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Hartfräsen verdrängt bei ZF Senkerodieren

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In der getakteten Fertigungslinie von ZF für das Hartfräsen stehen vier Röders-Fräsbearbeitungszentren sowie eine Koordinatenmessmaschine. Bild: Klaus Vollrath

Leistung und Wirkungsgrad von Elektromotoren hängen von einem möglichst engen Luftspalt zwischen Rotor und Stator ab. Der Trend zum E-Antrieb in Autos führt deshalb zu höheren Anforderungen an die Präzision der hierfür benötigten Stanzteile. Die Toleranzvorgaben für die eingesetzten Umform- und Stanzwerkzeuge bewegen sich zunehmend im mittleren bis unteren einstelligen µm-Bereich. Im Tech-Center Werkzeuge, Messmittel und Automationssysteme von ZF in Schweinfurt wird deshalb kräftig in die Zukunft investiert. 

 

„Wir sind verantwortlich für die Entwicklung und Produktion von Werkzeugen, Messmitteln und Automationsvorrichtungen für die Division Electrified Powertrain Technology bei ZF“, erläutert Gerd Ringelmann, Senior Manager Electrified Powertrain Technology und Head of Production im Tech-Center von ZF. Der weltweit tätige Konzern ist einer der großen internationalen Player im Bereich E-Mobilität. Die von Gerd Ringelmann geleitete Abteilung konzentriert sich dementsprechend stark auf elektrische Antriebe. So werden unter anderem Werkzeuge, Produktions- und Messmittel für die Herstellung von Bauteilen für Elektromotoren produziert. Dabei setzen die Schweinfurter konsequent auf Vernetzung, Industrie 4.0 und getaktete automatisierte Fertigung. Für die dabei erzielten Fortschritte wurde das Tech-Center 2021 zum zweiten Mal in den letzten Jahren zum Gesamtsieger des Branchenwettbewerbs „Excellence in Production“ (EIP) gekürt.

Automatisierte HSC-Hartzerspanung.

„Bei der Entscheidung der Jury spielte sicherlich auch unsere technologieübergreifende, vollautomatisierte Fertigungslinie für die Hartbearbeitung eine wichtige Rolle“, ergänzt Bernd Rudloff, Leiter der Zerspanung am Tech-Center in Schweinfurt. Die Linie besteht aus zwei Segmenten, eines für die Funkenerosion und ein zweites für das HSC-Hartfräsen. Die Anlagen beider Segmente sind jeweils entlang einer Linearschiene aufgereiht und werden von einem auf der Schiene laufenden Handlingsystem mit Werkstücken und Werkzeugen versorgt.

Im Fräsbereich der Linie befinden sich vier Fräsbearbeitungszentren von Röders sowie eine Koordinatenmessmaschine von Zeiss. Zwei der Röders-Anlagen sind dreiachsig und zwei weitere fünfachsig. Die Programmierung erfolgt über die CAM-Software Power Mill von Autodesk, wobei die Programmierer auch die Maschinen bedienen.

Wandel in der Zerspanungsphilosophie.

„Auf dieser Linie bearbeiten wir zu 95 Prozent gehärtete Werkstücke bis zu 65-67 HRC“, sagt Gerd Ringelmann. Fallweise werden sogar Hartmetalle oder Keramiken zerspant. Möglich werde dies dank der enormen Steigerung der Leistungsfähigkeit der Fräswerkzeuge in den letzten Jahren, sowie der Integration eines neuen Werkzeugkühlsystems. Deshalb gehe man bei der Fertigung von den bisherigen gestuften Zerspanungsstrategien mit zwischengeschalteter Härtung direkt zu einer einstufigen Zerspanung im harten Zustand über. Neben der reduzierten Durchlaufzeit können die Werkstücke auch kostengünstiger hergestellt werden. Die höheren Zerspanungsleistungen gestatten es zudem meist, auf ein Senkerodieren zu verzichten und die gewünschten Geometrien unmittelbar durch Fräsen bzw. Schleifen zu erzeugen. In der vorgeschalteten Funkenerosionslinie stehe deshalb nur noch eine einzige Senkerodieranlage.

