Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Dr. Markus Köster: Selbstständiges Programmieren von Analysemodellen ist ganz einfach

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Mit seinem Industrial-Automated-Machine-Learning-Tool treibt Weidmüller das Thema KI im Maschinen- und Anlagenbau voran. Das Ziel: der Anwender soll seine Analyse-Modelle eigenständig weiterentwickeln – ohne selbst Data Scientist sein zu müssen. Darüber haben wir mit Dr. Markus Köster, Head of R&D Industrial Analytics gesprochen.

Mit Automated ML will Weidmüller seinen Kunden das selbstständige Programmieren von Analysemodellen ganz einfach machen. Wie es geht und welchen Mehrwert die gewonnen Daten neben Predictive Maintenance haben, erklärt Dr. Markus Köster, Head of R&D Industrial Analytics bei Weidmüller im Gespräch.

IoT4industry&business: Maschinen werden zunehmend intelligenter. Wie macht Weidmüller Maschinen intelligent?
Dr. Markus Köster: Indem wir das, was die Maschinen an Daten liefern, aufgreifen, sammeln und durch Analysemodelle auswerten. Es geht uns darum, den Anwender zu befähigen, seine Maschine besser kennenzulernen, genau zu wissen, was gerade mit ihr passiert und den Anwender in die Lage zu versetzen, seine Maschine entsprechend zu optimieren. Das ist genau das, was wir mit dem Bereich Industrial Analytics und den unterschiedlichsten Software-Komponenten machen.

IoT: Was bedeutet das?
Dr. Markus Köster: Wir sind vor vier bis fünf Jahren mit der Idee gestartet, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz unseren Kunden einen Mehrwert zu liefern. Dazu haben wir mit einem Team aus Data Scientists und der Firma Boge Kompressoren ein Projekt gestartet. Boge hatte die Idee eines neuen Geschäftsmodells: weg vom Verkauf der Kompressoren hin zu Druckluft-as-a-Service. Sprich der Kunde kauft nicht den Kompressor, sondern die Druckluft. Dafür musste Boge wissen, ob der Kompressor vor Ort gut läuft oder nicht. Innerhalb von kurzer Zeit haben wir erste Analyseverfahren entwickelt und damit auch Predictive Maintenance ermöglicht. Das heißt, wir waren in der Lage festzustellen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Bauteile innerhalb der nächsten zwei Wochen ausfallen werden. Das war unser Startpunkt in das Thema Industrial Analytics.

Wir haben festgestellt, dass unsere Kunden sehr ähnliche Anforderungen haben. Zum einen wollen sie ihre Daten nicht preisgeben und andererseits möchten sie nicht bei jeder neuen Maschine oder bei jeder neu aufgetretenen Anomalie bzw. Anpassung ein Data-Science-Projekt starten. Die Anwender wollen selbst in der Lage sein, ihre Analysemodelle zu entwickeln. Das war für uns die Geburtsstunde des industriellen Auto ML (Automated Machine Learning). Dabei geht es für Weidmüller darum, den Anwender zu befähigen, mit seinem eigenem Ingenieurswissen Analysemodelle mittels Künstliche Intelligenz zu entwickeln.

IoT: Wir funktioniert Automated ML?
Dr. Markus Köster: Der Anwender muss zunächst Daten aus seiner Maschine sammeln und archivieren. Dann nimmt er seinen Datensatz und lädt ihn in unseren Model Builder. Bei unterschiedlichen Datenquellen kann das etwas schwierig werden. Daher ist die erste große Herausforderung die Zeitstempel zu synchronisieren. Dann werden im jeweiligen Datensatz Bereiche oder Zeiten markieren, in denen die Maschine ein Problem hatte oder Anomalien verzeichnet hat. Daraus baut sich ein Analyse-Modell zusammen. Dann ist es ist Sache des Anwenders, zu entscheiden, wie und wo die Analyseergebnisse dargestellt werden.

