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Special MM Ausgabe 06/07 | Die Frage nach dem „WER darf Europa“

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Nicht nur, aber vor allem in Slowenien sind die Transportwege sehr gut ausgebaut und die Wirtschaft blüht auf.

Sonderthema „Wirtschaftsmarkt EU und Balkan“ | Die EU-Wahlen haben das politische Geschehen im ersten Halbjahr dominiert. Nun ist es entschieden, welchen Weg die Bürger möchten. Doch was wirklich geschehen wird, zeigt sich auch nicht zuletzt durch neue Beitrittskandidaten.

Die Zeiten, in denen die Europäische Union (EU) ein hohes Standing bei den Bürgern hatte, ist vorbei. Diesen Eindruck könnte man durchaus gewinnen, schenkt man ausschließlich den kritischen Stimmen Glauben. Ein Beitritt in die EU ist nach wie vor attraktiv und dies auch aus wirtschaftlicher Sicht. Viel zu oft wird vergessen, dass der Fall der ökonomischen Grenzen einen immensen Vorteil auch für die Bürger eines Landes mit sich bringt. Er schafft Arbeitsplätze, denn Handel lebt auch von offenen Grenzen. Im Vergleich zu anderen Staatengemeinschaften sind diese in der EU jedoch nicht finalisiert. Die EU – sie wächst, auch wenn ein Austritt Großbritanniens ein „Minus“ auf dem EU-Konto der Mitgliedstaaten bedeutet.

Als derzeit neue Beitrittskandidaten der Gemeinschaft gelten unter anderem Serbien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Albanien, Montenegro und auch Moldawien und Georgien. Und die Frage nach dem „Wo endet die EU?“ – sie stellt sich einfach nicht, denn auch ein möglicher Eintritt der Ukraine ist seit einiger Zeit im Gespräch und Aserbaidschan, Weißrussland oder auch Kasachstan sind grundsätzlich Länder Europas. Die so genannten Außengrenzen könnten demnach vom Schwarzen Meer (die ewige Frage nach dem möglichen Beitritt der Türkei) bis zum Kaspischen Meer in, wenn auch weiter, Zukunft erweitert werden.

Die ewige Frage nach dem EU-Beitritt der Ex-Jugoslawien-Länder beschäftigt die Verantwortlichen höchstwahrscheinlich noch länger.
Die ewige Frage nach dem EU-Beitritt der Ex-Jugoslawien-Länder beschäftigt die Verantwortlichen höchstwahrscheinlich noch länger.

(K)Ein Ende in Sicht?

Doch bleiben wir beim ehemaligen Staatbund Jugoslawien. In der Zeit von 1945 bis 1992 hatte Jugoslawien eine Fläche von 255.804 km². Es bestand aus den sechs Teilrepubliken Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, Nordmazedonien und den beiden autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo innerhalb Serbiens. Was nach dem Krieg passierte ist bekannt, doch weshalb sind diese Staaten nicht längst alle Teil der EU-Gemeinschaft? Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Nehmen wir Slowenien, ein Vorzeigeland des ehemaligen Jugoslawiens und seit 2004 Teil der EU-Gemeinschaft. Slowenien entwickelt sich wirtschaftliche betrachtet außerordentlich gut. Auch in vielen Gesprächen mit Vertriebsmitarbeitern unterschiedlichster industrieller Unternehmen gibt es nur Positives zu berichten. Slowenien wächst somit außerordentlich gut. Laut WKO stieg im ersten Quartal 2018 das Wachstum effektiv um 4,6 % an. Ein Grund für diese durchgehend positive Entwicklung waren den Angaben zufolge die Auslandsnachfrage mit steigenden Exporten sowie der Zuwachs der Inlandsnachfrage.

Neues Gesetz schafft Möglichkeiten.

Zudem teilte die WKO mit: Nach zweijähriger Vorbereitung ist die Grundlage für die Förderung von Investitionen in Slowenien rechtlich akzeptiert worden. Konkret wurde ein Gesetz beschlossen, das die Bedeutung von in- und ausländischen Investitionen gleichstellt und anerkennt. Das neue Investitionsförderungsgesetz stimuliert das Konzept des Wachstums der Wertschöpfung pro Beschäftigten, sowohl im Produktions- als auch im Dienstleistungssektor, besonders wird die Forschung und Entwicklung hervorgehoben.

