Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Rainer Ostermann: Schlüssel zum Mehrwert

zur Übersicht
„KIs werden immer besser. Menschliche Fachkräfte werden jedoch weiterhin gefragt sein. Der Mensch kann nämlich eine beeindruckende Kreativität, Spontanität und Flexibilität an den Tag legen.“ Dipl.-Ing. (FH) Rainer Ostermann, Geschäftsführer Festo Österreich

Künstliche Intelligenz erobert die Welt im Sturm. Aber nicht alles, was sich KI nennt ist auch wirklich eine, warnt Dipl.-Ing. (FH) Rainer Ostermann, Geschäftsführer Festo Österreich. Wir haben nachgefragt, was echte KI und ML können und wie sie bei Festo eingesetzt werden.

IoT4industry&business: Künstliche Intelligenz findet mittlerweile den Weg in die breite Masse. Kann KI in sämtlichen Lebensbereichen eingesetzt werden bzw. wo liegen Ihrer Meinung nach die Grenzen?
Rainer Ostermann: Es stimmt, dass KIs heute bereits in vielen Bereichen im Hintergrund aktiv sind. Allerdings ist nicht alles, was sich so nennt, auch wirklich eine künstliche Intelligenz. Nicht jeder Algorithmus ist gleich eine KI. Da bekommt so manche Software aus marketingtechnischen Gründen eine Bezeichnung auf die Fahnen geheftet, die es zu hinterfragen gilt. Und es geht auch um die Sinnhaftigkeit des Einsatzes – das ist eine klare Grenze für KIs. Nicht jeder Prozess braucht eine mächtige KI im Hintergrund. Viele einfache Abläufe lassen sich sehr gut manuell oder automatisiert abarbeiten ohne den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Es gibt aber auch viele spannende Anwendungen, da bringt die KI überzeugende Vorteile mit.

IoT: Ist KI ein Gamechanger für Probleme wie den Fachkräftemangel bzw. ein Helfer für mehr Effizienz und Produktivität?
Rainer Ostermann: KIs werden immer besser. Menschliche Fachkräfte werden jedoch weiterhin gefragt sein. Der Mensch kann nämlich eine beeindruckende Kreativität, Spontanität und Flexibilität an den Tag legen. Aber die Künstliche Intelligenz legt auch hier nach. Es gibt zum Beispiel KIs, die darauf trainiert werden, Musik zu komponieren. Im Bereich Effizienz und Produktivität können KIs jedenfalls einen wesentlichen Beitrag leisten. Sie sind lernfähig und erkennen Muster aus einer Fülle an Daten, die man als Mensch nur schwer überblicken kann. Das ist ein großer Fortschritt.

IoT: Wie weit wird sich KI und ML bei den Lösungen und Produkten bei Festo ausweiten?
Rainer Ostermann:
Es wird mehr werden – das ist klar. Daher haben wir auch vor einigen Jahren Resolto in die Festo Gruppe aufgenommen, ein Unternehmen mit einer beeindruckenden Expertise im Bereich KI für die Industrie. Darum waren die besten Köpfe von Resolto auch an der Entwicklung von Festo AX beteiligt, unserer neuen Plattform, die hilft aus den von Anlagen produzierten Daten verwertbare Informationen mit Mehrwert zu machen – Künstliche Intelligenz und Machine Learning sind der Schlüssel dazu.

IoT: Festo AX braucht noch den Menschen um zu lernen. Wann wird es diesen „Human in the loop“ nicht mehr benötigen?
Rainer Ostermann:
Die Frage ist: Will man das überhaupt? Menschliches Wissen und über viele Jahre gesammelte Erfahrung sind wertvoll. Viele Maschinenbediener oder Wartungstechniker kennen ihre Maschinen wie ihre Westentasche. Es ist daher z.B. durchaus ratsam, von der KI frühzeitig entdeckte Anomalien durch einen Menschen klassifizieren zu lassen. Der erkennt meist sofort, ob Wartungsbedarf besteht, sich ein Störungsfall anbahnt oder eine Abweichung, die eventuell langfristig sogar Vorteile bringen kann. Und der Algorithmus profitiert davon. Das Miteinander von Mensch und Maschine bzw. Mensch und KI ist oft die beste Lösung.

