Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Marcel Möstel: Allheilmittel IoT-Plattformen?

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"Kein IoT-Projekt gleicht dem anderen und es gibt so gut wie nie Standardlösungen", sagt Marcel Möstel, Head of Solutions von tresmo.

Als Head of Solutions von tresmo ist Marcel Möstel verantwortlich für das Lösungsportfolio und dessen stetige Weiterentwicklung sowie die Kundenberatung rund um innovative IoT-, Cloud- und App-Lösungen – und die Nachfrage nach diesen Lösungen wächst nicht erst seit der Pandemie. Seit 2012 begleitet tresmo Kunden unterschiedlichster Branchen und Unternehmensgrößen in engen Partnerschaften auf dem Weg zu eigenen digitalen Produkten und Services.

von Stephanie Englert

 

Industry & Business: IoT-Plattformen sind das „Allheilmittel“ für erfolgreiche IoT-Lösungen – ja oder nein?
Marcel Möstel: Leider ist eine IoT-Plattform – im Idealfall standardisiert und sofort einsatzbereit – nicht das Zaubermittel für die Bereitstellung erfolgreicher IoT-Anwendungen. Es braucht viele kleine Schritte zum Erfolg, denn die IoT-Plattform ist tatsächlich nur ein kleiner Bestandteil der eigentlichen IoT-Lösung. Mit ERP- oder CRM-Systemen, Analytik, Geschäftslogik, Anwendungen, Apps, Gateways und natürlich den Produkten, die miteinander kommunizieren müssen, benötigen Unternehmen noch eine ganze Menge mehr als die Plattform selbst für den eigentlichen digitalen Erfolg. Außerdem dürfen die beteiligten Akteure aus Vertrieb, Marketing, Support und Technik, einschließlich der Betreiber für die gesamte Lösung, die Partner für die Implementierung und die Nutzer, die im besten Fall vom Endergebnis profitieren sollen, nicht vergessen werden. Man stellt sich IoT-Vorhaben am besten wie eigene Unternehmungen innerhalb des Unternehmens vor, denn es geht hier oft nicht nur um IT.

Auf was müssen Kunden achten, wenn sie sich für den Einsatz von IoT-Plattformen entscheiden?

Marcel Möstel: Geht es an den Aufbau und die Konzeption der eigentlichen Plattform, stellen sich einige Fragen, über die sich Unternehmen vorab bewusst werden sollten: Hören wir auf den Markt unsere Intuition? Nutzen wir eine Standard-Applikation oder eine auf uns zugeschnittene Lösung? Und essenziell – Stichwort Make-or-Buy: Machen wir das Ganze selbst oder geben wir das Projekt in die Hände erfahrener Expert:innen?

Gibt es Unterschiede je nach Firmengröße oder Branchen?

Marcel Möstel: Letztlich ist jedes IoT-Projekt einzigartig, denn es geht immer darum, innovative Lösungen zu entwickeln, mit denen ein Kundenproblem gelöst wird bzw. der Anbieter einen neuen Mehrwert für seine Zielgruppe schafft. Daher gleicht kein IoT-Projekt dem anderen und es gibt so gut wie nie weder für bestimmte Unternehmensgrößen noch für einzelne Branchen – pauschale Standardlösungen, die einfach aus der Schublade entnommen und in die Praxis umgesetzt werden können.

Was zeichnet eine „optimale“ IoT-Plattform aus?