Und welchen Anteil trägt Österreich zum Wachstum Sloweniens bei? Im ersten Quartal 2018 stiegen die Exportzahlen im Vergleich zur selben Periode des Vorjahrs um 1,5 % auf 715 Mio. Euro. Die österreichischen Importe konnten in dieser Zeit um 6,2 % gesteigert werden und erreichten damit einen Gesamtwert von 489 Mio. Euro. Ein wesentlicher Grund für den enormen Anteil österreichischer Waren an den slowenischen Gesamtimporten liegt darin, dass Österreich mit Abstand der wichtigste Investor ist. Darüber hinaus dient Slowenien auch als so genannter Hub zu den restlichen Balkanstaaten. Weiters hat das Land neben der Nähe zu Österreich andere Standortvorteile. Hierzu zählen die guten Hafenanbindungen sowie allgemein eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur.

"Es ist sehr wichtig, sich achtsam und lernfähig den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen und keine Signale aus dem Markt zu vernachlässigen." | Ing. Andreas Lippitsch, Managing Director Axflow Österreich.
„Es ist sehr wichtig, sich achtsam und lernfähig den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen und keine Signale aus dem Markt zu vernachlässigen.“ | Ing. Andreas Lippitsch, Managing Director Axflow Österreich.

Diese insgesamt überzeugenden Aspekte, die für eine Investition in Slowenien sprechen, bestätigte auch Ing. Andreas Lippitsch, Managing Director beim Pumpenspezialisten AxFlow Österreich in einem Gespräch mit dem MaschinenMarkt Österreich. Seit 2008 ist AxFlow AT mit lokalen Außendienstmitarbeitern in Slowenien vertreten. Ing. Lippitsch bestätigt:

„In Slowenien ist der wirtschaftliche Standard groß und diesen gilt es künftig zu halten bzw. zukunftsorientiert zu arbeiten.“

Gleiches bestätigte er auch für das Nachbarland Kroatien und konkretisiert: „In Slowenien haben wir das Unternehmen VIP Tehnika gekauft mit dem Vorteil, eine etablierte Firma, die seit 1991 im slowenischen Markt tätig ist, erworben zu haben. Weiters haben wir somit eine eigene Servicewerkstatt und eigene Mitarbeiter in der Region vor Ort sowie eine etablierte Salesforce. Schlussfolgernd können wir unser eigenes Produktportfolio mit zusätzlichen Kreiselpumpen ergänzen.“

Feingefühl und Ortskenntnisse gefragt.

Auch Damir Parenta von Pepperl+Fuchs, zuständig für den Vertriebsbereich Balkan und Russland, unterstreicht die positiven Aussagen über das österreichische Nachbarland. Er sei ebenfalls der Ansicht, dass auch Kroatien ein gutes Beispiel für eine ökonomische Entwicklung sei, die man hervorheben sollte. Das Land ist seit 2012 EU-Mitglied und verzeichnet wirtschaftlichen Aufschwung und positives Investitionspotenzial. Eine Herausforderung hingegen, so Parenta, bilden eher Länder wie Serbien und Bosnien-Herzegowina. „Sie sind immer noch in Teilen instabil, das spürt man auch bei den Investitionen“, erklärte er in einem Gespräch.

„Ein positiver Aspekt ist aber das ausgesprochen niedrige Lohnniveau, was wiederum anderen Balkanländern, wie Bulgarien und auch Rumänien, allmählich Sorgen bereitet.“

Ing. Lippitsch von AxFlow meint hingegen, „die Nicht-EULänder werden sich stetig in puncto Standards, Produktionsprozesse und Bedürfnisse den westlichen Ländern annähern. Hierzu ist es sehr wichtig sich achtsam und lernfähig den dortigen Bedürfnissen anzupassen und keine Signale aus dem Markt zu vernachlässigen.“ Und wie schaut es mit den Facharbeitern aus? Pepperl+Fuchs-Mitarbeiter Parenta: „Die meisten Einheimischen, muss man leider feststellen, gehen sofern möglich vorzugsweise in andere EU-Länder arbeiten. Irland steht ganz vorne auf der Wunschliste vieler oder eben auch Russland, vergangenheitsbezogen zu erklären.“

Politisch instabil.

