Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Udo Urbantschitsch: Weder Bits noch Bytes

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„Open bedeutet für uns auch die Wertschätzung der besten Idee.“ Udo Urbantschitsch, Vice President GEO Technology Sales.

Um in der Welt von Open Source erfolgreich zu sein, muss man auch einen offenen Geist und Vertrauen haben. Wie Red Hat das macht, erklärt Udo Urbantschitsch, Vice President GEO Technology Sales. Wir haben mit ihm auch über Pessimismus, Nachhaltigkeit und den War for Talents gesprochen.

 

IoT4industry&business: Red Hat steht nicht nur für Open Source. Open bedeutet für das Unternehmen sehr viel mehr.
Udo Urbantschitsch: Ja das stimmt. Wir sind eines der ganz wenigen Unternehmen, die eine reine Open-Source-Strategie fahren, und jede Zeile Code, die wir schreiben, ist originär für die Weltöffentlichkeit zugänglich. Dabei hat Red Hat sehr früh erkannt, dass man auch die internen Prozesse und die Kultur anpassen muss, um authentisch zu sein. Und deswegen ist „open“ mehr als Open Source. Am Anfang war Open Source eine Bewegung, in der plötzlich 10.000 Leute quer über die Welt auf einer freiwilligen Basis miteinander zusammenarbeiten mussten. Da musste geklärt werden, wie man zu Entscheidungen kommt, wie man die beste Idee identifiziert, wer recht hat. Diese Erkenntnisse haben dann bei Red Hat Eingang gefunden. Daher versuchen wir, wo auch immer möglich, transparent zu sein. Wir unterscheiden zwischen Projekten, die einer kreativen Lösung bzw. eines kollektiven Gehirns bedürfen und Vorgängen, die einfach gesagt nur funktionieren müssen und keinen kreativen Input brauchen. Die Lohnverrechnung wäre so ein Beispiel. Da sind wir sehr close und durchaus sehr traditionell aufgestellt. Open bedeutet für uns auch die Wertschätzung der besten Idee. Das ist zwar oft leichter gesagt als getan, aber wir versuchen es tatsächlich. Wir wollen Transparenz in unserem gesamten Ökosystem umsetzen. Also nicht nur intern, sondern auch mit unseren Partnern und Kunden. Und ein zentraler Aspekt dabei ist Trust. Als Führungskraft kannst du das nur vorleben und einen Vorschuss an Vertrauen geben: Extend trust, then you will get trust back.

IoT: Wir leben zwar in einer Zeit der multiple Krisen, dennoch funktionieren viele Dinge sehr gut. Sind wir, zumindest in Europa, zu große Pessimisten?
Udo Urbantschitsch: Ja absolut. Ich habe aufgrund meiner Rolle bei Red Hat mit Kunden weltweit zu tun. Ich glaube schon, dass wir in Europa diesen Grundpessimismus haben. Es geht uns mit Sicherheit wesentlich besser als die kollektive Meinung widerspiegelt. Red Hat ist da ein ganz guter Gradmesser. Denn wir bieten ein Portfolio an, das nie isoliert dasteht. Kein Kunde der Welt wird direkt eine Subscription kaufen oder ein Service von uns beziehen, nur damit er Red Hat hat. Wir sind immer Teil eines Gesamten. Das heißt immer dann, wenn wir mit unseren Kunden Projekten umsetzen, entsteht etwas Neues, werden Partnerschaften eingegangen. Ich appelliere daher daran, das Licht am Ende des Tunnels nicht als entgegenkommenden Zug zu sehen, sondern tatsächlich als etwas, das Licht bringt.

IoT: Der Klimawandel macht uns zu schaffen. Nachhaltigkeit hat seinen Weg in die Unternehmen gefunden.
Udo Urbantschitsch: Sustainability ist mittlerweile für viele Unternehmen zu einem zentralen Thema geworden. In der Open-Source-Welt sprießen auch immer mehr und mehr Projekte dazu wie Schwammerl aus dem Boden. Dabei geht es immer mehr darum: Wie kann ich meinen Footprint messbar machen? Wie kann ich, wenn ich neue Entwicklungen anstrebe, vorab abschätzen, welchen CO2-Fußabdruck sie hinterlassen, welche Ressourcen dazu benötigt werden, welchen Energieverbrauch gibt es? Wir versuchen daher unseren Kunden und Partnern Tools an die Hand zu geben, die genau diese Fragen beantworten. Früher wurden wir immer gefragt, was die Ressourcen kosten und wie man diese Kosten optimieren kann. Jetzt ist die Frage nach dem Abdruck dazugekommen. Da hat sich die Diskussion, die wir mit unseren Kunden führen, total gedreht.

IoT: Red Hat will seinen Kunden dorthin folgen, wo sie sind. Wo ist der Kunde?
Udo Urbantschitsch: Das ist das ganz klare Portfolio-Versprechen von Red Hat, dass wir den Kunden niemals aufgrund von Eigeninteressen unsererseits zu irgendetwas zwingen. Wir versuchen ernsthaft und authentisch, hier eine Parität herzustellen. Wir wollen mittels unseres Open-Gedankens dem Kunden insofern folgen, als dass wir auf den Kunden hören und fragen, was er wirklich braucht. Wenn Kunden mit irgendeiner Unklarheit zu uns kommen, etwa, weil irgendetwas Funktionelles fehlt, irgendeine Ausgestaltung nicht funktioniert, dann erarbeiten wir nicht selten mit unseren Kunden gemeinsam eine Lösung und an der Implementierung der Details. Die nehmen wir dann ins Portfolio auf. Das ist für die meisten Softwarehersteller eine irrsinnige Vorstellung, dass der Kunde mitentwickelt. Wir machen das jetzt nicht aus altruistischen Motiven heraus, sondern, weil wir unserem Kunden gegenüber in Sachen Stabilität, Sicherheit oder Service Availability Rechenschaft schuldig sind. Wer wären wir, würden wir nicht Lösungen bereitstellen, sondern Kundenwünsche ignorieren.

