Im Gespräch MM Maschinenmarkt

Thomas Gindele: Wir müssen zum Vor-Corona-Stand zurück

zur Übersicht
Wie sich die Coronakrise auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Deutschland ausgewirkt hat, erläutert Thomas Gindele Hauptgeschäftsführer der DHK im Gespräch mit Chefredakteurin Stephanie Englert.

Deutschland ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner Österreichs. Wie sich die Coronakrise auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern ausgewirkt hat, erläutert Thomas Gindele, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK) in einem Interview.

Die Anti-Corona-Maßnahmen haben die Wirtschaft in Deutschland und Österreich schwer getroffen. Wie hat sich diese Krise auf die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern ausgewirkt?
Thomas Gindele: Leider nicht gut! Durch die enge Verflechtung beider Länder und die Maßnahmen Eindämmung der Covid-19-Pandemie sind beide Wirtschaften stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Im März 2020 ist das Außenhandelsvolumen zwischen Deutschland und Österreich im Vorjahresvergleich über fünf Prozent zurückgegangen und im April gehen wir von einem Minus von zehn bis 15 Prozent aus.

Sehen Sie inzwischen eine Erholung?
Thomas Gindele: Durch die Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen bewegen sich die Zahlen seit Mai/Juni wieder ein Stück weit nach oben. Die Problematik zwischen dem deutschen und österreichischen Dienstleistungsverkehr waren ja nicht die geschlossenen Grenzen – die Lieferketten haben gehalten. Der Einbruch im Außenhandel kam dadurch zu Stande, dass Produktionen in beiden Ländern eingestellt wurden. Fabriken haben sechs bis acht Wochen nicht produziert! Es gab keine entsprechende Nachfrage, verbunden mit Lieferschwierigkeiten aus Asien und Südeuropa.

Welche Unterschiede gab es bei den Krisenauswirkungen in beiden Ländern?
Thomas Gindele: Deutschland ist noch stärker als Österreich in den globalen Wirtschaftsnetzen integriert. Damit kam es dazu, dass Lieferengpässe gewissermaßen aus Übersee – zum Beispiel aus China – importiert wurden. Dennoch möchte ich die Globalisierung nicht in Frage stellen. Österreich hat hingegen durch den höheren Tourismusanteil an seiner Wertschöpfung die Auswirkungen an anderer Stelle stärker gespürt.

In etwa die Hälfte der Mitglieder der DHK ist aus Deutschland, die Hälfte aus Österreich. Wie haben die Betriebe reagiert?
Thomas Gindele: Sie haben ihre Produktion sofort umgestellt und die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen, dass unter dem Lockdown weitergearbeitet werden kann. Sie haben Strukturen angepasst, Kurzarbeit eingeführt, Fixkosten reduziert. Dass eine Mitgliedsfirma, die Beatmungsgeräte herstellt, besser durch die Krise kommt, als eines unserer Mitgliedsunternehmen aus dem Hotelgewerbe, erklärt sich von selbst.

Und jetzt? Läuft das Geschäft wieder an?

Thomas Gindele: Noch liegt das Augenmerk auf der Reduktion von Kosten. Die Unternehmen werden auch in den nächsten Wochen und Monaten an ihrer Effizienz arbeiten. Es wird etwas dauern, bis die entsprechenden Impulse kommen, um wieder stärker in die Nachfrageseite reinzugehen.

Für österreichische Zulieferfirmen ist die deutsche Automobilindustrie besonders wichtig. Wie wird es in diesem Sektor weitergehen?
Thomas Gindele: Wir haben ja in der Automobilindustrie nicht nur mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen, sondern diese befindet sich auch abgesehen davon in einem Umstrukturierungsprozess. Die deutsche Automobilindustrie treibt die Elektromobilität und die Entwicklung anderer Antriebsformen voran. Damit ergeben sich unzählige neue Geschäftsmöglichkeiten. Das wurde auch in der Krise keine Minute vernachlässigt. Die Automobilindustrie kommt durch die steigende Nachfrage aus Übersee langsam wieder in Spur. Davon werden sowohl die österreichische Zulieferindustrie als auch die deutsche Automobilindustrie profitieren. 

Was werden die Herausforderungen der Zukunft sein?
Thomas Gindele: Die entsprechenden Antriebstechniken, die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität – das sind die Themen, die die Zulieferindustrie in den nächsten Jahren angehen muss. Der Vorteil ist, dass sowohl Österreich als auch Deutschland hochqualitative Lösungen zur Verfügung stellen. Wir haben in vielen Industriezweigen nach wie vor die Technologieführerschaft!

