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Innovative Therapiemethoden durch lasergeschnittene Herzklappen

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Schneiden von Stützgerüsten für Herzklappen aus Nitinol-Rohrmaterial. Foto: STI Laser Industries.

Die minimal-invasive Therapie mit Ersatzklappen auf Basis 3D-lasergeschnittener Rahmen aus Formgedächtnismetallen ersetzt zunehmend den konventionellen Eingriff am offenen Herzen.

Mit ihrer unerreichten Präzision und Flexibilität erschließt die Lasermaterialbearbeitung beständig neue Einsatzfelder in der Medizintechnik − dies gilt für Implantate und Instrumente, vom einfachen Schneiden von Löchern in Kathetern bis hin zu anspruchsvollsten 3D-Strukturen beim Schneiden von Stents. Derzeit hilft der Laser den Eingriff am offenen Herzen bei bestimmten kardiologischen Therapien zunehmend durch minimal-invasive Techniken zu ersetzen. Aktuell befinden sich 3 verschiedene Ersatzklappentypen in unterschiedlichen Stadien der medizinischen Zulassung in Europa und den USA. Bei allen handelt es sich um Hybridklappen auf Basis eines Stützrahmens aus Nitinol (einem Formgedächtnismetall), der mit Hilfe eines Faserlasersystems geschnitten wird.

Wachsender Bedarf an Ersatzklappen

Das menschliche Herz ist von der korrekten Funktion von vier Hauptklappen abhängig, um Körper- und Lungenkreislauf effizient aufrecht zu erhalten. Eine geringe Anzahl an Menschen kommt bereits mit genetisch bedingten Herzfehlern zur Welt. Viele andere leiden an erworbenen Herzklappendefekten aufgrund verschiedener Ursachen, etwa chronisch erhöhtem Blutdruck oder chronischem Übergewicht. Auch exotische Gründe wie der Steroidmissbrauch bei Bodybuildern konnten bereits für eine Klappendegeneration verantwortlich gemacht werden.

In den letzten Jahrzehnten hat die medizinische Forschung eine Vielzahl von Optionen zum Herzklappenersatz entwickelt, um die Lebensqualität der Patienten wieder herzustellen und/oder ein finales Herzversagen zu verhindern. Denaturierte Herzklappen von Tieren (üblicherweise von Schweinen) ersetzen beispielsweise defekte Mitralklappen. Andere Technologien umfassen mechanische Aortenklappen oder, in der jüngeren Vergangenheit, Klappen mit Gewebe, das aus den Stammzellen des Patienten gezüchtet und mit einem synthetischen oder tierischen Stützgerüst verbunden wird. Jede dieser Varianten hat ihre spezifischen Einschränkungen. So bergen etwa mechanische Klappen ein deutliches Thromboserisiko und zwingen den Patienten zur Einnahme blutverdünnender Medikamente. Klappen aus  biotechnologisch gezüchtetem Material neigen dazu, mit der Zeit zu schrumpfen und durchlässig zu werden, da das Gewebe langsam resorbiert wird. Zu den inhärenten Einschränkungen dieser Ersatzklappen kommt hinzu, dass meist ein großer Eingriff am offenen Herzen nötig ist. Dieser ist kostenintensiv, risikobehaftet und schmerzhaft. Darüber hinaus kommen viele Patienten für einen Eingriff dieser Art gar nicht erst in Frage, da ihre Erkrankung bereits zu weit fortgeschritten ist, sie zu alt sind oder andere gesundheitliche Einschränkungen eine offene Herz-OP verhindern. Grund genug für die Entwicklung verschiedener neuer Klappentypen und, weit wichtiger, dem Transkatheter-Klappenersatz.

Laserschneiden von Nitinol-Stützgerüsten

Bei diesen Herzklappen neueren Typs handelt es sich um Multilayerstrukturen auf Nitinol- Stützgerüsten. STI Industries (Or Akiva, Israel) ist ein Hersteller, der auf das Laserschneiden, Mikromaterialbearbeiten und Veredeln von medizintechnischen Produkten spezialisiert ist und zu den bedeutendsten Herstellern dieser Herzklappenrahmen aus Nitinol zählt. Tovy Sivan, CEO & Vorstand von STI, erläutert: „STI verfügt über eine lange Tradition bei der Herstellung medizintechnischer Produkte mit dem Schwerpunkt auf Laserschneiden und -schweißen. Wir setzen verschiedene Lasertypen ein, um die Vielfalt der Produkte und Materialien bearbeiten zu können. Sie reichen von den traditionellen, lampengepumpten Nd:YAG-Lasern, mit denen wir das Laserschneiden von Metallstents vor 25 Jahren begannen, bis zu aktuellen Ultrakurzpulslasern, die wir zur Herstellung medizinischer Verbrauchsgüter aus Kunststoff verwenden. Praktisch alle diese Laser stammen von ROFIN (heute Coherent).“ Sivan ist überzeugt, dass mit den neuen Hybridklappen ein dramatischer Umbruch in der Therapie von Herzklappendefekten unmittelbar bevorsteht. Mit verbesserten Ergebnissen, geringeren Kosten und höherer Patientenzufriedenheit.