IoT: Was tun, wenn bei der Programmierung Messwerte falsch eingegeben wurden oder ein bislang unbekanntes Problem auftaucht?
Dr. Markus Köster: Das Aktualisieren von Modellen ist ein spannendes Thema. Neue Anomalien kann das Modell nicht immer selbstständig erkennen. Das heißt, wir müssen den Anwender befähigen, diese Anomalie im Datensatz zu markieren. Dadurch kann man die Modelle aktualisieren und neue, vielleicht bessere erzeugen. Ich erlebe ganz häufig viele und spannende Diskussionen zum Erstellen von Modellen, aber damit hat man nur einen ersten Schritt geschafft. Der reicht aber noch nicht. Weidmüller begleitet seine Kunden dabei, ihre Lösung komplett auszubauen und die Modelle zu aktualisieren. Das ist definitiv ein Thema, das uns noch die nächste Zeit beschäftigen wird.

IoT: Gibt es in Folge bei Anomalieerkennung eine Alarmierung oder muss der Anwender das System kontrollieren, um reagieren zu können?
Dr. Markus Köster: sind wir da noch nicht so weit, da bin ich ganz ehrlich. Unsere Idee ist es eher den Anwender zu befähigen, möglichst schnell und sicher Entscheidungen zu treffen. Das heißt, Maschineninformationen so anzubieten, dass der Anwender sofort den Zustand der Maschine erkennt und die nötigen Arbeiten einleitet. Darauf haben wir uns fokussiert.

IoT: Ist das eine natürliche Grenze der Künstlichen Intelligenz oder ist es eine Grenze, die sich Weidmüller gesetzt hat?
Dr. Markus Köster: Damit wir diesen nächsten Schritt Richtung aktives Eingreifen in Prozesse durch Künstliche Intelligenz gehen können, braucht es seitens der Anwender Vertrauen in die Modelle. Und das fehlt aktuell noch. Das ist ähnlich wie beim selbstständigen Fahren. Auch da braucht es ein großes Maß an Vertrauen und Nachvollziehbarkeit. Und das ist es, was uns im Augenblick in unserer Branche noch fehlt. Maschinen sind sehr individuell, die Anwendungsfälle sehr unterschiedlich: das heißt, die Übertragbarkeit von Modellen im industriellen Kontext ist ein schwerwiegendes Problem. Da haben wir noch einen weiten Weg vor uns.

IoT: Glauben Sie, dass die letzten zwei Jahre, in denen wir ja alle gelernt haben, digitaler zu werden, mehr Verständnis, mehr Interesse, mehr Neugierde an Künstlicher Intelligenz bewirkt haben?
Dr. Markus Köster: Ich weiß nicht, ob die Pandemie das unbedingt stark befeuert hat. Seit etwa zehn Jahren sehen wir einen klaren Trend Richtung Künstlicher Intelligenz, die mehr und mehr Einzug in unseren Alltag findet. Ich persönlich glaube, dass das Vertrauen vermehrt durch intelligente Alltagsgeräte, wie z.B. einem Staubsaugerroboter kommt. Und das braucht es auch im industriellen Kontext. Allerdings dauert es hier immer etwas länger. Hier hatten wir bei der Adaption von neuen Technologien immer schon Verzögerungen. Es liegt an uns Menschen, wie sehr wir uns auf Automatismen einlassen.

IoT: Im Zusammenhang mit Datenanalyse spricht Weidmüller auch von Predictive Quality. Was meinen Sie damit?
Dr. Markus Köster: Die Maschine zu überwachen und mittels Predicitive Maintenance rechtzeitig Wartungsarbeiten einzuleiten ist das eine. Aber man kann die Daten auch dazu nutzen, um den Fertigungsprozess selbst zu beurteilen. Etwa ob man eine Charge unter den aktuellen Qualitätsanforderungen noch fertig produzieren kann oder ob der Verschleiß der Maschine so stark ist, dass die gefertigten Produkte nicht mehr den Qualitätsanforderungen genügen. Das verstehen wir unter Predictive Quality. Zusammengefasst haben wir drei Bereiche für uns definiert, die mit Industrial Analytics zu erreichen sind: erstens Maschinenanomalien und Wartungsfenster rechtzeitig erkennen, zweitens die Prozessüberwachung um Ausschuss zu vermeiden und drittens Prozessoptimierung. Das heißt, die Daten zu nutzen, um etwa Energieeffizienz zu optimieren. Das sind die Ziele, die wir mit unseren Analyseverfahren anvisieren. Den Optimierungsprozess finde ich immer noch die größte Herausforderung. Viele Firmen wollen ihre Prozesse in irgendeiner Form optimieren und hier die Patentlösung zu finden, ist die große Herausforderung.

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