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Lars Uebel: Was Instandhalter von Spitzen-Sportlern lernen können

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Lars Uebel hat im Interview mit Tobias Dankl die gemeinsamen Schnittmengen des Profisports und der Instandhaltung aufgezeigt.

Im Rahmen der 9. Instandhaltungskonferenz gab es am 13. September in Linz eine spezielle Abschluss Key Note. Der ehemalige Tennis-Profi und aktuelle Leiter Leistungssport Zentral beim Bayerischen Tennis Verband Lars Uebel hat im Interview mit Tobias Dankl (dankl+partner consulting | MCP Deutschland GmbH) die gemeinsamen Schnittmengen des Profisports und der Instandhaltung aufgezeigt. Immerhin sind Instandhalter die Spitzensportler der Technik.

Lars, wie kann man sich ein typisches Wettkampfjahr eines Tennisprofis vorstellen?
Lars Uebel: Wenn man das Turnier in New York sieht, denkt man gleich ‚Wow, unglaublich! 24.000 Zuschauer im größten Stadion der Welt.‘ Da denken die Leute oft, als Tennisspieler ist man dauernd im Urlaub. Das ist bei weitem nicht so. Das Jahr startet zum Beispiel in Australien. Nach einem 20-25 Stunden Flug müssen wir uns auf andere Temperaturen einstellen, die Bälle fliegen dort ganz anders als z.B in München oder Linz, dazu kommt der Jetlag. Nach den Turnieren in Australien geht’s für die Top Spieler zum Davis Cup, dann für 4-5 Turniere nach Amerika, dann kommen die Turniere in Europa, bevor es im Juli wieder nach Amerika geht. Am Ende des Jahres finden dann die Turniere in Asien statt, bevor es wieder nach Europa zurück geht für die Vorbereitung auf die neue Saison. Der ‚normale‘ Profi hat im Jahr 25-30 Turnier-Wochen. Dazu kommen noch 6-8 Turnier-Wochen bei den Grand Slams wie Australian Open und Wimbledon. Da kommt man eine Woche vor Beginn hin, das gesamte Turnier dauert dann bis zu 3 Wochen, zählt aber nur als eine Turnierwoche. Das heißt das Tennisjahr ist bis auf 2-3 Wochen voll mit Turnieren und Training.

Wie wichtig ist die technische und auch die menschliche Infrastruktur für den Profisportler?
Lars Uebel:
Extrem wichtig! Zur technischen Infrastruktur gehören klar die Trainingsgeräte, der Tennisschläger der für den Spieler wie seine Geige ist oder auch die Schuhe. Maßgeblich ist sicherlich die menschliche Infrastruktur. Bei den großen Turnieren wie den US Open, Wimbledon etc. haben die Spieler 16 Plätze in Ihren Boxen. In diesen Boxen wird während den Matches das Team des Spielers platziert. Es sind also 16 Leute dafür zuständig, dass ein Spieler gut Tennis spielt. Zur menschlichen Infrastruktur gehören Familie und Freunde genauso wie der Trainer, Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Mentaltrainer, Arzt, Neuro-Athletiktrainer usw. Da sind wir wieder im Mikromanagement. Um es anders auszudrücken: Die Nummer 1 der Welt gewinnt 55 % aller gespielten Punkte, das heißt 5,5 Punkte von 10 gespielten. Dieses eine Prozent rauszuholen, ist die Aufgabe der Infrastruktur.

Auch in der Instandhaltung ist die Infrastruktur ein wichtiges Thema. Inwiefern würdest du sagen, hat sich das Bewusstsein in Bezug auf Regeneration verändert in den letzten Jahren?
Lars Uebel: Früher war es so, dass man gegessen hat, was man wollte. Auch bei den Turnieren gab es nur einen Physiotherapeuten für alle Spieler, heute sind es 16-20 Physiotherapeuten, die sich um die Spieler kümmern. Mittlerweile ist auch das Catering bei den Turnieren deutlich größer und jeder Spieler kann sehr individuell auf Unverträglichkeiten reagieren. Das Thema Longevity hat einen ganz neuen Stellenwert. Mittlerweile spielen die Profis bis sie Mitte oder gar Ende 30 sind, Boris Becker hat damals mit Ende 20 aufgehört. Das Ziel ist, dass man länger, gesünder und auf höherem Niveau Sport machen kann.

