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Let me be your friend | KI – Feind oder Freund?

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Bild von James Sutherland auf Pixabay

KI – Feind oder Freund? So einfach lässt sich das nicht beantworten oder ist es gar eine falsch formulierte Frage? Was genau ist KI und was eher nicht? Der Versuch einer Antwort.

Dass digitale Technologien seit längerer Zeit die Arbeitswelt beeinflussen ist kein Geheimnis. Die fortschreitende Entwicklung von Technik hat auch Auswirkungen auf die Gesellschaft. Nehmen wir das Beispiel autonom fahrender Fahrzeuge. Kein anderes Thema erregt die Gemüter stärker. Kann ich einer „Maschine“ die alleinige Entscheidung im Straßenverkehr zutrauen und was, wenn ein Unfall, vielleicht sogar mit Todesfolge, passiert? In verschiedenen Feldversuchen hat man gesehen, dass dieses Szenario durchaus Realität werden kann.

Wie weit sind die „Maschinen“ also und wo beginnt oder endet gar die Ethik?

Der VDI, Verein Deutscher Ingenieure, brachte es vor einiger Zeit auf den Punkt: „Künstliche Intelligenz ist nicht erst dann am Werk, wenn menschliche Eingriffe komplett überflüssig werden. Künstliche Intelligenz hat keine Moral und löst keine ethischen Konflikte. Künstliche Intelligenz kann Regeln anwenden, ändert sie aber nicht.“ Und Prof. Dr. Frank Flemisch vom Bonner Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie ergänzte in diesem Statement: „…die autonome Endstufe in allen Anwendungsfällen ist noch sehr weit in der Zukunft.“

Der Grund ist auch die einhergehende technische Voraussetzung, die geschaffen werden muss. Große Datenmengen, verursacht durch den Einsatz von vielen Kameras und Sensoren bei dieser Technik, werden mit jedem Level des autonomen Fahrens mehr. In Folge muss auch mehr Rechenleistung gewährleistet werden. Es zieht alles einen gewissen „Rattenschwanz“ mit sich, den viele zunächst mit der Idee des autonom fahrenden Fahrzeugs wahrscheinlich noch gar nicht realisiert haben. Was für viele nur das reine Fahrzeug ist, ist für die Technik, die dahintersteckt, eine Mammutaufgabe mit all seinen Facetten.

Wer trifft wann welche Entscheidung?

Zu den ethischen Aspekten gesellt sich dann auch schnell folgende Frage: „Lässt sich in einem selbstlernenden System überhaupt noch nachvollziehen, welche Algorithmen zu welcher Entscheidung geführt haben?“. Flemisch ergänzt weiters im VDI-Beitrag:

„Wir können die Technik umfassend trainieren. Aber wir können dem Fahrer nicht so einfach vermitteln, welches Vertrauen angemessen ist.“

KI-Methoden können demnach heutzutage sehr wohl, etwa in der Produktion, einen sinnvollen und ergänzenden Beitrag leisten, etwa um Verbesserungen zu eruieren und Varianten durchzuspielen. Aber sie bedürfen auch grundlegender rechtlicher Entscheidungen bzw. Gesetzgebungen und Grenzen, um eine sichere und auch faire Nutzung zu gewährleisten.

Wie alt ist KI?

Roland Sommer GF Plattform Industrie 4.0 „Wichtig ist immer, dass Maschinen keinen Menschen ersetzen werden. KI ist unterstützend gedacht, nicht als Konkurrenz zum Mitarbeiter.“

Die Geschichte der KI beginnt genau genommen schon Mitte der 50er Jahre – wenn nicht gar noch früher. Den Angaben zufolge nach fand als so genannte Gründungsveranstaltung der Künstlichen Intelligenz als akademisches Fachgebiet die Dartmouth Conference am Dartmouth College in Hanover (New Hampshire/USA) zu dieser Zeit statt. Dieser damalige Workshop mit dem Titel Dartmouth Summer Research Project on Artificial Intelligence wurde von John McCarthy im Rahmen eines von der Rockefeller-Stiftung geförderten Forschungsprojekts initiiert.

