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Mehr als ein Container

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Supriyo Bhattacharya

Produktionsumgebungen, Telekommunikationsnetze, Stromnetze, Verkehrsströme oder Transportfahrzeuge in der Logistik – immer mehr Abläufe werden digitalisiert. Sie erzeugen Datenströme in Echtzeit und benötigen daher leistungsfähige IT-Systeme direkt am Punkt der Datenerzeugung.

Studien zufolge könnten 2019 bereits 40 % der Daten aus dem IoT von Edge IT-Systemen verarbeitet und analysiert werden. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass sich bis 2025 rund 60 % der Cloud Server in Edge-Datacentern befinden. Wie zukunftsweisende Edge-Lösungen in der Praxis aussehen, zeigt der Cloud-Park Höchst in Frankfurt/ Main. Supriyo Bhattacharya, seit mehreren Jahren mit der Produkt- und Geschäftsentwicklung im Cloud-Umfeld bei Innovo Cloud beschäftigt, erklärt in einem Gespräch die Vorteile dieser Lösung und weshalb sie nicht nur für Smart Cities geeignet ist.

IoT4 Industry & Business: Herr Bhattacharya, ich bin ein mittelständisches Unternehmen und mit zahlreichen Datenmengen im Arbeitsalltag konfrontiert. Wohin mit diesen?

Supriyo Bhattacharya: Es gibt heutzutage umfangreiche Möglichkeiten Daten zu sichern, dazu zählen zum Beispiel unsere beiden redundant angebundenen Rechenzentren in Frankfurt, aber auch unser Cloud-Park im Industriepark Höchst bei Frankfurt/ Main.

IoT: Was genau bietet Innovo Cloud dort an?

Bhattacharya: Das Unternehmen ist ursprünglich ein Cloud-Startup aus einem Forschungsprojekt der Frankfurter Goethe Universität und einer Tochter der Deutschen Bank und wurde Ende 2012 gegründet. Wir sind ein IT Plattform-Provider, der private und virtual private Cloud Plattformen anbietet. Zusammen mit unseren managed Plattform-Services bietet dies ein ganzheitliches IT as a Service-Konzept.

Ich persönlich beschäftige mich bei der Innovo Cloud mit neuen Plattformen, die wir entwickeln und dann bis zur Marktreife bringen. Und eine dieser Plattformen hat eine Schnittmenge mit dem Unternehmen Rittal, da wir dort Projekte verfolgen, wo wir OT (Rittal) mit IT (Innovo Cloud) „verheiraten“ – im Englischen nennt man dies OT meets IT. Innovo Cloud bezeichnet sich selber als Digital Service Company, das als Unternehmen relativ schnell in den Bereichen Private Cloud und Services für Financial Institutions groß geworden ist.

IoT: Weshalb?

Bhattacharya: Gerade hier konnten wir den Unternehmen eine so genannte BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht)-Auditierbarkeit zusichern. Das bedeutet, unsere Rechenzentren und Services sind entlang dieser Richtlinie gesichert. Inzwischen haben wir eine Vielzahl an Private Cloud-Plattformen aufgebaut die wiederum eine große Bandbreite an Kunden bedient. Das beginnt mit kleinen virtualisierten Arbeitsplätzen (digital/virtual desktops) bis hin zu großen Reiseveranstaltern, die ihre gesamte eCommerce-Plattform über uns abwickeln.

Ein Rechenzentrum ist in kurzer Zeit – sechs bis acht Wochen – umsetzbar.

IoT: Welche Rolle spielt nun Rittal?

Bhattacharya: Im bereits erwähnten Industriepark Höchst betreiben wir den deutschlandweit ersten Cloud-Park. Dieser besteht aus standardisierten Rittal (Balanced Cloud-Center-)Containern. Die modularen 40 oder 20 Fuß-großen Rechenzentrums-Container sind mobil, hoch skalierbar und haben eine Leistungsdichte von bis zu 35 kW pro Rack. Es handelt sich beim Cloud-Park Höchst genauer betrachtet um unser Vorzeigeprojekt, in dem ein modular aufbaubares Edge-Rechenzentrum zum Einsatz kommt. Dieser Showcase zeigt eine der möglichen Aufbauszenarien und ist hinsichtlich des Stromverbrauchs für Unternehmen sehr attraktiv.

IoT: Sie sprechen von Power User Efficiency?

Bhattacharya: Das ist richtig. Denn bei den Themen, die wir bedienen, handelt es sich um stromintensive Workloads, wie etwa das High Performance Computing (HAC). Für Unternehmen ist es von immenser Bedeutung, eine exzellente Energieeffizienz vorweisen zu können. Mit einem PUE-Leistungswert (Power Usage Effectiveness) von bis zu 1,1 benötigt die genannte Anlage bis zu 40 % weniger Energiekosten als gewöhnliche Datacenter. Zudem erlaubt die modulare Systemarchitektur, dass Kunden zunächst mit geringer Anfangsinvestition starten. Durch Hinzuschalten weiterer Systeme wird die IT-Kapazität je nach Bedarf schrittweise erweitert beziehungsweise skaliert.

