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Erin Smith und KI machen frühzeitige Diagnose von Parkinson möglich

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„Eine meiner größten Hoffnungen für diese Anwendung ist, dass sie dazu beiträgt, die Behandlung von Parkinson-Patienten zu verbessern.“ Erin Smith, Erfinderin der App FacePrint Foto: Stan Olszewski.

Die US-Amerikanerin Erin Smith entwickelte einen Algorithmus, der mit einer Genauigkeit von etwa 95 % in der Mimik winzige Anzeichen für den frühzeitigen Ausbruch von Parkinson erkennt. Inspiriert wurde sie durch Videoaufnahmen des erkrankten Schauspielers Michael J. Fox.

Die Parkinson-Krankheit zählt – neben der Alzheimer-Demenz und Schlaganfällen – zu den häufigsten Erkrankungen des Nervensystems im höheren Lebensalter. In Österreich sind rund 20.000 Menschen betroffen, weltweit leiden mehr als zehn Millionen Menschen an dieser unheilbaren Krankheit, deren Ursachen nach wie vor unbekannt sind. Allerdings lassen sich im Frühstadium die Beschwerden meist deutlich lindern. Das Problem dabei: die rechtzeitige Erkennung. Diese Aufgabe könnte künftig die KI-gestützte App der US-amerikanischen Erfinderin Erin Smith übernehmen. Ihre App namens FacePrint nimmt Videos auf und wendet Gesichtserkennung sowie KI-Techniken an, um in der Mimik schnell und präzise winzige Anzeichen für die frühen Stadien der Krankheit zu erkennen. Parkinson wird in der Regel erst nach dem Verlust der motorischen Funktion diagnostiziert, der erst bis zu zehn Jahre nach dem ersten Auftreten von Veränderungen in der Mimik auftreten kann.

Die Aussagekraft der Mimik.

Die in Kansas aufgewachsene Erin Smith begeisterte sich früh für die Wissenschaft und verwandelte gemeinsam mit ihrer Mutter die Küche der Familie in ein provisorisches Labor. Im Alter von zehn Jahren begann sie am Medical Center der University of Kansas mit ihrer ersten richtigen Laborarbeit und fing an, an wissenschaftlichen Wettbewerben teilzunehmen. Zu ihren vielen Interessengebieten gehörte das menschliche Gehirn: Die Krimiserie „Lie to Me“ über einen Wissenschaftler, der ein Experte im Lesen menschlicher Mimik ist, gehörte zu ihren Lieblingsprogrammen – und sie befasste sich eingehend mit den Forschungsergebnissen, auf denen sie basierte. Als Smith sich 2016 ein Video der Michael J. Fox Foundation ansah, stellte sie fest, dass der seit 1991 an Parkinson erkrankte Schauspieler beim Lächeln emotional distanziert wirkte, selbst wenn die Emotion hinter dem Lächeln echt war. Durch die Lektüre von medizinischer Fachliteratur fand sie heraus, dass die Teile des Gehirns, die sich bei der Parkinson-Krankheit am frühesten verändern, identisch sind mit denen, die an der Bildung von Gesichtsausdrücken beteiligt sind – oder deren Fehlen, was als „Maskengesicht“ bekannt ist. „Diese Idee machte mich wirklich neugierig, ob ich mithilfe von Gesichtsausdrücken Veränderungen im Gehirn, wie zum Beispiel bei der Parkinson-Krankheit, überwachen könnte“, so Smith. Solche Mimik-„Marker“ zu beobachten, kennzeichnete bereits die Arbeit von Fachleuten, die sich mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson befassen. Die Veränderungen der Mimik waren bislang nie objektiv quantifiziert worden. Smith erkannte jedoch, dass Künstliche Intelligenz wie Computer-Vision, mit der Computer Informationen aus Bildern ableiten können, bei der Diagnose helfen könnte.

95 % Genauigkeit.

Mit Hilfe von Parkinson-Selbsthilfegruppen konzipierte Erin Smith eine Studie zur Aufnahme von Videomaterial von Menschen mit und ohne Parkinson. Nachdem sie sich mithilfe von Büchern und Online-Kursen selbst das Programmieren beigebracht hatte, verarbeitete die junge Wissenschaftlerin die Aufnahmen mit einer Gesichtserkennungssoftware und trainierte damit einen Computer-Vision-Algorithmus, um zu sehen, wie bestimmte Mimiken bei einer Person ohne Parkinson wirken. Nachdem sie dasselbe für Menschen mit Parkinson getan hatte, konnte sie zum ersten Mal einen messbaren Unterschied zwischen den beiden Gruppen nachweisen. Die Innovation von Smith ebnet den Weg für den breiten Einsatz einer genauen Erkennung von Parkinson-Symptomen Jahre vor der herkömmlichen Diagnose, was zugleich die Möglichkeit einer frühzeitigen Behandlung eröffnet, um das Fortschreiten der Krankheit zu verzögern. Eine groß angelegte klinische Studie an der Stanford Medical School, die von der Michael J. Fox Foundation unterstützt wurde, ermöglichte es Smith, eine App zu entwickeln, um den Prozess für Nutzer zu automatisieren und den Datensatz für mehr Diversität mit Blick auf Geschlecht und Ethnie zu erweitern. Smith gründete 2019 ihr Unternehmen FacePrint und arbeitet gemeinsam mit Auftragnehmern daran, die Computer-Vision-Algorithmen und die Web-App weiterzuentwickeln. Heute kann ihre Erfindung die Parkinson-Krankheit mit einer Genauigkeit von rund 95 % und andere nicht richtig erkannte neuronale Störungen mit einer Genauigkeit von 93 % vorhersagen. „Eine meiner größten Hoffnungen für diese Anwendung ist, dass sie dazu beiträgt, die Behandlung von Parkinson-Patienten zu verbessern und auch über die Früherkennung und Intervention hinaus in der Arzneimittelentwicklung eingesetzt wird, um krankheitsmodifizierende Therapeutika zu entwickeln“, sagt Erin Smith. „Ich hoffe, dass FacePrint diese Zukunft mitgestalten kann und zu einem Paradigmenwechsel in der Art und Weise führt, wie wir degenerative Nervenkrankheiten betrachten und behandeln.“

Gewonnen.

Für ihre Erfindung wurde Smith als eine von drei Finalisten des Europäischen Erfinderpreisies des Europäische Patentamtes EPA nominiert und erhielt am 21. Juni im Rahmen der virtuellen Preisverleihung den ersten Platz. „Erin Smiths Erkenntnisse, ihre Innovationskraft und der Einsatz neuer Technologien haben das Potenzial, die Früherkennung von Parkinson in der Breite zu etablieren und sie vielen Menschen zu ermöglichen“, sagte EPA-Präsident António Campinos bereits bei der Bekanntgabe der Finalisten des Preises für junge Erfinderinnen und Erfinder. „Ihre Erfindung ebnet den Weg für eine frühzeitige Behandlung, die den Patienten und ihren Angehörigen Erleichterung und Hoffnung bringt.“ Mit dem Preis will das EPA junge Innovatoren im Alter von bis zu 30 Jahren auszeichnen, die Lösungen zur Bewältigung globaler Probleme und zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen entwickeln.

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