Marcel Möstel: Die “optimale” IoT-Plattform gibt es pauschal nicht, sondern richtet sich immer nach der jeweiligen Problemstellung und dem Mehrwert, den das Unternehmen für seine Zielgruppe generieren möchte. Die Frage nach der passenden Technologie und der richtigen Plattform sollte immer der Betrachtung des Kundennutzens nachgelagert sein. Wenn im Detail klar ist, was das Team für die Zielgruppe erreichen will, ergibt sich die technologische Lösung meist nahezu automatisch. Wollen die Verantwortlichen zum Beispiel für eine sehr technische Zielgruppe (z.B. die eigenen Servicetechniker) eine erste Condition-Monitoring-Lösung schaffen, dann darf durchaus mal geschaut werden, ob nicht bekannte Hardware- oder Regeltechnik-Hersteller schon eine kleine Out-of-the-box-Lösung anbieten. Geht es aber im ersten Schritt darum, direkt auf die Kund:innen zuzugehen und eine marktreife Monitoring-Applikation anzubieten, kommt man schnell in komplexe Abwägungen, ob nicht eine erweiterbare Lösung auf Azure oder AWS zukunftsweisender ist.

Woran kann eine erfolgreiche Implementierung einer IoT-Lösung scheitern? Was sind die größten „Fehler“, die gemacht werden. Kann man hier Pauschalisieren?

Marcel Möstel: Es gibt fünf zentrale Hürden, an denen viele IoT-Projekte in der Praxis scheitern:

  1. Wenn Unternehmen den Kundennutzen den technischen Anforderungen unterordnen, gerät der Business Value in den Hintergrund und es besteht die Gefahr, dass das Team an den Marktbedürfnissen vorbei entwickelt.
  2. Bei den vielen technischen Buzzwords, die rund um IoT kursieren, entstehen oft unterschiedliche Erwartungshaltungen bei verschiedenen Stakeholdern. Eine transparente, klare Kommunikation ist daher wesentlich, um Missverständnissen von Anfang an vorzubeugen.
  3. Ohne starke Partner gelingen die wenigsten IoT-Projekte. Daher gilt es, diese rechtzeitig einzubinden und auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu setzen, in der alle mit dem gleichen Mindset an der bestmöglichen Kundenlösung arbeiten.
  4. Die Kosten in IoT-Projekten verlaufen viel dynamischer als Unternehmen es von anderen Vorhaben gewöhnt sind. Daher gilt es, den gesamten Lebenszyklus einer IoT-Lösung bei der Budgetplanung zu betrachten.
  5. Steht das Management nicht zu 100 % hinter dem IoT-Projekt, ist es oft schon zu Beginn zum Scheitern verurteilt. Daher sollten Teams zunächst prüfen, ob sie sich auf den Rückhalt Führungsebene verlassen können und sich direkte Kommunikationsebene etablieren lässt, auf deren Basis ein erfolgreiches Projekt gelingen kann.

Sind sich viele Kunden nicht über ihr eigentliches Ziel/den Mehrwert, den sie erreichen wollen, bewusst?

Marcel Möstel: Es besteht durchaus die Gefahr, dass Unternehmen über die Auswahl der passenden Technologie und die Bewertung unterschiedlicher Lösungen den Kundennutzen aus dem Fokus verlieren. Das kommt alleine schon durch die hohe Komplexität und ist eine große Gefahr für den Erfolg eines IoT-Projekts. Denn dieser steht und fällt mit dem generierten Mehrwert für den Markt. Daher tun Teams gut daran, das Ziel – die Generierung von Nutzen für die Zielgruppe – stets im Blick zu behalten.

Inwiefern haben gerade die vergangenen Monate zu einer Bewusstseinserweiterung bei Unternehmen hinsichtlich IoT-Lösungen und -Nutzen etc. geführt?

Marcel Möstel: In den letzten Monaten ist in vielen Unternehmen deutlich geworden, dass IoT-Lösungen dazu beitragen können, das eigene Geschäft noch erfolgreicher aufzustellen. Einige Entscheider werden schon mutiger und trauen sich, innovative Projekte anzugehen. Insbesondere das Thema Usability wird aktuell immer wichtiger. Das bedeutet konkret, auch Kund:innen im B2B-Umfeld eine professionelle UI und UX zu bieten.

Sind die Teams/Mitarbeiter der Kunden/Unternehmen für eine IoT-Plattform gut aufgestellt bei Ihren Kunden oder scheitert es auch an deren „Know-how“? Wird hier eventuell falsch „gespart“?

