Im Gespräch MM Maschinenmarkt

Rudolf Pichler: Smart Factory der TU Graz setzt auf Track-System von B&R

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„Mit ACOPOStrak von B&R konnten wir für den Produkttransport den kürzesten Weg wählen und den Footprint der gesamten Anlage massiv verringern." Rudolf Pichler, Projektleiter Smart Factory, Technische Universität Graz

Maschinenbauer und Anlagenbetreiber haben ein großes Ziel: flexible und digitale Produktionen. Um diesem Ziel näher zu kommen, ist die Industrie auf Forschungseinrichtungen wie die TU Graz angewiesen. In der Smart Factory der renommierten Universität dreht sich alles um agile und datensichere Fertigungskonzepte. Ein Gespräch mit Rudolf Pichler, Projektleiter Smart Factory, Technische Universität Graz.

 

Sie sind Projektleiter der Lern- und Forschungsfabrik an der TU Graz. Welche Möglichkeiten bieten sich für die Industrie?
Rudolf Pichler: Kurz zusammengefasst verbindet die Smart Factory modernste Anlagen der mechanischen Fertigung und Montage mit fortschrittlichen Produkten der Informationstechnologie. Das heißt, wir erproben neuartige Lösungskonzepte für die Industrie 4.0 in einer realen Fabrikumgebung. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf Agilität und Datensicherheit. Darüber hinaus bieten wir unsere Smart Factory auch als eine Art Labor für Unternehmen an, um die Lernfabrik für ihre eigene Forschung an disruptiven Technologien für die industrielle Fertigung nutzen.

Demonstrieren Sie das anhand eines Praxisbeispiels?
Rudolf Pichler: Wir haben eine durchgängige Wertschöpfungskette und stellen ein mehrteiliges industrielles Produkt her. Nach der Fertigung wird unser Produkt zu verschiedenen Stationen transportiert, zum Beispiel zum Waschen, Vermessen oder Montieren. Auch einen Prüfstand haben wir integriert. Das Entscheidende dabei ist aber, dass wir die unterschiedlichen Prozessstationen möglichst flexibel miteinander verbunden haben und der gesamte Herstellungsprozess smart gestaltet ist. Wir zeigen unter anderem, wie Roboter, Automaten und CNC-Maschinen miteinander vernetzt sind und so optimal zusammenarbeiten.

Und wie haben Sie das geschafft?
Rudolf Pichler: Wie schon erwähnt, liegt unser Fokus sehr stark auf Agilität. Also waren wir auf der Suche nach einer flexiblen Lösung für unsere Prozesse. Schließlich haben wir uns dafür entschieden, sämtliche Anwendungen und Maschinen auf mobilen Arbeitsstationen zu installieren. So eine Station ist zum Beispiel eine pneumatische elektrische Presse oder ein Roboter. Wichtig war uns dabei, dass die Stationen alle autark und so energetisch unabhängig sind. Alle Maschinen sind miteinander vernetzt, egal von welchem Hersteller sie stammen. Schließlich mussten wir noch eine Lösung finden, um die Arbeitsstationen miteinander zu verbinden und das Produkt von einer Station zur nächsten zu transportieren.

Welche Lösung haben Sie dafür gefunden?
Rudolf Pichler: Einer unserer insgesamt 20 Partnerbetriebe aus der Industrie, B&R, hat uns hierfür einen äußerst spannenden Vorschlag gemacht: das flexible und intelligente Track-System ACOPOStrak.

Was unterscheidet das Track-System von anderen Lösungen?
Rudolf Pichler: Ganze Produkte oder auch nur Produktbestandteile können auf einzelnen Shuttles schnell und flexibel durch eine Anlage oder durch die ganze Produktion bewegt werden. Damit war grundsätzlich unsere Intralogistik gesichert. Und das Track-System bietet viele weitere Vorteile für eine moderne Fertigung, die den Marktanforderungen nach kleinen Losgrößen und hoher Flexibilität gerecht werden muss.

Welche Vorteile sind das genau?
Rudolf Pichler: Zum Beispiel hat man absolute Freiheit bei der Gestaltung der Anlage. Es gibt verschiedene Segmente und Kurven, die sich individuell zusammenstellen lassen. So konnten wir für den Produkttransport den kürzesten Weg wählen und den Footprint der gesamten Anlage massiv verringern. Auch die Produktivität lässt sich mit dem Track-System von B&R deutlich erhöhen, weil sich durch eine spezielle Hochgeschwindigkeitsweiche Produktströme teilen und wieder zusammenführen lassen. Generell ist der ACOPOStrak extrem flexibel und kann innerhalb sehr kurzer Zeit auf ein neues Produkt angepasst werden. Das war für uns wichtig, da wir so die Arbeitsstationen jederzeit für ein neues Produkt schnell und unkompliziert neu anordnen und mit dem Track verbinden können.

Sind auch noch andere B&R-Produkte in der Smart Factory integriert?
Rudolf Pichler: Wir nutzen auch das Vision-System von B&R sowie das zugehörige Ringlicht und natürlich B&R-Steuerungen, zum Beispiel für unseren Getriebeprüfstand. Eine unserer Laborübungen beschäftigt sich mit dem Thema Retrofit. Auch hier setzen wir auf Hard- und Software von B&R. Für die Integration der Sensorik von älteren Maschinen in unser Gesamtsystem ist dieses System nämlich optimal. Wichtig ist auch das herstellerunabhängige Kommunikationsprotokoll OPC UA. So können wir Produkte unterschiedlicher Hersteller einfach miteinander verbinden.

Die Lern- und Forschungsfabrik wurde nun über mehrere Jahre entwickelt. Was waren die größten Herausforderungen dabei?
Rudolf Pichler: Die Herausforderungen waren tatsächlich vielfältig. Zuallererst war es wichtig, ein Konzept zu finden, dass einzigartig ist. Lernfabriken gibt es bereits einige und wir wollten uns abheben und aus der Masse herausstechen. Deshalb haben wir uns für die Themen Agilität und Datensicherheit als Grundpfeiler entschieden. Eine weitere Herausforderung war die Finanzierung der Smart Factory. Vor allem Industriepartner zu finden, die in das Projekt investieren möchten – schließlich geht es dabei um sehr große Summen.

Gibt es schon konkrete Pläne, welche Technologien bald dort einziehen dürfen?
Rudolf Pichler: Unsere Lern- und Forschungsfabrik lebt von Innovationen und wird sich ständig weiterentwickeln. Die wesentlichen und immer wiederkehrenden Themen der Smart Factory bleiben aber Agilität und Konnektivität. Das wird sich in Zukunft noch verstärken. Mir war es von Anfang an sehr wichtig, dass wir eine gute Mischung von Komponenten unterschiedlicher Hersteller in unserer Lernfabrik haben. Schließlich ist eine große Fabrik in der realen Welt auch nicht nur mit Produkten eines Herstellers ausgestattet. Für die Zukunft wünsche ich mir auf alle Fälle, dass möglichst viele Industriebetriebe zu uns kommen und die Infrastruktur in der Smart Factory nutzen, um zukunftsorientierte Konzepte bei und mit uns zu entwickeln.

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