Seit 2008 bist du als Coach für Profis sowie Jungprofis verantwortlich und zählst Deutschlandweit zu den besten! Was ist deine spezielle Aufgabe als Coach und wie gehst du mit der Next Generation um?
Lars Uebel: Grundsätzlich ist meine Aufgabe, dass der Spieler gewinnt! Mit einem gestandenen Profi ist es so, dass er durch die Erfahrungswerte, die er mitbringt, ganz klar weiß, was er will. Da ist meine Aufgabe dann Leistung in eine bestehende Infrastruktur zu bringen und entsprechende Add-Ons zu integrieren. Bei einem jungen Spieler, der noch sehr roh und wild ist, kann ich viel mehr Impact haben, begleitend dabei sein, gewisse Sachen fordern und Ideen umsetzen. Auch wenn man bei jungen Spielern nicht in den großen Stadien unterwegs ist, macht mir das sehr viel Spaß.

Wie lange würdest du sagen ist der Weg bis zur Weltspitze?
Lars Uebel: Das Durchschnittsalter für den Eintritt in die Top 100 der Welt liegt bei den Herren bei 25 und bei den Damen bei 24 Jahren. Die Ausbildung fängt je nach Schulsystem zwischen 14 und 16 Jahren an, also dauert die Ausbildung bei uns Tennisspielern zwischen 8 und 10 Jahren. Ausgenommen sind sogenannte Generationen-Talente wie ein Thomas Muster, Dominic Thiem, Boris Becker oder Sascha Zverev. Die Chance es in die Top 100 zu schaffen und damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, liegt allerdings bei unter ein Prozent.

Was sind 3 zentralen Erfolgsfaktoren, die du als entscheidend betrachtest?
Lars Uebel: Die intrinsische Motivation, das ist die Grundvoraussetzung für absoluten Spitzensport. Bei uns steht immer der Athlet im Mittelpunkt, er muss diese Motivation einfach mitbringen.
Als zweites sehe ich das Umfeld. Das muss gut zusammenpassen und auch die entsprechende Motivation mitbringen. Es ist natürlich nicht einfach, die richtigen Leute ins Umfeld einzubauen die das entsprechende Puzzle-Teil liefern können.
Am Ende des Tages gehört im Profisport auch ein bisschen Glück dazu. Sehr viel ist eine professionelle Vorarbeit, aber ob der Ball an manchen Tagen knapp im Feld ist oder nicht, da spielt Glück schon auch eine Rolle.

Welche drei ‚worst mistakes‘ werden häufig von Spielern gemacht?
Lars Uebel: Ungeduld ist bestimmt einer der schlimmsten Fehler. Nicht nur die Ungeduld des Sportlers, sondern auch des Umfelds, weil Erfolge nicht schnell genug erreicht werden oder der Trainerwechsel nicht schnellgenug die gewünschte Veränderung bringt.
Die extrinsische Motivation ist auch ein Grund, wenn sich zu viel auf die Leute aus dem Umfeld verlassen wird. Manchmal denken die Sportler, dass durch das Umfeld, das sie aufgebaut haben, die Dinge schon Ihren Lauf nehmen.
Und ein dritter Punkt ist die falsche Sparsamkeit. Als Spieler in den Top 100 der Welt verdient man zwischen 350.000-500.000 € im Jahr. Wenn man das Geld lieber in Luxusartikel als in seine Infrastruktur investiert bleibt der Erfolg auf der Strecke. Auch auf diesem sehr hohen Niveau passieren solche Fehler.

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