Doch wie so oft spielt auch die Politik eine einflussreiche Rolle bei den ökonomischen Entwicklungen dieser Länder. Vor allem in jüngster Zeit wurde deutlich, wie angespannt die Lage am Balkan immer noch ist. Die Politik scheint nicht viel in diesen Ländern erreicht zu haben und einige Länder schwanken ewig zwischen dem Angebot des „Westens“ – der EU – und den vermeintlichen Vorteilen, die der vergangene Partner Russland mitbringt. Die NZZ brachte es Anfang des Jahres in einem Beitrag auf den Punkt und schrieb: „Die Staaten der Region Serbien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Albanien, Kosovo, Montenegro sind vom Einfluss von äußeren Mächten geprägt und scheinen unfähig zu sein, ihr Schicksal selber in die Hände zu nehmen.“ Das Ergebnis ist Lähmung.

Bezeichnend war auch die Aussage der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini kürzlich: „Der westliche Balkan gehört zu Europa und wird Teil der Zukunft der EU sein“, sagte sie. Anlass war die jährliche Präsentation aus Brüssel zum Thema, inwiefern die Länder des Westbalkans und die Türkei die für eine EU-Mitgliedschaft nötigen Reformen umsetzen oder eben nicht. Erneut empfahl die Kommission, Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aufzunehmen. Doch es gibt auch so genannte Spielverderber. Frankreich und die Niederlande argumentieren ihr „Nein“ damit, erst die EU reformieren zu wollen, bis weitere Mitglieder aufgenommen werden sollten. Weiters hieß es im Handelsblatt: „Auch die nordeuropäischen Länder sind zurückhaltend. Deutschland gibt sich unentschieden. Die CDU spricht sich öffentlich gegen eine schnelle EU-Erweiterung aus, die SPD dagegen fordert eine rasche Aufnahme der Beitrittsgespräche mit den beiden Ländern. Und auch Österreich ist skeptisch und durch die derzeitigen innerpolitischen Unklarheiten im Moment mit anderen Dingen beschäftigt.

Muss man auf Bedürfnisse und Traditionen vor Ort eingehen um wirtschaftlich erfolgreich zu sein? Die Meinungen gehen auseinander.
Muss man auf Bedürfnisse und Traditionen vor Ort eingehen um wirtschaftlich erfolgreich zu sein? Die Meinungen gehen auseinander.

Der Balkan bleibt ein „heißer Herd“.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn (ÖVP) ist indes damit beschäftigt Ruhe in das heikle Thema fließen zu lassen. Bereits 2004 stellte Skopje einen offiziellen Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft, den die EU ein Jahr später zugestand. Doch wirklich passiert ist nicht viel. Ähnlich läuft es in Albanien. Dort stellte 2009 das Land den Antrag auf EU-Mitgliedschaft, 2014 gab die EU Albanien den Kandidatenstatus. Vergangenes Jahr sprach die EU-Kommission dann erstmals die Empfehlung aus, die Beitrittsgespräche zu eröffnen.

Mit Montenegro verhandelt die EU seit 2012, mit Serbien seit 2014, wobei die Verhandlungen mit Montenegro am weitesten fortgeschritten sind. Fakt ist, dass ein allgemeiner Rat der EU-Europa- und Außenminister am 18. Juni in Luxemburg die Weichen stellen wird bzw. soll, ob es zu neuen Aufnahmeverfahren und Beitrittsgesprächen kommen wird. Dies erfordert einen einstimmigen Beschluss aller derzeit 28 EU-Staaten.

Interessanterweise bestätigt sich dieses Bild eher weniger in den Gesprächen mit den Akteuren, die vor Ort tätig sind. Ing. Andreas Lippitsch antwortete nämlich auf die Frage, ob ein EU-Beitritt der Länder des Balkans die vielleicht langsamen Vertriebsaktivitäten verbessern würden mit: „Die Vertriebsaktivität in den Nicht-EU-Ländern sind „nicht langsamer“, diese sind nur anders und auf diese richten wir uns gezielt mit lokalen Mitarbeitern ein. Ein EU-Beitritt würde sicherlich Erleichterung in Dinge wie Vertrieb, Import/Export oder Reporting bringen, aber vielleicht gleichzeitig Nachteile mit Kooperationen anderer Non-EU-Länder herbeiführen.“

Doch was ist das Geheimnis für den Erfolg?