Ausgeklügelte patentierte Luft-Kühl-Schmiertechnik.

„Beim Hartfräsen spielt die Versorgung des Zerspanungsbereichs mit Kühlschmierstoffen eine entscheidende Rolle“, weiß Bernd Rudloff. Für die Klärung dieser Zusammenhänge wurde deshalb viel Aufwand betrieben, unter anderem im Rahmen einer Diplomarbeit. Betrachtet wurden neben der Trockenbearbeitung, der Kühlung mit Druckluft sowie der bekannten Minimalmengenschmierung mit Zweistoffdüsen auch die von der Firma Röders befürwortete Lösung der Zufuhr eines aerosolfeinen Schmiermediums mit dem Mediumverteiler der Firma MHT. Dieser besteht aus einer an die Geometrie des Werkzeugs angepassten doppelwandigen Hülse mit schräg nach unten angeordneten Düsen, die sämtliche Werkzeugschneiden im gesamten Prozess immer gleichmäßig mit Luft und Schmiermedium bedienen und gleichzeitig die Spanabfuhr sicherstellen. Die Hülse rotiert nicht mit dem Werkzeug, sondern wird über einen Adapter an der Z-Achse angeflanscht und mit Druckluft versorgt, die mit einem Kohlenwasserstoff-basierten Schmiermedium aerosolartig angereichert ist. Werkzeug und Hülse befinden sich zusammen im Werkzeugmagazin und werden beim Werkzeugwechsel gemeinsam ein- und ausgewechselt.

Bei der Bewertung nach einer Reihe von Kriterien wie Verschleiß und Standzeit der Werkzeuge oder Oberflächenqualität schnitt die MHT-Lösung in allen Kategorien am besten ab, teilweise mit erheblichem Abstand. Nach der Umrüstung konnten bei den Werkzeugkosten über alle Teile gerechnet Einsparungen von 13 % sowie Steigerungen im Ausbringen von 10 % erzielt werden. Hinzu kamen weitere signifikante Vorteile wie die teilweise oder vollständige Substitution von Senkerodier- durch Fräsbearbeitung, bessere Sauberkeit – ein Faktor, der gerade bei hochautomatisierten Fertigungsverfahren immer wichtiger wird –, sowie der Entfall einer Polierbehandlung aufgrund der guten Oberflächenqualität. Weitere Qualifizierungen sowie Untersuchungen mit dem Ziel „Hochglanzfräsen“ sind angedacht.

Gute Entscheidung.

„Unsere Entscheidung für die Firma Röders bei der Beschaffung der Fräsen für die Hartbearbeitungslinie beruhte neben der Leistung der Anlagen auch auf unseren langjährigen guten Erfahrungen mit dem Hersteller“, erinnert sich Bernd Rudloff. Die erste Röders-Anlage wurde in Schweinfurt bereits vor über 20 Jahren installiert. Seither habe diese Technologie vor allem im Bereich der Hartbearbeitung durch die erzielbare Zerspanungsleistung und Oberflächengüte sowie die darstellbare Präzision der Teile punkten können. Weiterer Pluspunkt sei die Robustheit der Maschinen, die sich durch geringe Störungsanfälligkeit und lange Wartungsintervalle auszeichneten. Die älteste in die Linie integrierte Fräsmaschine, eine RHP 600, stamme aus dem Jahr 2006 und überzeuge immer noch durch ihre hervorragende Genauigkeit. Auch bezüglich der Spindel-Einsatzdauer seien die Ergebnisse überzeugend. Ursprünglich sei man aufgrund von Erfahrungen mit anderen Fabrikaten im Hause von einer erwartbaren Einsatzzeit von 3.000 Stunden ausgegangen. Aktuell verschiebe sich dieser Wert bei den Röders-Systemen eher in Richtung 10.000 Einsatzstunden.

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