Nitinol findet in der Medizin-technik immer stärker Verwendung − das Formgedächtnismetall kann mechanisch verformt werden, um später bei einer bestimmten Temperatur wieder die Originalform einzunehmen. Foto: STI Laser Industries
Nitinol findet in der Medizin-technik immer stärker Verwendung − das Formgedächtnismetall kann mechanisch verformt werden, um später bei einer bestimmten Temperatur wieder die Originalform einzunehmen. Foto: STI Laser Industries

Die Verwendung von Nitinol ist der Schlüssel für den minimal-invasiven Klappenersatz über Katheter. Nitinol, eine Legierung aus Nickel und Titan, ist ein Formgedächtnismetall. Nach der Bearbeitung wird eine Struktur aus Formgedächtnismetall thermisch behandelt, um ihre Form zu konservieren. Danach kann das Teil verdreht, gebogen oder anders mechanisch deformiert werden und wird doch immer zu seiner ursprünglichen Form zurückkehren, wenn es über seine Phasenübergangstemperatur hinaus erwärmt wird (siehe Abbildung 1). Durch die Optimierung des Nickel/Titan Verhältnisses und die geringe Zugabe von Additiven kann diese Phasenübergangstemperatur in einen Bereich von lediglich 10 – 20°C unter der menschlichen Körpertemperatur gelegt werden.

Sivan erklärt: „Traditionelle Ersatzklappen sind schlichtweg zu groß, um über einen Katheter eingebracht zu werden. Mit einem Nitinolrahmen jedoch kann die Klappe mechanisch soweit komprimiert werden, dass ihr Durchmesser nur noch ein Fünftel beträgt. Dies bedeutet, dass sogar eine große Klappe wie die Mitralklappe über einen Katheter durch die Femoralarterie eingebracht werden kann. Nachdem die Klappe bis in das Herz vorgeschoben wurde, extrahiert sie der Operateur vorsichtig aus dem Transportsystem woraufhin diese, der Körpertemperatur ausgesetzt, in ihre ursprüngliche Form zurückspringt, um sich an Ort und Stelle zu verankern.“ Sivan fügt hinzu, dass Nitinol nur das Stützgerüst bildet. STI liefert diese kundenspezifischen Nitinol-Stützgerüste an Medizintechnikfirmen, die dann die Klappen sowie eine Hülle aus denaturiertem Tiergewebe (in der Regel vom Schwein) daran festnähen. Offenliegendes Metall würde das Risiko für Thrombosen und Klappenstenosen erhöhen.

STI fertigt bereits Nitinolstrukturen für drei verschiedene Herzklappentypen: Aortenklappen, Mitralklappen und Shunts zum Druckausgleich zwischen rechter und linker Herzkammer. Die benötigten Durchmesser reichen von 10 bis 30 mm. Die Stützstrukturen werden zunächst bei STI aus Nitinol-Rohrmaterial geschnitten. Dazu setzt das Unternehmen ein Coherent StarCut Tube SL Rohrschneidsystem mit einem StarFiber 320 FC Faserlaser mit einer Wellenlänge von etwa 1 µm ein. Mit einer Festoptik und hochpräzisen Rotations- und Linearachsen zur Rohrbewegung schneidet der StarCut Tube SL mit äußerster Genauigkeit dreidimensionale Strukturen aus dem Rohrmaterial. Danach bringt STI die Stützstrukturen in die gewünschte Form und führt eine Elektropolitur durch, um sie für das Aufbringen der biokompatiblen Hülle vorzubereiten. Sivan fasst die wesentlichen Vorteile des Schneidens mit dem Faserlaser zusammen: „Diese Anwendung verlangt hohe Präzision, Wiederholgenauigkeit und beste Oberflächenqualität. Zudem müssen wir die Bearbeitungszeiten für diese hochkomplexen Konturschneideprozesse möglichst klein halten. Unser Faserlasersystem erfüllt all diese Anforderungen und bietet noch eine ganze Reihe weiterer Vorteile.“

Für einige dieser Klappentypen wurde bereits die europäische Zulassung erteilt und auch in den USA werden fortgeschrittene klinische Studien durchgeführt. Sivan ist zuversichtlich, dass diese neuen Produkte bald das Ergebnis vieler Herzklappenoperationen verbessern werden.


Quelle: www.coherent.com

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