Interview MM Maschinenmarkt

Helmut Jaberg: Digitalisierung gibt es seit Jahrzehnten

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Mit Dr.Ing. Helmut Jaberg haben wir über Nachhaltigkeit, Digitalisierung und 25 Jahre Praktikerkonferenz gesprochen.

Für unser zweites Newsletter-Interview haben wir mit o. Univ. Prof. em. Dr.-Ing. Helmut Jaberg gesprochen. Wir haben mit ihm über Nachhaltigkeit, Digitalisierung und 25 Jahre Praktikerkonferenz gesprochen.

Welchen Stellenwert hat Digitalisierung für Sie?
Dr. Helmut Jaberg:
Digitalisierung ist nichts Neues. Es wundert mich ehrlich gesagt, dass jetzt alle darüber reden, sodass man fast von einem Hype reden kann. Digitales Arbeiten – m.E. sollte man genauer von elektronischem Arbeiten reden – ist natürlich außerordentlich wichtig, aber eben nicht neu. Digitalisierung gibt es seit Jahrzehnten, früher sprach man vom papierlosen Büro, von CIM und CAD, was alles nichts anderes war und ist als Digitalisierung. Diese wird „nur“ immer, immer mehr. Elektronische Geräte für Steuerung, Datenübertragung, also Kommunikation, -speicherung und -auswertung werden immer kleiner, billiger, vielseitiger und leistungsfähiger. Dadurch und mit Unterstützung durch die Jahrhunderterfindung Internet ist heute kein Bereich, sei er beruflich oder privat, ohne Digitalisierung mehr denkbar. Es ist klar, dass dies auch in der Pumpenbranche immer weiter um sich greifen wird. Elektronische Pumpensteuerungen gibt es schon seit Jahrzehnten, Vorreiter war schon immer die Haustechnik, also der Wunsch nach menschlicher Behaglichkeit. Die Industrietechnik ist hier der Innovationsfolger, ein Fast Second. Die Digitalisierung wird in dieser Branche den sehr begrüßenswerten „Megatrend“ der gemeinsamen Betrachtung von Pumpe und Anlage sehen, wodurch Zuverlässigkeit und Energieersparnis, technischer ausgedrückt Prozesssicherheit und Prozesseffizienz, auf eine völlig neue Qualität gehoben werden können. Wem die Daten gehören, wird unterschiedlich gehandhabt werden, den Trend aber ganz sicher nicht aufhalten.

Die Menschen suchen nach neuen Arbeitsmodellen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Dr. Helmut Jaberg: Positiv! Vernünftige Menschen haben schon immer darauf geachtet, dass man immer arbeitet um zu leben, auch wenn man viel arbeitet, schließlich ist Arbeit ja auch Leben. Wenn Maschinen viel Arbeit abnehmen, gewinnt man mehr Freiraum für Familie, Kultur, Sport – und Motivation, um sich dann wieder der „work“ zuzuwenden, mit der die meisten von uns sich den Unterhalt für die „life balance“ verdienen müssen: Der goldene Mittelweg, den Aristoteles empfiehlt.

Etwas Persönliches: Was macht Ihnen Spaß an Ihrer Aufgabe?
Dr. Helmut Jaberg: Ich zähle mich zu den vielen Glücklichen unter uns, die zwar ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, die sich aber dafür eine Arbeit aussuchen konnten, die inhaltlich interessiert und deshalb – meistens, nicht immer – einfach Spaß macht: Mach‘ Dein Hobby zu Deiner Arbeit, und Du brauchst keinen Tag in Deinem Leben mehr zu arbeiten.

