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Aufschwung am Kaspischen Meer

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Baku – zwischen Tradition und Moderne.

Fünf Länder – ein Ziel. Zumindest, wenn es um die wirtschaftlichen Interessen am Kaspischen Meer geht. Man möchte Aufschwung, Erfolg und gute Beziehungen pflegen, in den meisten Fällen auch zur EU. Rohstoffe und Politik spielen eine besondere Rolle.

Die internationale Rohstoff-Konferenz Eumicon 2018 warf Ende September in Wien einen Blick in die Zukunft – und Rohstoffe spielten hierbei eindeutig eine sehr wesentliche Rolle. So sprachen mehr als 60 internationale Teilnehmer aus Industrie, Politik und Wissenschaft über die Themen Digitalisierung und Energiewende. Diese Bereiche sind unter anderem durch den Einsatz von mineralischen Rohstoffen gekennzeichnet, verändern die gesamte Wertschöpfungsketten und beeinflussen Wirtschaftsbereiche stark.

Franz Friesenbichler und Elisabeth Köstinger demonstrieren mit einem aus Talkstein künstlerisch gefertigten Tablet und mit Hilfe von Augmented Reality die Zukunft der Rohstoffindustrie und den Schritt in die Digitalisierung.
Franz Friesenbichler und Elisabeth Köstinger demonstrieren mit einem aus Talkstein künstlerisch gefertigten Tablet und mit Hilfe von Augmented Reality die Zukunft der Rohstoffindustrie und den Schritt in die Digitalisierung.

Franz Friesenbichler betonte als Eumicon-Präsident bei der Konferenzeröffnung: „Die Nachfrage nach und der Einsatz von Rohstoffen wird in den nächsten Jahrzehnten ebenso zunehmen, wie der Wettbewerb um Verfügbarkeiten und Zugänge. Wir entscheiden heute, ob diese Zukunft Made in Europe oder Made in China sein soll.“ Daraus resultiere auch die Notwendigkeit, neue Formen der Gewinnung und der Wiederaufbereitung von Rohstoffen voranzutreiben und durch gemeinsame Lösungsansätze auf europäischer Ebene, die Industrie auch weiterhin als Garant für Wachstum und Beschäftigung in Europa zu halten. Bundesministerin Elisabeth Köstinger hob hervor, dass Schlüsseltechnologien von mineralischen Rohstoffen abhängen. Sie sind Grundstoffe für Digitalisierung und Automation. Doch warum richtet sich der Fokus in Zeiten der Digitalisierung vermehrt auf die Rohstoffvorkommen einzelner Länder und deren nachhaltigen Einsatz?

Rohstoffe und Digitalisierung.

Der Bayterek Turm im kasachischen Astana ist das Wahrzeichen der Stadt und symbolisiert einen mythologischen Lebensbaum. Der wirtschaftliche Aufschwung des Landes ist hier ebenfalls zu spüren.
Der Bayterek Turm im kasachischen Astana ist das Wahrzeichen der Stadt und symbolisiert einen mythologischen
Lebensbaum. Der wirtschaftliche Aufschwung des Landes ist hier ebenfalls zu spüren.

Die Antwort liegt bereits beim Thema Smartphone sichtlich auf der Hand: Rund 80 verschiedene Rohstoffe sind allein in einem Smartphone enthalten. Mineralische Rohstoffe und Metalle sind Grundlagen für Hightech-Technologien und in nahezu allen Gegenständen des Alltags zu finden. Gerade in Bezug auf neueste Technologien und dem hier in den Fokus rückenden Rohstoff „Seltene Erden“ richtet sich der Blick zunächst einmal auf Länder wie China und Australien sowie Grönland und Kanada. Doch auch Russland und Länder des Kaspischen Meeres weisen diese Rohstoffe auf und sitzen gleichzeitig auf immensem Reichtum. Eine aktuelle IWF-Untersuchung zeigt, dass vor allem Norwegen, Russland und Kasachstan die führenden Länder sind, die mit Rohstoffen und Unternehmensbeteiligungen weltweit führen. Bei der Untersuchung wurde von Seiten des Internationalen Währungsfonds analysiert, wie es um die so genannten Assets von 31 Staaten steht. Es wurden neben Firmenbeteiligungen Rohstoffreserven und andere Vermögen kalkuliert. Der eigentliche Grund der IWF-Untersuchung war, laut eigenen Aussagen, herauszufinden, wie sich die Finanzlage im Falle einer neuerlichen (Wirtschafts-)Krise entwickeln könnte.

Seidenstraße 4.0.