Doch wie bereits erwähnt wurde weit vorher immer wieder die Kombination von Mensch und Maschine ins Gespräch gebracht (Julien Offray de La Mettrie und sein 1748 veröffentlichtes Werk L’Homme Machine). Und auch Namen wie Hubert Dreyfus oder Karl Popper aus den 70er Jahren haben einen Konnex zur Entwicklung von KI.

Künstliche Intelligenz gewinnt ohne Frage als Wachstumstreiber für Unternehmen immer stärker an Bedeutung.

Doch für viele gibt es in diesem Bereich noch Aufholbedarf. Wie eine Studie des Beratungsunternehmens Accenture jüngst zeigte, glauben demnach 87 % der großen Unternehmen, dass KI zu einer signifikanten Transformation ihres Industriesektors führen wird, aber nur 42 % aller österreichischen Unternehmen etwa arbeiten aktiv mit ihr. KI ist, um es einmal klar zu sagen, kein Thema rein für Spezialisten, sondern für alle relevant und auf ganz unterschiedlichen Ebenen anwendbar. Und hier liegt oft auch das Problem.

Auf was kommt es an?

Wird gerade in KMU oft davon gesprochen, dass der „geeignete Fachmitarbeiter“ nicht am Markt oder gar im Betrieb vorhanden sei, vergessen viele dabei, dass es außer einer entsprechenden Ausbildung auf etwas ganz anderes beim KI-Einsatz ankommt. In einem persönlichen Gespräch zum Thema KI und Simulationen brachte es Harald Mutzke, Inhaber von SES (Simulation Expert Services) aus Nürnberg auf den Punkt. „KI-Einsätze können die Anzahl erforderlicher Simulationen reduzieren und somit bei einer konkreten Aufgabenstellung schneller zu geeigneten Lösungen führen. Die Frage ist doch: Welche Optimierung der Arbeitsvorgänge passt für meinen konkreten Fall bzw. Aufgabenstellung?“ Mutzke betonte auch, dass „bei einem noch so kleinen Problem, der Einsatz der KI durchaus Sinn macht und keinen Angriff auf bisherige Arbeitsweisen im Betrieb bedeutet, sondern eher die Optimierung der Prozesse im Raum steht.“

Hier ergänzt er in seinen Ausführungen weiters, dass man nicht von „einer optimalen Lösung ausgehen sollte, sondern immer mehreren, die durch Simulationen ans Tageslicht gebracht werden.“ Mutzke selbst sieht den Begriff KI auch als „Buzzword“ unserer Zeit, das vielerlei Unklarheiten mit sich bringe. Sein Ziel sei es grundsätzlich, folgenden Weg bei Kunden in der Beratung zu gehen:

  1. vom Visio Prozess-Modell automatisch
  2. zur Simulation
  3. zur automatischen KI-gestützten optimalen Gestaltung des Systems bzw. der Modellparameter wie Losgröße, Produktmix, Schichten, Personal etc. aber auch Automatisierungs- und Steuerungslogik, wo auch immer die konkreten Themen anstehen.

In der Praxis schaut selbst für Laien ein Einsatz von entsprechend zugeschnittener KI ganz anders aus als in der trockenen Theorie, bei der eben vielfach von Expertenwissen ausgegangen wird. Dies mag in komplexeren Prozessen auch stimmen, sollte aber wie erwähnt noch lang kein Hindernis sein, den Einsatz von KI zu fördern, unabhängig von der Unternehmensgröße und der Ausrichtung des Betriebes.

KI als allgegenwärtiges Thema.

Simon Hasler, IT Security und DevOps Engineer bei Rubble Master: „In der Baubranche ist die Digitalisierung der Maschinen noch oft weit am Anfang.“

Auch die heuer ebenfalls im virtuellen Austragungsort gelandete CES startete im Jänner mit dem Thema KI. „Wir verbinden KI und Konnektivität zu AIoT, um die Energieeffizienz zu erhöhen und Corona zu bekämpfen“, sagte hierzu Bosch-Geschäftsführer Michael Bolle auf der CES.