Wenn Sie zurückblicken auf 25 Jahre Praktikerkonferenz, welche Entwicklung sehen Sie und was prägte die Veranstaltung? Was waren die Meilensteine?
Dr. Helmut Jaberg: Es besteht auch meiner Ansicht ein großer Bedarf an sachlicher, ausgereifter Information, eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dazu passt unser Motto „Wir pflegen das offene Wort in Graz.“ Hochglanz-Marketing-Blabla hat da keinen Platz, was man nur durch qualifizierte Fachleute als Referenten erreicht. Das scheint während der 25 Jahre überwiegend gut gelungen zu sein. Das bleibt sicher auch in Zukunft so. Meilensteine kann ich keine erkennen, aber über die ganze Zeit sind wir unserem Motto treu geblieben und haben uns, ganz ähnlich wie die oben angesprochene Digitalisierung, homogen weiterentwickelt. Die Präsentationtechnik ist heute viel komfortabler als am Anfang, aber das Grundsätzliche ist immer noch dasselbe. Z.B. haben wir vor zwei Jahren begonnen, unsere Konferenz online zu übertragen. Das ersetzt aber weder heute nicht in Zukunft das „körperliche“, wenn man so will „analoge“ Stattfinden in Graz, es wird halt „nur“ übertragen wie im Fernsehen.

Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen für Pumpenhersteller?
Dr. Helmut Jaberg: Sollte sich ein Pumpenhersteller auf die Pumpe zwischen Saugflansch und Druckstutzen konzentrieren, wird er verschwinden. Zu dem reinen Fluidtransport, was natürlich die Hauptaufgabe der Pumpe bleiben wird, muss die Prozesssicherheit und Prozesseffizienz der gesamten Anlage einschließlich der „Betriebsgeheimnisse“ des Betreibers dazukommen durch
Datensammlung, -speicherung und -auswertung sowie der daraus folgenden Prozessanpassung. Der Regelkreis wird sich also drastisch erweitern. Dieser Datenprozess wird teils ausschließlich beim Betreiber ablaufen, aber mit der Pumpe und ihrer gesamten „Datenperipherie“, teils aber auch beim Pumpenhersteller. Aber der Regelkreis wird sich so oder so etablieren.

Nachhaltigkeit ist nicht nur in aller Munde, sondern eine Notwendigkeit. Welchen Beitrag kann die Pumpenindustrie leisten oder jeder einzelne aus Ihrer Sicht?
Dr. Helmut Jaberg:
Pumpen – oder andere Strömungsmaschinen – verbrauchen so gut wie gar keine Energie. Die Energie wird vielmehr fast ausschließlich in der Anlage verbraucht. Erst durch das Zusammenwachsen der Pumpe und der Anlage zu einem gemeinsamen Regelkreis kann gewaltig elektrische Energie eingespart werden, sicher nicht durch die Pumpe allein. Schließlich sind Pump-Anlagen der größte Verbraucher elektrischer Energie. Das dürfte auch langfristig so bleiben, weil früher oder später fossile Treibstoffe im Verkehrs- und Transportwesen durch CO2-neutrale ersetzt werden dürften, allein schon wegen deren drastisch höherer Energiedichte und Speicherbarkeit im Vergleich zu elektrischen Batterien.
Der Beitrag jedes Einzelnen von uns zur Nachhaltigkeit kann in wirklich weitreichendem Verzicht bestehen. Ich glaube aber nicht, dass es dazu kommen wird. Das Schlüsselwort ist Energie und Recycling. Bei letzterem sind wir m.E. auf einem guten Weg, müssen aber das Tempo drastisch steigern – was Energie kosten wird. Einsparung von Energie wird nach meiner Ansicht kaum stattfinden, jedenfalls nicht in weltweitem Maßstab, weil weniger entwickelte Länder einen Lebensstandard nach unserem Vorbild anstreben, was denen niemand verdenken kann. Die Lösung kann m.E. einzig und allein darin bestehen, dass die nötige Energie CO2-neutral zur Verfügung gestellt wird, also schlussendlich aus Wind, Sonne und Wasserkraft. Wind und Sonne aus unseren mitteleuropäischen Breiten allein werden ganz sicher nicht ausreichen für dieses Mitteleuropa. Vielmehr wird auch die CO2-neutrale Energie importiert werden müssen, so wie heute auch. Zum Glück scheint in vielmehr Regionen die Sonne als es Öl-, Gas- und Kohleregionen gibt. Optimismus ist also angebracht.

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