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Im Gespräch | Management auf Zeit

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Peter Schneider

Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie traten neue Arbeitsmodelle in der Industrie verstärkt in den Fokus. Dazu kommt, dass Unternehmen in planungsunsicheren Zeiten flexible Arbeits- und Anstellungsmodelle bevorzugen – auch dann, wenn es um Führungspositionen mit unternehmerischer Verantwortung geht. Im Interview spricht der Interim Manager Dr.-Ing. Peter Schneider über die Möglichkeit, Managementaufgaben auf Zeit zu übertragen.

Autor / Das Interview führte: Annedore Bose-Munde, Fachjournalistin für Technik und Wirtschaft in Erfurt, www.bose-munde.de. 

Herr Dr. Schneider: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Interim Management?

Dr.-Ing. Peter Schneider: Darunter versteht man Management auf Zeit. Manchmal entsteht durch neue Aufträge, durch Personalausfall oder andere nicht vorhersehbare Ereignisse zeitnah eine vorübergehende und zusätzliche Anforderung an das Management. Hier muss schnell gehandelt werden. Der entstandene Bedarf soll dann jedoch mit Managern besetzt werden, die neben dem fachlichen Wissen ganz selbstverständlich Führungserfahrung, Sozialkompetenz und Kommunikationsfähigkeiten einbringen. Zudem sollen für befristete Projekte oft eigene Unternehmens-Ressourcen geschont werden oder für eine bestimmte Zeit ergänzende Qualifikationen genutzt werden. Solche Führungspositionen werden durch die Unternehmen häufig mit Interim Managern besetzt.

Für welche Branchen und Aufgaben kommt ein solches Arbeiten in Frage?

Schneider: Interim Manager werden grundsätzlich in allen Industriezweigen eingesetzt. Hier fallen mir sofort die Automobilindustrie, der Maschinenbau oder die IT ein. Es gibt die Bedarfe in allen Fachbereichen, wie zum Beispiel in der Entwicklung, der Produktion, aber auch in der Reorganisation, der Personalentwicklung oder dem Controlling. Eine Fokus-Aufgabe kann dabei die Abwicklung komplexer Aufgaben und Projekte sein, oft im internationalen Umfeld. Ein weiterer Einsatzbereich ist die Einführung neuer Methoden und Prozesse. Und auch für die Standortverlagerung oder den Aufbau neuer Standorte werden häufig Interim Manager hinzugezogen.

Bei welchen Themen setzt Interim Management konkret an?

Schneider: Ein Beispiel wäre die Planung und Umsetzung des Aufbaus oder der Verlagerung eines Standortes. Hier spielen nicht nur die Organisation und der Aufbau einer kosteneffizienten Infrastruktur unter neuen lokalen Randbedingungen eine große Rolle sondern gegebenenfalls auch der Transfer einer existierenden Produktion ohne Abriss der eigenen Lieferfähigkeit und der Lieferketten. Ein weiteres Beispiel ist das Launch-Management, das heißt: der reibungslose Produktionsanlauf, bei dem neu entwickelte Produkte bei steigenden Stückzahlen termin- und kostengerecht in die Serienproduktion überführt werden müssen. Kernpunkte sind dabei neben der Sicherstellung einer gleichbleibenden Qualität auch das Erreichen der definierten Produktionskapazität der Linie sowie die funktionierende Zuliefer- und Verteil-Logistik. Auch neue Themen gewinnen für Interim Manager an Bedeutung. So beschäftigen sich derzeit viele Unternehmen, die bisher keinen engeren Bezug zum Automobilsektor hatten, mit der Elektromobilität. Diese haben zwar ein ausgefeiltes Produkt-Know-how, es fehlt ihnen jedoch häufig die Kenntnis um die detaillierten Standards und Prozesse im Automotive-Bereich. Hier ist ergänzende Unterstützung gefragt.

Wann sollten sich Unternehmen dazu entscheiden, eine Führungsposition der ersten oder zweiten Managementebene befristet „einzukaufen“?

