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SPRICH MIT MIR! | Chatbots

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Laurent Burdin, Gründer der Ideenschmiede

Laurent Burdin, Gründer der Ideenschmiede Space and Lemon in Hamburg, gilt als Experte wenn es um das neue Lieblingsthema Chatbots geht. Seine Innovations-Digitalagentur wurde 2016 als Startup mit viel Tech-Know-how und Kreativitätspotenzial gegründet. Im Gespräch erläutert er – und kein Chatbot – den Sinn dieser Tech-Erfindung und das Potenzial, das in ihr steckt.

IoT4 Industry & Business: Sie gelten als Experte wenn es um das neue Lieblingsthema Chatbots geht und sind Geschäftsführer eines Innovation Labs. Seit wann beschäftigen Sie sich mit diesem Thema?

Laurent Burdin: Es begann alles mit Facebook und war fantastisch. Mit der Einführung von Bots in den Facebook Messenger in 2016 kamen Chatbots auf unser Radar. Wow! Ein Automat, der sich mit Nutzern unterhalten kann. Der beste Bot war damals der „Cat Bot“, eine Unterhaltung mit einer Katze, schräg! Gleichzeitig formte sich ein professionelles Ökosystem an einfachen Tools wie Chatfuel (Bot-Builder) oder Dialogflow (NLP). Seitdem beschäftigen wir uns bei Space and Lemon mit einem Experten-Team damit und haben inzwischen ein Dutzend Bots für Firmen erarbeitet, hauptsächlich im Kundenservice. Der Fokus liegt immer mehr auf User Experience als auf Technik. Wir haben einen eigenen 7-Schritte UX-Prozess für Bots entwickelt, den wir systematisch nutzen.

IoT: Chatbots sind laut einiger Trendanalysten DAS Thema 2019. Demnach steigt nicht nur deren Bedeutung, sondern gleichzeitig auch deren Fähigkeiten. Stimmen Sie dem zu?

Burdin: Automatisierung ist das Thema 2019 und die Modelle der Künstlichen Intelligenz (KI) dahinter, um es gut hinzubekommen. Das spiegelt sich hundertprozentig in Chatbots wider, da es sich dabei um die Automatisierung der Kundeninteraktion handelt. Ermöglicht wird das durch Natural Language Processing (NLP) – die Fähigkeit den Sinn einer Kundenanfrage zu erfassen und einen Code daraus zu machen – und die KI dahinter. Je besser das NLP, desto besser wird der Chatbot. Mit der rasanten Verbreitung des Google Assistants auf Smartphones wird der Trend in 2019 für alle Handynutzer verstärkt. Wichtig ist dabei zu betonen: Ein Chatbot kann beides sein, Text und Voice.

IoT: Was macht einen guten Chatbot aus bzw. gibt es überhaupt schlechte?

Burdin: Ein guter Chatbot muss in der Lage sein, 80 % der Fragen des Nutzers zu beantworten und das in einem ganz natürlichen Konversationsfluss. Das ist jedoch nur möglich, wenn der Anwendungsfall ganz klar eingegrenzt wurde und die Fragestellung bzw. die Absicht des Nutzers von der Maschine gut eingeordnet wird. Hier wird es etwas technischer. Hinter dem Chatbot steht eine NLP-Software, die eine Äußerung (utterance) eines Nutzers einer Absicht (intent) zuordnet. Absichten haben immer mit dem Anwendungsfall zu tun. Ein Beispiel: Möchte ich mich für einen Flug einchecken, dann schreibe oder sage ich: „Bitte checke mich für den Flug Wien-Paris ein.“ Die Maschine ordnet diese Frage als Absicht „Check-in“ ein und führt es aus. Und ja, es gibt schlechte Chatbots, eben diejenigen, die nicht klar eingegrenzt sind und deshalb Fragen nicht einordnen und beantworten können.

IoT: Wie wird ein Chatbot entwickelt?

Burdin: Ein Chatbot wird in drei großen Schritten entwickelt: Anwendungsfall definieren, Konversation skizzieren und in die NLP-Software einpflegen. Bleiben wir bei einem Check-in Beispiel. Zu Beginn wird der Anwendungsfall und Funktionsumfang des Bots klar definiert. Im nächsten Schritt wird der Check-in als eine natürliche Konversation skizziert – genau wie ein Dialog bei einem Theaterstück. Der Nutzer sagt: „Hallo, ich möchte mich gern für den Flug Wien-Paris einchecken“. Der Bot antwortet „Hallo Laurent, gern. Meinst du den Air France 1739 Flug um 15 Uhr?” Und so weiter. Diese Konversationsskizze ist die Basis, um die sogenannten Intents (hier z.B. Check-in sofort) in eine NLP-Software einzupflegen. Dort löst dieser Intent über eine Schnittstelle das Check-in aus. Danach heißt es dann testen, testen, testen.