Marcel Möstel: So verlockend die Herausforderung für Unternehmen sein mag, sich die passende technologische Lösung für ihren Nutzen selbst zu kreieren, so wenig rentabel ist es häufig. Wenn sie ein Problem erkennen, das sie für ihre Kund:innen lösen können, sind Betriebe viel besser beraten, sich an erfahrene Partnerunternehmen zu wenden und bestehende technologische Ansätze zu nutzen. Denn die Frage ist weniger: Können wir das selbst machen? als vielmehr: Sollten wir das selbst machen?

Auf dem Weg zur IoT-Plattform kann man aufgrund der heutigen technologischen Infrastruktur viele kluge Make-or-Buy-Entscheidungen auf unterschiedlichsten Ebenen treffen. Dafür muss man sich aber gut auf dem Tech-Markt auskennen. Kurz zwischengefragt: Worauf sollten Unternehmen bei der Auswahl des richtigen Partners denn überhaupt achten?

Marcel Möstel: Im ersten Schritt lohnt es sich, genau zu hinterfragen, ob es sich beim jeweiligen Partner um einen Berater/Systemintegrator oder einen (eigenen) Lösungsanbieter handelt. Unabhängige Berater sind in der Praxis oft unbefangener und können sich besser auf den Kundennutzen konzentrieren und auf dieser Basis agnostisch die richtigen Lösungen entwickeln. Beim Lösungsanbieter haben Unternehmen oft einen operativen Vorteil, weil dort schon viele Prozesse um die eigene Lösung herum optimiert wurden. Was direkt zum zweiten Punkt führt: Für den Partner sollte – ebenso für das Unternehmen selbst – der Mehrwert für die Zielgruppe immer im Fokus stehen. IoT sollte nicht als Selbstzweck dienen, sondern einen echten Nutzen hervorbringen – sonst können Unternehmen auch darauf verzichten. Außerdem ist der richtige Partner immer dazu in der Lage, trotz seines Know-how-Vorsprungs die technischen Zusammenhänge für das gesamte Projektteam verständlich zu kommunizieren. Nur so kann Missverständnissen rechtzeitig vorgebeugt werden. Da IoT-Projekte flexible Budgets, dynamische Zeitpläne und eine auf Veränderung eingestellte Unternehmenskultur erfordern, ist auch die Erfahrung ein wichtiger Faktor. Je mehr innovative Projekte das Team des Partners bereits begleitet hat, desto besser kann es dabei unterstützen, den Change im eigenen Unternehmen voranzutreiben.

Was können Sie für ein besseres Verständnis bei Kunden tun, so dass „erste“ Fehler in Bezug auf IoT-Plattformen vermieden werden können und es mehr um den Mehrwert geht als um das Verständnis, was IoT-Plattformen eigentlich sind/können?
Marcel Möstel: Jedes Unternehmen sollte sich in Innovationsprojekten zwei Schlüsselfragen stellen: Einerseits jene nach dem Ziel, andererseits die nach dem Mehrwert für den Markt. Dabei ist und bleibt der zentrale Faktor der Mensch. Die Technik ist nur ein untergeordneter Bestandteil von innovativen Projekten und maximal ein Mittel zum Zweck. Umso wichtiger ist es, dass die Verantwortlichen die Zielgruppe nicht aus den Augen verlieren. Dazu gehören sowohl die eigenen Mitarbeiter:innen, Kund:innen als auch Partner:innen. In vielen Unternehmen sind IoT-Initiativen sowohl komplex als auch kulturell anspruchsvoll und machen es notwendig, für solche Projekte ganz eigene Teams zu etablieren, die den hohen Anforderungen gerecht werden können. So kann die Entwicklung von wertvollen IoT-Lösungen, die einen signifi kanten Anteil am Unternehmenserfolg haben, erfolgreich sein.

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