Schneider: In einigen Fällen ist es für Unternehmen essenziell, einen plötzlich entstanden Bedarf an Führungspersonal schnell verfügbar zu haben, beispielsweise bei einem neuen Großauftrag oder in Eskalationssituationen. Hierfür sind erfahrene Interim Manger zur Überbrückung eine gute Option. Auch für die Lösung zusätzlicher und ungeplanter Herausforderungen, die außerhalb des Kerngeschäftes des Unternehmens liegen, bietet sich das befristete Zurückgreifen auf externe Unterstützung an.

Welche Qualifikationen sollte ein Interim Manager mitbringen?

Schneider: Interim Manager sollten natürlich komplexe Erfahrungen im angeforderten Fachbereich mitbringen. In vielen Fällen sind auch Führungserfahrungen erforderlich. Basis sind eine sehr gute Auffassungsgabe, Analysefähigkeiten und ein gutes Einfühlungsvermögen in die Situation sowie in das Umfeld des Unternehmens und seiner Kunden. Das alles ist ein Muss, um die oft zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden kritischen Situationen schnell einschätzen und meistern zu können. Natürlich werden vom Interim Manager sowohl eine entsprechende Belastbarkeit als auch die notwendige soziale Kompetenz erwartet. Zudem ist es wichtig, mit Fachkompetenz zu überzeugen und Vertrauen aufzubauen, um die Durchsetzung der resultierenden Aufgaben im Team zu ermöglichen. Nicht selten sind auch interkulturelle Skills notwendig sowie Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeit gegenüber unterschiedlichsten Entscheidungs- und Leistungserbringern.

Sie selbst agieren auch als Interim Manager. Welche Leistungen bieten Sie an?

Schneider: Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt im technischen Bereich, so zum Beispiel bei der Leitung komplexer Projekte von der Entwicklung bis zur Einführung in die Produktion. Einerseits geht es hier um Projekte an sich, anderseits auch um die Einführung neuer Prozesse und Methoden. Zu den Industriezweigen, die in meinem Fokus stehen, gehören die Elektronik, der Automobilbau und der Maschinenbau. Neben Entwicklungsprojekten zähle ich auch die Projektierung und Unterstützung bei der Umsetzung neuer Produktionsstandorte in internationalem Umfeld zu meinem Tätigkeitsgebiet.

Wie läuft das vertragliche Prozedere üblicherweise ab?

Schneider: Nach einem ersten Kontakt, der Bewertung der Situation und der gemeinsamen Abstimmung zu Aufgaben, Inhalten und Ergebnissen kann recht schnell reagiert werden. Ein Vertragsabschluss und die erste Arbeitsaufnahme kommen meist innerhalb von zwei bis vier Wochen zustande. Die Verträge werden auf Tageshonorarbasis und häufig über einen Zeitraum von wenigen Monaten bis zu einem Jahr oder länger abgeschlossen.

Und wie bewerten Sie das Thema Interim Management in der jetzigen Corona-Situation?

Schneider: Die aktuelle Situation stellt viele Unternehmen vor sehr große Herausforderungen. Die wirtschaftliche Entwicklung ist aufgrund der Corona-Pandemie nicht klar planbar. Neueinstellungen sind daher eher selten. Dazu kommt der seit langem existierende Führungskräftemangel im Managementbereich. Aber das Tagesgeschäft muss von den Unternehmen verlässlich bewältigt werden und auch neue Zielsetzungen müssen umgesetzt werden. Insofern sehe ich gerade in der aktuellen Situation einen steigenden Bedarf an kurzfristig verfügbaren, erfahrenen und hoch qualifizierten Interim Managern.

 

 

Zur Person

Dr.-Ing. Peter Schneider studierte an der TU Ilmenau Maschinenbau und promovierte anschließend an der TU Dresden auf dem Gebiet der elektronischen Gerätetechnik. Bevor er sich auf das Thema Interim Management fokussierte, übte er komplexe Managementfunktionen in Großkonzernen und mittelständischen Unternehmen in den Bereichen IT, Maschinenbau und Automotive aus. Vor diesem Hintergrund war er neben Deutschland auch in verschiedenen Ländern Europas, Asiens, Afrikas und Amerikas aktiv. Mehr Informationen unter: www.s-con.net.

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