Würden Sie sich zur Unterstützung der Automobilindustrie eine neue Abwrackprämie wünschen?
Thomas Gindele: Natürlich sind solche Kaufanreize hilfreich; das hat man auch in der Krise 2008/ gesehen. Ich würde es vielleicht eher Kaufanreizprämie nennen. Vielleicht bietet die aktuelle Mehrwertsteuersenkung in Deutschland von 19 auf 16 Prozent einen Anreiz. Es liegt aber letztlich an den Automobilherstellern – aber auch an allen anderen Anbietern, wie sie das umsetzen (Anm.: Die Steuersenkung gilt vorerst von 1. Juli bis 31. Dezember 2020). Entweder sie erzielen dadurch eine höhere Marge oder sie geben die Steuersenkung in Form von günstigeren Preisen an die Konsumenten weiter. Beides finde ich im Übrigen gleichwertige Ziele, denn ohne Gewinnerzielungsperspektive brauchen die Unternehmen ja nicht mehr weiterzumachen.

Welche Auswirkungen hat die Coronakrise auf Ihre Organisation?
Thomas Gindele: Es war wirklich eine globale Pandemie – das haben wir auch in unserem Netzwerk der 140 deutschen Auslandshandelskammern in 92 Ländern gesehen. Da gab es kein einziges Land, das nicht betroffen gewesen wäre. Aber wir werden ja nicht zu 100 Prozent öffentlich gefördert finanzieren uns auch nicht nur über Mitgliedsbeiträge, sondern sind jeweils Dienstleister in beiden Märkten. Wenn niemand nach Amerika reist, um dort Geschäfte zu machen, dann nutzt er dafür auch nicht Dienstleistungen der Kammer. Wir haben zwar Online-Möglichkeiten angeboten, aber es ist am Ende doch etwas anderes, wenn die Geschäftsanbahnung im direkten Gespräch stattfindet. Die deutschen Auslandshandelskammern werden daher sicher Unterstützung von den Stakeholdern in Berlin benötigen.

Die Deutsche Handelskammer in Österreich organisiert auch viele Veranstaltungen. Wie sehen Sie da die Perspektive?
Thomas Gindele: Es ist Kern unserer Tätigkeit, Netzwerke zu schaffen und Menschen zusammen zu bringen. Diese Möglichkeit wurde uns in den letzten Monaten genommen. Dennoch haben uns unsere Mitglieder die Stange gehalten und haben gesagt, „da bleiben wir trotzdem dabei“. Bei Veranstaltungen wollen wir nach der Sommerpause die ersten Akzente setzen, auch wenn es mit Einschränkungen verbunden sein wird.

Und welche Perspektiven gibt es für die Messen in Deutschland?
Thomas Gindele: Die deutschen Auslandshandelskammern sind durch den Wegfall des Messegeschäfts enorm betroffen, denn sie vertreten deutsche Messen im jeweiligen Land. Wir haben das Glück, dass wir für Deutschland und Österreich tätig sind. Beides sind Länder, die die Covid-19-Pandemie bis jetzt gut gemanaged haben. Deswegen haben wir jetzt die Perspektive, wieder neue Geschäftsanbahnungen aufzubauen. Es wird im Herbst noch die eine oder andere große Messe geben – mit entsprechenden Auflagen. Die Messen, die wir vertreten, sind Weltleitmessen. Die Aussteller und Besucher kommen von überall her. Das ist aber nach wie vor nur eingeschränkt möglich. Deswegen und aufgrund der längeren Vorlaufzeiten konzentriert sich alles auf die Messen 2021. Auch wenn es andere Möglichkeiten gibt, so fehlen die Messen als Vertriebs- und Marketingmöglichkeit. Nirgendwo sonst kann man sich einen so guten Überblick über die Marktsituation verschaffen, kann man erste Geschäftskontakte aufbauen oder bestehende Geschäftsbeziehungen weiterpflegen, wie auf Messen.

Wie schätzen Sie die weitere Wirtschaftsentwicklung ein? V oder lange Talsohle?
Thomas Gindele: Einige Wirtschaftsforscher sprechen von einer V-Entwicklung. Ob alle, die in Kurzarbeit sind in Vollbeschäftigung zurückkehren werden, ist allerdings noch offen. Das, was an Kaufkraft und Konsum fehlt, werden wir spüren. Die Hoffnung, dass die Wirtschaft wieder anspringt, kommt dann, wenn alle Einschränkungen aufgehoben wurden. Dann werden wir hoffentlich an die vorhergehenden Entwicklungen anschließen können. Der Lockdown hat Erkenntnisse gebracht, wie man anders arbeiten kann. Ich gehöre aber nicht zu jenen, die jetzt alles, was vor der Krise war, in Frage stellen. Vor der Krise war es eindeutig besser, denn es gab viel weniger Existenzängste. Wir haben uns schon vor der Krise sehr intensiv mit den Zukunftsanforderungen auseinandergesetzt. Da müssen und werden wir wieder hinkommen. Der Schlüssel wird auch sein, dass wir in Zukunftstechnologien investieren. Das ist das, was unsere Volkswirtschaften ausmacht. Was wir brauchen ist konsequente Weiterentwicklung unserer Stärken, die Verteidigung unserer Marktführerschaft. Dafür müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Unternehmen in ihre Zukunft investieren können.

weitere aktuelle Meldungen

Verwandte Artikel