„AIoT bietet enormes Potenzial – wir nutzen dies bereits heute und bauen unser Engagement in Zukunft noch weiter aus.“

Unter dem Motto „Sustainable #LikeABosch“ präsentierte das Unternehmen auf der virtuellen Techmesse intelligente, nachhaltige Lösungen für die Bereiche Gesundheit, Wohnen und Mobilität. Zudem zeigte das Unternehmen einen Sensor, der unter anderem Luftgüte und relative Feuchtigkeit misst und somit Aufschluss über die Konzentration von Aerosolen in der Luft gibt – eine Angabe, die im Einsatz gegen Corona am konkreten Beispiel an Bedeutung gewonnen hat. Im Kampf gegen das Virus können auch Bosch-Sicherheitskameras unterstützen. Denn dank KI bieten sie die Möglichkeit, verschiedenste kundenspezifische Anwendungen umzusetzen.

KI im Arbeitsalltag.

Und auch eine kurz vor Weihnachten von der Plattform Industrie 4.0 in Österreich initiierte virtuelle Veranstaltung zum Thema „AI@Work: Wie Mensch und Maschine in der Arbeitswelt voneinander lernen können, wenn sie zusammenarbeiten“ konkretisierte eines stark heraus: „Welchen Aufschwung KI derzeit erlebt, lässt sich an den EU-weiten Ausgaben ablesen: Während 2019 insgesamt 6 Mrd. Euro aufgewendet wurden, soll sich dieser Wert bis 2025 fast vervierfachen. Bis 2022 sollen bereits bis zu zwölf Prozent der heimischen Produktionsbetriebe KI-Anwendungen implementiert haben, wie das AIT prognostiziert, denn KI ermöglicht präzisere Prognosen, Empfehlungen und Entscheidungen, hilft dabei komplexe Herausforderungen zu bewältigen und steigert die Produktivität.“ Roland Sommer, Geschäftsführer der Plattform Industrie 4.0 sagte: „Oft gibt es vor allem in der Berufswelt aber noch Vorbehalte gegenüber KI, denen wir mit der Teilnahme am Projekt AI@Work entgegentreten wollen.“ Er ergänzte:

„Wichtig dabei ist immer, dass Maschinen keinen Menschen ersetzen werden. KI ist unterstützend gedacht, nicht als Konkurrenz zum Mitarbeiter.“

Dies untermauerte auch Projektkoordinator Bernhard Moser, Research Director am Software Competence Center Hagenberg und Präsident der Austrian Society for Artificial Intelligence. „Ziel ist es“, so Moser, dass „sich jeder einen Reim aus seinen Unternehmensdaten machen kann und gezielt eine Anwendung dieser für Optimierungen eruiert“, so der Experte. „Daten sind Indizien und das ist die Basis!“

Bernhard Moser Research Director am Software Competence
Center Hagenberg und Präsident der Austrian Society for Artificial Intelligence „Daten sind Indizien und das ist die Basis!“

Aufbauend auf den Erkenntnissen von AI@Work wurde eine Roadmap für ein KI-Leitprojekt ermittelt, das noch mehr Projektpartner umfassen soll und strategisch wichtige Themen wie Maschinelles Lernen oder Knowledge Graphen, die verschiedene Daten grafisch vernetzen, näher beleuchten soll – beides Themen, die nicht ohne die Teamarbeit zwischen Mensch und Maschine auskommen.

Rubble Master nutzt KI.

Wie der optimale Austausch zwischen Mensch und Maschine bereits funktionieren kann, erläuterte im Gespräch Simon Hasler, IT Security und DevOps Engineer bei Rubble Master in Oberösterreich – und zwar im Rahmen eines Use Cases. Das Unternehmen produziert Materialrecycling-Maschinen, die Einstellung für bestimmte Anwendungen gestaltet sich oft komplex – beispielsweise ist der optimale Zeitpunkt für Wartung und Austausch von Verschleißteilen nur sehr schwer vorherzusagen.

Wünschenswert wäre eine Maschine, die die ideale Konfiguration selbst vorschlägt und durch ein Remote Monitoring-System vorausschauend gewartet werden kann. Der Mensch müsste dazu KI-basierte Vorschläge bestätigen oder anpassen, regelmäßig sein Wissen in das lernende System einpflegen und die Maschinendaten überprüfen sowie intelligente Wartungstätigkeiten durchführen. Die Maschine wiederum müsste Umgebungs- und Eigendaten erfassen, durch KI unmittelbare Ergebnisse analysieren und mit anderen Maschinen kommunizieren, um die Baustelle ganzheitlich zu erfassen. Soweit so gut. Er betonte darüber hinaus auf Nachfrage jedoch auch, dass „in der Baubranche die Digitalisierung der Maschinen noch oft weit am Anfang steht“. Auch geeignete Studiengänge kämen erst allmählich ins Ausbildungsportfolio und entsprechend ziehe sich dieser Ausbildungsprozess des künftigen Personals hin.