IoT: Red Hat verkauft keine Produkte, sondern Services?
Udo Urbantschitsch: Ganz richtig, wir verkaufen kein einziges Software-Produkt, keine Bits und Bytes, keine Lizenzen. So gesehen besitzen wir auch keine Assets und keine Intellectual Property. Es geht nur um das Community-Management und um die Kundenbeziehungen, die wir aufbauen. Das Logo stellvertretend für die Marke und für das Auftreten ist schon etwas wert, das kann man beziffern. Aber im klassischen Sinne besitzen wir nichts. Was wir verkaufen, ist der Service rundum die Produkte aus der Open Source Community, aus der wir sehr viele Teile für unsere Produkte herausnehmen, sie härten, stabilisieren und mit vielen weiteren IT Lösungen zertifizieren. Wir sehen uns als Bindeglied zwischen der enormen Geschwindigkeit von Open Source Communities und Enterprise Kunden mit entsprechenden Stabilitätsanforderungen.

IoT: Warum ist für Red Hat die Developer Productivity derart wichtig?
Udo Urbantschitsch: Open Source ist global. Da kann man kaum Lokalitäten feststellen. Und da müssen wir wissen, wie wir die Menschen, die dahinterstehen, soweit zusammenbringt, dass sie produktiv zusammenarbeiten können. Wir haben die letzten 30 Jahre gesehen, wie es funktioniert. Heute merken wir, dass unsere Kunden mehr und mehr in genau den gleichen Dunstkreis hineinkommen. Ich glaube, heute ist fast jedes Unternehmen, das wettbewerbsfähig sein möchte, ein Entwickler. Und damit haben jetzt alle das gleiche Problem: Wie kann man die spärlichen Talente dieser Welt maximal unterstützen und auch zusammenbringen. Erstens um wirtschaftlich den maximalen Wert zu generieren, und zweites um die Mitarbeiter so zu binden, dass ihnen die Arbeit Spaß macht. Denn ein Entwickler kann heute bei Unternehmen A raus- und sofort bei Unternehmen B wieder reingehen. Das ist der berühmte War for Talent. Und dieser Kampf um die Entwickler hat ungeahnte Ausmaße angenommen.

IoT: Wie kann man bei der Fülle an Codes, die täglich geschrieben werden, sicherstellen, dass sie nicht kompromittiert sind?
Udo Urbantschitsch: Unser Anspruch war es schon immer, Sicherheit und Nachvollziehbarkeit zu garantieren. Das kann man mit der Lebensmittelindustrie vergleichen und eins zu eins auf Software umlegen. Wo kommt die Software her, wer hat sie, wann geschrieben? Das ist wichtig, denn die Angriffe haben enorm zugenommen. Mittlerweile wurden weit über 50 Prozent aller unserer großen Kunden bereits Opfer eines Angriffes. Und nicht selten gezielt über irgendwelche Codes oder Softwarefragmente. Unser Ansatz ist es, den Entwicklern den Securitygedanken schon einzupflanzen, noch bevor sie die erste Codezeile schreiben. Die Idee heißt „shift left mentality“ und bedeutet, dass wir das Thema Sicherheit ganz an den Beginn des Prozesses stellen. Auch das ist ein Thema der Developer Experience. Wir wollen eine Umgebung schaffen, in der der Entwickler von Anfang an, alles was er schreibt automatisch gegen alle gängigen Sicherheitsmetriken prüfen lassen kann. Red Hat hat sich sehr stark dafür eingesetzt, digitale Signaturen für Code-Fragmente zu erleichtern. Damit werden Codes digital signiert, verschlüsselt und nachvollziehbar gemacht. Damit kann der Kunde sicher sein, dass seine Software durch eine Qualitätssicherung gegangen ist und ein Herkunftsnachweis der Fragmente besteht.

IoT: Pro Woche werden unfassbar viele neue Codes geschrieben. Wie viele große Würfe sind dabei?
Udo Urbantschitsch: Es gibt sehr viele Projekte, die in einem Reifegrad-Modell einen gewissen Stabilitätsgrad erreicht haben. Da gibt es sehr selten den großen Wurf, obwohl immer noch sehr viel im Sinne von neuen Codezeilen und neuen Ideen passiert. Da ist es mehr die Aufgabe der Community Dinge stabil zu halten. Aber wie kommt man dann wieder in die Innovation zurück? Als Red Hat schauen wir uns viele neue Projekte an, so wie ein Venture Capital Startup Scout. Und nicht selten findet man dann kleine Würfe, die eigentlich ein unfassbares Potenzial in sich haben. Nur viele dieser Projekte schaffen es nicht über eine gewisse Hürde der Akzeptanz zu kommen. Denn die Open Source Welt ist sehr brutal und man muss sich für seine Glaubwürdigkeit erst einen Namen machen. Also braucht es einen Integrator. Und der sind wir.

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