Lippitsch meint: „Generell gibt es keinen Unterschied!“ Er ergänzt: „In allen Ländern wo AxFlow tätig ist – und das sind 32 Länder – haben wir eigene lokale Mitarbeiter, die die Mentalität und Sprache vor Ort jeweils pflegen und leben. Ich glaube dies ist ein, neben vielen anderen, Erfolgsrezept und ein wesentlicher Punkt der AxFlow-Group, die uns stetig Wachstum und Marktanteile beschert. Mit dieser Strategie und Lebenskultur können wir uns auf jede Kultur, Bedürfnisse und Industriestandards schnell und gezielt einstellen.“

Seit 2012 ist AxFlow selber auch mit lokalen Außendienstmitarbeitern in Serbien aktiv. „Serbien wird von uns als Hub für die Non-EU-Länder (Nordmazedonien und Bosnien-Herzegowina) im Verkauf genutzt. Und auch um das Kundenservice weiter zu steigern hat sich AxFlow Österreich entschlossen im Jahr 2019 diese Märkte aktiv zu stärken und zu expandieren. Daher haben wir in Serbien eine Tochterfirma – AxFlow doo in Vrsac – gegründet mit dem Vorteil, Produkte selbständig zu importieren, ein Lager auszubauen, um rasches Kundenservice sicher zu stellen, Serviceaktivitäten zu erhöhen, Kunden in Landeswährung bezahlen können und schließlich den lokalen Support in Landessprache anbieten zu können.“ Und auch Nordmazedonien und Montenegro bedient das Unternehmen. Abschließend betonte er noch einen nicht unwesentlichen Punkt:

„Der Name „Balkanregion“ wird meiner Erfahrung nach von manchen Ex-Jugoslawien-Staaten nicht sehr gern gesehen. Denn Balkan umfasste aus historischer Sicht auch Teile von Italien und Griechenland. Daher nennen wir diese Region Adriatic Area.“ Und Damir Parenta, gebürtiger Kroate, erklärt in diesem Zusammenhang etwa auch, dass gewisse sprachliche Kenntnisse und ein Gespür der Mentalitäten der Balkanländer ganz sicher von Vorteil sind. „Man versteht sich über die Grenzen hinaus und auch die Vorgehensweise, wie Projekte und Geschäftsbeziehungen vollzogen werden sind einem klarer, sofern man ebenfalls auch hier verwurzelt ist“, betont er.

Noch einmal Österreichs Rolle.

Vor allem Österreichs Lage in Europa ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern von immensen und auch aus historischer Sicht einzigartigem Vorteil, um den Ländern des Balkans die Türen weiter zu öffnen. „Wir als gemeinsame Wirtschaftsregion – das sind künftig 900.000 Unternehmen am Westbalkan und in Österreich. Unser Ziel ist eine richtungsweisende Anbindung des Westbalkans an Gesamteuropa, denn das ist in Hinblick auf eine gemeinsame europäische Perspektive unumgänglich. Deshalb stellen wir die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftskammern der Westbalkan-Staaten auf eine vollkommen neue Ebene und etablieren eine gut organisierte regionale Drehscheibe. Investitionen, die Digitalisierung und Qualifizierung sind die Kernthemen der künftigen Zusammenarbeit und sie sind die Basis für wirtschaftlichen Wohlstand am Westbalkan“,
betonte Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich Anfang des Jahres in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl und Marko Cadez, Präsident der Wirtschaftskammer Serbien und derzeitiger Vorsitzender des Westernbalkan Chambers Investment Forum (CIF).

Marko Cadez (li), Präsident der Wirtschaftskammer Serbien mit der damaligen Aussenministerin Karin Kneissl und WKÖ-Präsident Harald Mahrer.

Unterzeichnet wurde im weiteren Beisein der Wirtschaftskammer-Präsidenten von Albanien, Bosnien-Herzegowina, des Kosovo, Nordmazedonien sowie Montenegro ein gemeinsames Abkommen, das auf den Aufbau einer tragfähigen Struktur der Berufsbildung nach dem Vorbild der dualen Ausbildung am Westbalkan zielt. „Was den Reformprozess in dieser Region betrifft, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass der Aufbau von nachhaltigen Wirtschaftsstrukturen wesentlich für das Gelingen des weiteren Beitrittsprozesses ist“, so Mahrer damals zuversichtlich. Warten wir es ab.

 

Dieser Artikel erschien am 24. Juni 2019 in Ausgabe 6-7 des MM MaschinenMarkt Österreich. Die komplette Ausgabe können Sie hier als ePaper abrufen.

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Quelle: Axflow

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