Der Cloud-Park Höchst in Frankfurt/ Main ist in seiner Form einzigartig, nicht nur als Pionier, da er der erste
Cloud-Park in Deutschland ist. Rittal liefert die Container.

IoT: Gibt es derzeit „nur“ diesen Cloud-Park in Höchst bzw. sind weitere in Planung?

Bhattacharya: Der Cloud-Park Höchst ist in seiner Form einzigartig, denn hier ist für jeden, nicht nur potenziellen Kunden, demonstrierbar, dass ein Rechenzentrum in kurzer Zeit – und wir sprechen hier von sechs bis acht Wochen – umsetzbar ist. Normalerweise ist dieser Prozess sehr viel zeit- und darüber hinaus kostenintensiver. Für die Zukunft planen wir, dass definitiv noch weitere Cloud-Parks entstehen sollen. Was wir mit Rittal und weiteren Partnern anvisieren ist, dass wir dort, wo nicht gerade ein großes Rechenzentrum gebaut ist, eine Umsetzung unserer Lösung ermöglichen. Wir sprechen hierbei von Regionen, wo auch fertigende Industrien ansässig sind, die gewisse Latenzanforderungen haben, oder über Gebiete, wo Unternehmen vor Ort sind, die hohe Datenschutzanforderungen haben und die es nicht erlauben können, dass ihre „intellectual property“ in einer zentralisierten Cloud gespeichert wird. Es ist doch so: Unternehmen wollen auf der einen Seite die Daten stets so nah wie möglich bei sich halten, aber andererseits möchten sie selber das Betriebsrisiko nicht tragen. Und genau hier setzen wir an.

IoT: Wie funktioniert das nun genau?

Bhattacharya: Innovo bietet ein lokales Rechenzentrum für diese Unternehmen mit dem Edge Computing-Konzept an. Und es gibt selbstverständlich Standards.

IoT: Standards gehören bei Innovo zur Ausrüstung?

Bhattacharya: Wir glauben an Standardisierungen und wollen auch so viele Services wie möglich standardmäßig vermitteln, aber der Kunde hat natürlich auf seinem Gelände ein umfangreiches Mitspracherecht, was die Ausprägung der Services angeht. Aber: Modulare Rechenzentrumslösungen und Standardisierungen sind Themen, die wir mit Rittal immer schon fokussieren und vorantreiben. Der Markt bewegt sich eindeutig in diese
Richtung.

IoT: Welche Rolle spielen die smarten Städte?

Bhattacharya: Das Konzept der Smart City spielt hier eine Rolle. Denn je nach Anforderungsbereich ist es auch wichtig, dass es lokale Rechenzentren gibt. Diese müssen verbrauchernah sein, damit auch Endgeräte wie smarte Straßenbeleuchtungen, Kameras zur Messung von Verkehrsströmen, Gefahrensituationen etc. schnell und effizient ihre Daten abladen können. Insbesondere an jenen Stellen, wo besonders viele Daten oder besonders zeitkritische (Echtzeit) Daten anfallen ist ein Edge-Rechenzentrum essenziell. Denn bei besonders vielen Daten, fehlt mir oft die notwendige Bandbreite um die Daten in ein weit entferntes Rechenzentrum zu schicken und bei Echtzeit- Anwendungen fehlt buchstäblich die Zeit, um eine Verarbeitung in einem entfernten Rechenzentrum abzuwarten. Für diese Fälle ist das Edge-Rechenzentrum eine ideale Lösung. Dabei macht es durchaus Sinn, dass man nicht nur Edge-Rechenzentren hat, sondern diese mit regionalen Rechenzentren und/oder noch größeren Hyperscale-Rechenzentren anbindet. Hier sind wir gemeinsam mit Rittal besonders stark und können unseren Kunden eine End-to-End-Lösung bieten.

IoT: Beim Thema Smart Cities schaut man also auch konkret nach dem vorhandenen Bedarf. Das bedeutet, dass wenn die Kommunen beim Thema Smart Cities aufspringen, steigen auch die Anfragen für Sie?

Bhattacharya: Ja, das ist richtig.

IoT: Sind Städte denn generell bestrebt eine Digitalisierung voranzutreiben, unabhängig von den einzelnen Bereichen wie Gesundheit oder Parken?

Bhattacharya: Sie müssen bedenken, dass bei den Kommunen dieses Thema sehr vielschichtig ist. Es gibt Vergaberichtlinien, was zu einer gewissen Reglementierung führt. Andererseits spielt das Geld immer eine entscheidende Rolle bei den letztendlichen Entscheidungen pro oder contra Smart City. Doch gerade in Deutschland und sicher auch in Österreich wird meiner Meinung nach der richtige Weg eingeschlagen. Die kommunale Wahrnehmung für die moderne digitale Stadt wächst. Und es ist in vielen Ländern inzwischen auch Ziel auf Bundesebene.

IoT: Wie sind Ihre Erfahrungen mit Österreich oder auch der Schweiz?