Covid19 als Beschleuniger der Digitalisierung?

Auf die abschließende Nachfrage, ob nun die Covid-19-Pandemie in all ihren Facetten ein Digitalisierungsbeschleuniger sei, bestätigten alle Teilnehmer der erwähnten Plattform Industrie 4.0-Veranstaltung diese Aussage. „Es kann nur von Vorteil sein, wenn diese Technik stärker Einzug in die Betriebe erhält, unabhängig von deren Größe und Aufgabengebiet“, sind sich alle einig.

Wie setzt man nun aber KI am besten ein?

Informationsveranstaltungen wie das vergangene Jahr virtuell ausgetragene Trevisto-Event namens „KI4KMU – wie die mittelständische Wirtschaft die Vorteile der Künstlichen Intelligenz nutzen kann“ sorgen immer wieder für regen Gesprächsstoff. Wie bereits eingangs erwähnt stellen sich vor allem Unternehmen des Mittelstands häufig die Frage, ob ihre Datengrundlage für den Einsatz von KI ausreichend ist, wie sie erste Schritte gehen können und wie sie ihr Personal in die Lage versetzen, KI zu entwickeln und zu nutzen. Dies ist kein neu auftretendes Problem.

Jürgen Engler Vorstandsvorsitzender Trevisto „Wir raten jedem Unternehmen, die Einführung von KI mit personalorientierter Begleitung durchzuführen.“

Jürgen Engler, Vorstandsvorsitzender von Trevisto aus Nürnberg, sieht dieses Problem sehr genau. Er erklärt: „Wir als Trevisto weisen immer wieder darauf hin, dass die Implementierung einer KI-orientierten Thematik alleine nicht ausreicht, um wirklich Mehrwerte zu erzielen. Ganz entscheidend ist immer, die Menschen, die damit arbeiten, auch mitzunehmen. Denn es entstehen oft Existenzängste („verliere ich jetzt meinen Arbeitsplatz?“) oder KI wird ignoriert („was soll das denn besser können, als so, wie wir es immer schon getan haben?“). Und diese Fragestellungen entstehen immer nur dann, wenn abstrakt über KI gesprochen wird.“

Aufgrund dieser Erfahrungen am Markt hat sich Trevisto immer darauf fokussiert, den wirklichen Nutzen darzustellen. Engler betonte auch das „leidige“ Thema diverser digitaler Events, die entweder ausschließlich Anwendungen präsentierten, die beim besten Willen keine KI-Anwendung sind, oder es wird seinen Ausführungen nach leider „über Themen gesprochen, die viel zu weit weg sind, als dass man damit jetzt vorhandene Probleme lösen kann.“ Was rät Trevisto in solch einem Fall? Engler: „Wir raten jedem Unternehmen, die Einführung von KI mit personalorientierter Begleitung durchzuführen. Der Veränderungsprozess muss von geeigneten Coaches begleitet werden und dies tunlichst von außerhalb des Unternehmens.“

Doch was ist KI nun?

Ein gutes KI-System kann sehr wohl von der menschlichen Expertise lernen und so schrittweise Aufgaben übernehmen. Und ob der enormen Datenmengen unserer Zeit kann KI hierbei ein freundschaftlicher Arbeitsbegleiter sein und einen Mehrwert bieten. Den Menschen ersetzen, wie so oft befürchtet, kann sie gar nicht, denn die soziale Kompetenz des Menschen ist mittels KI nicht ersetzbar. Stephen Hawkings sagte in seinem 1988 erstmals erschienen Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“: „Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen.“
Und genau so passiert es dann auch mit der Künstlichen Intelligenz.

www.fkie.fraunhofer.de
www.mutzke-ses.com
www.bosch.com
www.rubblemaster.com
www.plattformindustrie40.at
www.ces.tech
www.vdi.de
www.trevisto.de

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