IoT: Welche Vorteile bieten Chatbots und sind sie in bestimmten Regionen bereits eher in den Alltag integriert?

Burdin: Chatbots kommen überall rein: auf die Smartphones, in die Autos, in Lautsprecher
und sogar in Mikrowellen oder Rasenmäher. Sie werden hauptsächlich per Stimme gesteuert und erlauben eine schnelle, einfache Interaktion mit Objekten. Im Auto ist das sehr praktisch: „Hey Mercedes, spiele meine Lieblings-Playlist!“. Chatbots können uns in vielen Lebenslagen assistieren.

Technisch gesehen geht es bei Bots um die Reproduktion der natürlichen, menschlichen Sprache. Deshalb ist die Sprache entscheidend: Auf Englisch sind die Bots und ihre Anwendungsfälle sehr weit entwickelt, da Amazon oder Google extrem viel auf Englisch getestet haben. Dadurch sind Chatbots im englischsprachigen Raum auch stärker in den Alltag integriert. Weiters gut sind Deutsch, Französisch, Spanisch und Japanisch. Schwierig gestaltet sich Chinesisch aufgrund der vielen Dialekte.

IoT: Für welche Unternehmen lohnen sich Chatbots?

Burdin: Chatbots automatisieren Kundeninteraktionen. Deshalb lohnt es sich primär einmal für alle Unternehmen, die ein Call-Center führen. So kann ein Chatbot die nervigsten und meistgestellten Fragen beantworten. Das Sparpotenzial ist da enorm. Außerdem vertrauen die Kunden nach unserer Erfahrung dem Chatbot mehr als einem Agenten im Call-Center. Eine neue Herausforderung stellt der Google Assistant dar. Er ist der virtuelle Assistent der mächtigsten Suchmaschine der Welt. Suche per Stimme, das ist die Ambition von Google. In diesem Kontext muss sich jede Marke, jeder Dienstleister, jede Einrichtung die Frage stellen, wie sie in Zukunft über die Suche per Stimme gefunden werden. Sobald der Google Assistant überall verwendet wird, ist er eine der größten Veränderungen im Digital, die wir je erlebt haben.

IoT: Gibt es Chatbots bzw. Anbieter, die Sie für gewisse Branchen empfehlen?

Burdin: Jede Branche, jede Firma der Welt wird in den nächsten fünf Jahren einen Chatbot haben. Man kann jedoch nicht blind starten. Bei Space and Lemon starten wir jedes Bot-Projekt mit einem Orientierungsworkshop. Es herrscht zu viel Halbwissen
in diesem Bereich! Da klären wir Begrifflichkeiten, Software, Anwendungsfälle und Konversationen. Auf dieser Basis wird entschieden, was und wie gestartet wird. Bots werden zurzeit im internen Informationsmanagement, im Kundendienst, in Kommunikation und in Sales eingesetzt. Die Branche die sehr viel daran arbeitet ist die Telekommunikationsbranche. Eine Branche die stark von der Bot- und Voice Assistant-Entwicklung betroffen ist und noch nichts tut: die Markenartikler. Eine ganz grundlegende Frage ist dabei zum Beispiel: wie kann eine Marke im Google Assistant gefunden werden, wenn der Markenname kompliziert, generisch oder in jedem Land anders ausgesprochen wird?

IoT: Sind Sie der Meinung, dass Chatbots eher zu kurzweiligen Trends unserer modernen Gesellschaft gehören oder wird sich die Technik durchsetzen?

Burdin: Es ist auf keinen Fall ein kurzweiliger Trend. In fünf Jahren werden Chatbots völlig normal sein, weil sie auf jedem Smartphone und in jedem Auto sind, ob wir es wollen oder nicht. Der wichtigste Treiber ist, dass in diesem Bereich eine Weltmeisterschaft der Tech-Giganten stattfindet. Sie alle führen Assistenten, Bots, KI-Software-Lösungen und Onlinekurse zu diesen Themen ein. Google platziert den Google Assistant überall und bietet auch kostenlose Software wie Dialogflow an, mit dem Anwender selbst eine NLP-Entwicklung bauen können. Amazon dagegen überflutet den Markt mit Echo-Geräten und hat mit Alexa eine exzellente Entwickler-Plattform. Facebook und Microsoft werden 2019 neue Lösungen vorstellen. Nicht zu vergessen ist, dass alles was wir hier erwähnen auch in China stattfindet – ein Blick lohnt sich!


Quelle: Space and lemon

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