Bhattacharya: Vor allem in Österreich sind unsere Lösungen auf großes Interesse gestoßen. Die großen Rechenzentren befinden sich dort alle in Wien – und das war es dann auch. Österreich ist aber sehr viel mehr als nur Wien und deswegen ist die Nachfrage rasant gestiegen. Und auch in der Schweiz gab es Ende vergangenen Jahres für uns erste Gespräche und Interessensbekundungen.

IoT: Nehmen Sie als Privatperson denn bereits direkt eine Transformation der Städte hin zur Digitalisierung in den unterschiedlichsten Bereichen aktiv wahr?

Bhattacharya: Ich persönlich bemerke sehr wohl eine intensive Umsetzung und nehme Ansätze von Smart City-Anwendungen wahr. Allein an unserem Standort in Frankfurt/Main bzw. in der Umgebung wie in Offenbach ist dies deutlich spürbar. Ein erster Ansatzpunkt ist meist die öffentliche Parkraumbewirtschaftung. Dennoch, der rein holistische, also über mehrere Bereichsebenen miteinander verbundene Umsetzungsbereich, den gibt es sicher noch nicht. Aber einer der Gründe könnte hierbei auch sein, dass von Applikationsseite her noch zu wenig Lösungen am Markt präsent sind. Startups spielen hier eine entscheidende Rolle. Es bedarf auch der reinen Unterstützung dieser Ideenschmieden, auch wir sind hier sehr aktiv.

IoT: Was sollte Ihrer Ansicht nach mehr gefordert werden?

Bhattacharya: Ich sehe vor allen Dingen, dass sich die Kommunen alle mit einer digitalen Strategie kurz über lang beschäftigen müssen, daran führt kein Weg vorbei. Zudem sollte verstärkt in den Ausbau akademischer Studiengänge in diesen Fachbereichen und bei den Fortbildungen investiert werden. Aber: Beim Thema Edge Computing ist es nicht allein die Smart City, die das Thema bedient, sondern auch der Bereich Industrie 4.0 ist hier sehr stark. Edge Computing ist derzeit ein großer Treiber in vielen Bereichen – ob Smart Health Care, Smart Government oder eben Smart Factory (Industrie 4.0). Doch gleichzeitig stellt sich auch die Frage, was eine Smart City denn überhaupt ist, was kennzeichnet sie? Die Tatsache, dass die Lampen intelligent sind und Parkplätze überwacht werden reichen lange nicht aus. Weitere smarte Tools, wie etwa eine App, die den Stromverbrauch direkt abliest und gegebenenfalls den Anbieter wechselt formen ebenfalls eine intelligente Stadt. Wie Sie sehen – das Feld ist riesig.

IoT: Wie schaut es mit Vorbehalten gegenüber einer Datenauslagerung aus?

Bhattacharya: Vorurteile hinsichtlich externer Datenauslagerungen sind leider noch oft ein Thema. Und genau hier haben Rittal und Innovo den Vorteil, ein Edge-Rechenzentrum auf dem eigenen Gelände (on premise) anbieten zu können.

IoT: Zusammengefasst lässt sich sagen: Edge Computing wird uns also weiterhin „verfolgen“?

Bhattacharya: Edge Computing selber ist seit etwa 4 bis 5 Jahren zumindest in der Tech-Branche bekannt. 2018 war das erste Jahr wo es allmählich zum „Mainstream“ wurde. 2019 wird es auch laut einiger Studien zu DEM Thema schlechthin werden. Gemeinsam mit Rittal können wir bereits davon sprechen, Pioniere auf diesem Gebiet in Europa zu sein.

IoT: Abschließend noch einmal konkret zur gemeinsamen Zusammenarbeit zwischen Innovo und Rittal – wohin geht die Reise?

Bhattacharya: Für uns geht die Reise in die weitere Durchdringung des Marktes. Edge-Rechenzentren sind ja nur ein Teil des Gesamtbildes. Am Ende reden wir von Automatisierung auf Fertigungs- und Rechenzentrumsebene und wir reden vom Aufbau von künstlichen Intelligenzsystemen die sowohl im Smart City-Kontext als auch Industrie 4.0- bzw. IoT-Kontext zum Einsatz kommen. Hier gilt es ein Ökosystem an Anbietern und Lösungen aufzubauen, welches für die zukünftigen Herausforderungen gewappnet ist.

Es ist auf jeden Fall so, dass wir bereits seit vielen Jahren an den erwähnten Themen arbeiten. Daher ist unsere Expertise umfangreich und wir „springen“ nicht auf einen Trend auf, sondern können erprobtes Know-how vorweisen. Der wesentliche Vorteil der Zusammenarbeit ist auch das Netzwerk (Ökosystem) und das umfassende Lösungsangebot vom Datacenter-Standort (Lefdal Mine Datacenter) über das schlüsselfertige Rechenzentrum im Container bis hin zum Datacenter as a Service. Wir sind hier
auf jeden Fall sehr gut für die Zukunft aufgestellt und können Trendthemen wie Edge Computing mit unseren Erfahrungen und Lösungen entsprechend professionell bedienen.

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Quelle: Rittal

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