müssen wir Produkte zu einem bestimmten Preis herzustellen. Neben den günstigeren Arbeitskosten sind die asiatischen Unternehmen zusätzlich hoch digitalisiert und automatisiert. Das bedeutet, man muss seine eigenen Prozesse so anpassen, dass eine hohe Qualität und vor allem die Reproduzierbarkeit in einer bestimmten Zeit ermöglicht werden kann. Damit wird man schlagkräftiger und auch konkurrenzfähiger. Mittlerweile erwarten auch immer mehr Kunden digitalisierte, automatisierte und nachvollziehbare Prozesse, die man bereits aus der Automobilindustrie kennt. Dort weiß man über jedes einzelne Teil, wer es produziert hat, wann und wo es gefertigt wurde.

IoT: Wenn wir zur Digitalisierung des Schaltschranks zurückgehen, bei welchem Prozessschritt beginnt seine Digitalisierung?
Hans-Peter Ziegler: Meiner Meinung nach beginnt diese in einer sehr frühen Phase. Der digitale Schaltschrank entsteht schon im Design und in der Entwicklung der einzelnen Bauteile für den Schaltschrank selbst. Da entstehen bereits digitale Daten im Engineering, der Beschaffung und der Herstellung. Diese Valuechain findet schon bei Rittal in der eigenen Produktion statt. Hier entstehen sehr viele digitale Informationen, die man dann etwa ins Eplan-Data-Portal weitergeben und -verwenden kann. Ebenso erhält jeder Schaltschrank im Werk einen individuellen QR-Code für die Verknüpfung mit der Eplan Cloud/ePocket. Wenn wir wieder in den Anlagenbau zurückgehen, beginnt der digitale Schaltschrank genau im Eplan-Data- Portal, bei den Konfiguratoren, mit denen er seine Komponenten zusammenstellen, online bestellen und dann in der Elektro-Planung weiterverarbeiten kann.

IoT: Wie sehen weitere digitale Möglichkeiten aus?
Rudolf Platzer: Im Rahmen einer Umfrage in der DACH-Region wurde erhoben, was sich Kunden in der Fertigung erwarten. Und das ist neben der Steigerung der Effizienz und besserer Ressourcenplanung auch das direkte Feedback aus der Fertigung, etwa ob eine Maschine eine Störung hat. Das war in gewisser Weise schon bislang möglich, aber mit einem wesentlich höheren Aufwand. Wir brauchen also eine Fertigungsteuerung, die mehr Nutzen bringt und die Abläufe wesentlich vereinfacht. Das bietet etwa unser neues RiPanel Processing Center (RiPPC). Es optimiert die Datenverwaltung und Arbeitsschritte vom Engineering zur Maschinensteuerung. Konstruktionsdaten aus Eplan Pro Panel und Informationen wie Stückzahl und Zieldatum werden direkt übernommen. Das RiPPC besteht aus dem Layout-Tool und dem Job-Management. Im Layout-Tool gibt es eine Bibliothek, die bereits eine Auswahl an 2D-modellierten Komponenten von Rittal enthält. Das Job-Management ermöglicht die Verwaltung der Produktionsaufträge für die registrierten Rittal-Maschinen wie die Schaltschrankbearbeitung, die Kabelkanal- und der Schienenzuschnitt, der Drahtkonfektionierung bis hin zur visionellen Unterstützung der manuellen Verdrahtung.

IoT: Was bedeutet das für den Schaltanlagenbauer konkret?
Rudolf Platzer: Durch das dezentrale Arbeiten mehrerer Personen an verschiedenen Standorten entsteht mehr Agilität. Und entsprechend den Wünschen aus der Fertigung erreichen sie dadurch mehr Transparenz in der Werkstatt. Ein ganz wichtiger Punkt ist die effizientere und ressourcenschonendere Planung. Allein schon durch das Teilen und Zusammenfassen von Bauteilen via Drag & Drop reduzieren sich die Rüstzeiten. Dadurch, dass RiPPC in der Eplan-Cloud liegt, sind die Datensicherheit sowie automatisierte Updates durch Verwendung von State-of-the-art-Technologien gesichert.