IoT: Wie offen sind die Kunden derzeit für Cloud, KI, Industrie 4.0?
Rainer Ostermann:
Das ist sehr unterschiedlich. Maschinenbau ist heute ein hochkomplexes, interdisziplinäres Thema. Oft sind es gerade die einfachen Lösungen, die am besten punkten – bei unseren Kunden und den Kunden unserer Kunden. „Simplicity“ ist Trumpf. Es kann aber gerade eine KI sein, die solche Vereinfachungen bietet. Man braucht nur an das anspruchsvolle Thema „Condition Monitoring“ denken – eine gut abgestimmte KI kann helfen, Durchblick ins Daten-Chaos zu bringen. Das gilt auch für die Themen Cloud oder Industrie 4.0 – mehr ist nicht immer besser! Es kommt darauf an, gemeinsam eine optimal abgestimmte Lösung für jede Anwendung zu entwickeln. Dabei unterstützen wir unsere Kunden – Stichwort Co-Creation. Und wir sehen, dass letztendlich oft eine Lösung realisiert wird, an die in dieser Form zunächst gar nicht gedacht wurde. Solche gemeinsamen Entwicklungsprozesse – zu denen auch Teststellungen unserem MotionLab in Wien gehören – helfen, den Blick für neue Möglichkeiten zu öffnen und neue Technologien Schritt für Schritt kennenzulernen. Wir sehen jedoch, dass viele Kunden offen für das Thema KI sind und von den Vorteilen überzeugt werden wollen.

IoT: Ist die Smart Factory schon Realität?
Rainer Ostermann:
Natürlich – aber nur punktuell. Ein anschauliches Beispiel ist unser Industrie-4.0-Forschungsprojekt SmartFactory, das dazu beigetragen hat, dass flexible, modulare und vernetzte Maschinenzellen verschiedener Hersteller Wirklichkeit werden. In der Festo Technologiefabrik in Scharhausen wurde vieles davon umgesetzt und bewiesen, dass sich die Rüstzeiten vernetzter Montagelinien so von mehreren Stunden bis auf 13 Sekunden senken lassen oder beispielsweise ein Umzug der gesamten Anlage nicht mehr drei Wochen dauert, sondern nur drei Tage. Rasche Chargenwechsel sind ebenfalls ein heißes Thema – gerade in Zeiten volatiler Märkte und individualisierter Produkte bis Losgröße 1. Smarte Technologien sind dabei nicht wegzudenken.

IoT: Und was sind die nächsten Schritte?
Rainer Ostermann: Betrachtet man die Möglichkeiten des Maschinenbaus von vor zwanzig Jahren und vergleicht sie mit jenen von heute, dann sieht man, wie smart viele Lösungen tatsächlich geworden sind. Eine digital vernetzte Fertigung als Smart Factory, das Internet of Things, Big Data, Cobots und andere cyber-physische Systeme (CPS) sorgen für mehr Flexibilität und machen enorme Produktivitätssteigerungen möglich. Man erkennt auch einen klaren Trend weg von proprietären hin zu offeneren, ganzheitlichen Systemen – das gilt sowohl für die Hard- als auch die Software. Offene Schnittstellen sind der Schlüssel zur Connectivity und damit zur umfassenden Vernetzung. Immer mehr innovative Technologien kommen zum Einsatz und interagieren als großes Ganzes, als smarte Einheit, Maschine oder Fabrik. Das heißt aber nicht, dass keine Luft nach oben wäre. Wir müssen das Erreichte weiterdenken und kreative Lösungen für immer wieder neue Visionen entwickeln. Daran arbeiten wir konsequent bei Festo und als Automatisierungsbranche über Unternehmensgrenzen hinweg. Denn jetzt gilt es, die smarten Lösungen noch smarter zu machen, damit die Smart Factory von morgen Wirklichkeit wird.

weitere aktuelle Meldungen

Verwandte Artikel