IoT: Mit ePocket hat Rittal ein weiteres Tool digitalisiert. Was ist das genau?
Rudolf Platzer: Mit ePocket, der digitalen Schaltplantasche, haben wir einen weiteren Schritt zur Vereinfachung der Kommunikation geschaffen. Der bereits erwähnte QR-Code im Inneren des Schaltschrankes ersetzt die traditionelle Schaltschrankdokumentation in Papierform. In der Eplan-Cloud werden sämtliche Projektdaten wie Schaltpläne, Wartungspläne, Zertifikate, etc. einer Maschine oder Anlage digital hinterlegt. Änderungen lassen sich direkt ins Projekt zurückspielen und alle Projektbeteiligten können immer auf eine vollständige Dokumentation zurückgreifen, inklusive sämtlicher nachträglich eingefügter Korrekturen. Durch diese Cloud-Lösung haben alle Zugriff auf dieselbe Datenbank. Da ist es egal ob jemand in Singapur, Südamerika oder Europa sitzt.

IoT: Jetzt liegen diese Projektdaten in der Cloud. Da gibt es wahrscheinlich Sicherheitsbedenken von Seiten der Kunden?
Rudolf Platzer: Grundsätzlich muss man einmal festhalten, um welche Daten es sich handelt, die in der Cloud landen. Das sind in erster Linie Produktionsdaten für bestimmte Maschinen. Das sind keine hochsensiblen Unternehmensdaten. Und sollte dennoch jemand Zugriff erlangen, zieht er damit kein spezielles Unternehmens-Know-how aus der Firma ab.

Hans-Peter Ziegler: Bei der Cloud geht es um Zusammenarbeit und um Technologien, die auch den kleinen Unternehmen zur Verfügung stehen, die keine eigene Infrastruktur betreiben können. Und da kommt immer die Security-Frage und die Angst eigene Daten zu verlieren. Auf der anderen Seite kann es ja auch nötig sein in einem Ecosystem seine Daten auszutauschen. Und wie macht man das? Man kann E-Mails versenden. Die können abgefangen werden oder man weiß nicht mehr welche der gesendeten Versionen die aktuellste ist. Ich kann meinen Partner über verschlüsselte Zugänge in mein Netzwerk lassen. Oder man macht es umgekehrt. Dabei weiß ich aber nicht, wie weit sich mein Partner um seine Sicherheit kümmert. Die dritte Variante ist eine Cloud-Plattform. Hier verlagern wir das Sicherheitsthema in eine neutrale Umgebung. Und die Cloud ist ja nichts anderes als ein Rechenzentrum, das von jemand anderen auf einem extrem hohen Sicherheitsniveau betrieben wird: mit redundanter Stromversorgung, mehrfachen Internetzugängen, Objektschutz mit Kameras und Alarmsystemen, Sicherheitsbeauftragten, Disaster Recovery Management und 24/7/365 Personal. Ich vergleiche das sehr gerne mit einer Bank. Wenn ich der Bank nicht vertraue, kann ich mir den gleichen Safe kaufen und zu Hause die gleichen Sicherheitsvorkehrungen errichten. Aber wer macht das? Wir transferieren unser Geld trotzdem auf die Bank – vor allem da wir ja mit anderen interagieren und sich der dafür nötige Geldfluss so besser bewerkstelligen lässt. Ein weiteres Argument ist: in Zeiten von IT-Fachkräftemangel dehnt sich die Arbeitssuche und schließlich auch die Zusammenarbeit geografisch weit aus. Schlagwort: New Work. Die Cloud ist eine Antwort darauf.

IoT: Wie sehen die nächsten Themen und Projekte aus? Auf welche Reise begeben sich Eplan und Rittal?
Rudolf Platzer: Neben den Produktentwicklungen geht es für Rittal weiterhin um die Digitalisierung der Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Und auch darum, weitere Module zu generieren, aus denen der Kunde mehr Nutzen ziehen kann. Das ist unser Anspruch. Gemeinsam, durch den Verbund mit Eplan und Cideon haben wir die beste Voraussetzung dazu.

Hans-Peter Ziegler: Bei Eplan geht es stark um das Thema Ecosystem. Arbeitsschritte, die heute noch manuell und teilweise umständlich gemacht werden, sollen Abteilungsübergreifend fließen können. Sprich: alles, was innerhalb des Wertschöpfungsprozesses passiert, soll so mit Software unterstützt werden, dass ein durchgängiger Fluss entstehen kann. Da geht die Reise hin.

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