Ein ganz anderes sehr wichtiges Zukunftsprojekt wird die lang diskutierte Wiederbelebung Seidenstraße in den kommenden Jahren sein und vor allem Kasachstan wird bei diesem Projekt eine herausragende Rolle in Zentralasien spielen. Das betonte sehr überzeugend der kasachische Vizeaußenminister Roman Vassilenko vor einigen Monaten in einem Interview mit der Wiener Zeitung.at (27.8.2018). Er sagte dort: „Kasachstan ist an einer nachhaltigen Entwicklung in Zentralasien interessiert: 1994 hat unser Präsident Nursultan Nasarbajew die Schaffung einer eurasischen Union vorgeschlagen, die dann im Jahr 2014 im Vertrag von Astana gegründet worden ist. Die eurasische Union stellt einen Markt von 185 Millionen Menschen dar, und der Abbau von Zollgrenzen nützt allen Handelspartnern.“ Doch Kasachstan versucht sich darüber hinaus auch als moderner Staat und Vermittler zwischen der EU, Russland, China und Zentralasien zu etablieren. Man darf in diesem ganzen wirtschaftlichen und politischen Geflecht auch nicht die geografische Größe und Lage des Landes am Kaspischen Meer außer Betracht lassen: Kasachstan ist flächenmäßig das neuntgrößte Land der Welt und liegt am Scheideweg verschiedener Kulturen und Handelsrouten. Für Österreich war Kasachstan etwa im zurückliegenden Jahr auf der Expo 2017 interessant. Das Thema der Weltausstellung „Future Energy“ war für österreichische Unternehmen, die in den Bereichen Umwelttechnologie, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu den Global Leaders zählen, ein Heimspiel und Österreich konnte seine Vorreiterrolle in diesen Bereichen erfolgreich demonstrieren und sich dabei als Anbieter von Hochtechnologie und als starker Wirtschaftspartner für Kasachstan und die gesamte Region Zentralasien positionieren, fasste das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Österreich nach dem Event zusammen. Allgemein betrachtet hat sich die kasachische Regierung mit einer eigenen „Green Economy Strategy“ hohe Ziele gesetzt und möchte eigenen Angaben zufolge bis 2020 mehr als 100 neue Windkraft-, Solar- und Photovoltaik-Kraftwerke in Betrieb nehmen. Der Anteil erneuerbarer Energien soll bis 2050 auf 50 Prozent gesteigert werden.

Turkmenistan im Visier.

Doch auch kleinere Länder des Kaspischen Meeres, wie etwa Turkmenistan, erwachen allmählich aus ihrer russischen Herrschaftsstarre und dienen mit interessanten ökonomischen Ideen in Richtung EU bzw. Österreich. „Turkmenistan ist an einem Ausbau der Kontakte mit Österreich interessiert”, berichtete der österreichische Wirtschaftsdelegierte Rudolf Thaler in Almaty aus Ashgabat nach zahlreichen Gesprächen mit hochrangigen Vertretern in Ministerien und Unternehmervertretungen. Warum? Made in Austria würde demnach „geschätzt“. Österreich wird von Turkmenistan zudem als Gateway nach Europa gesehen. Die Union der Industriellen und Entrepreneurs Turkmenistans eröffnete kürzlich eine Repräsentanz in Wien, was den besonderen Stellenwert Österreichs für Turkmenistan unterstreicht. Daneben betreibt die Union nur zwei Außenstellen, nämlich in China und in den Vereinten Arabischen Emiraten, was eine klare Ausrichtung zeigt. Geplant sind große Projekte im Bergbau, in der Chemie- und Metallverarbeitungs-Industrie sowie in den Bereichen Infrastruktur und Logistik. Das Ankurbeln der Exporte stehe weiters im Fokus. Die österreichischen Exporte nach Turkmenistan betrugen 2017 knapp 30 Millionen Euro und signalisieren ein großes Ausbaupotenzial. „Ich beobachte ein zunehmendes Interesse an Turkmenistan. Der ideale Türöffner sei demnach laut Thaler die Teilnahme an einer Außenwirtschaft-Wirtschaftsmission. Im Oktober kam eine 20-köpfige österreichische Wirtschaftsdelegation nach Ashgabat, wobei etwa die Hälfte der Unternehmen erstmals den Markt sondierten“, so Thaler weiter. Eine Reihe österreichischer Unternehmen ist bereits in Turkmenistan aktiv. So lieferte beispielsweise die Firma Liebherr Hafenmobil- und Containerkrane für den kaspischen Hafen Turkmenbashi. Lisec Maschinenbau stattete eine neue Glasfabrikation mit modernen Anlagen aus. Heidelberger Druckmaschinen Eastern Europe in Wien ist für den Vertrieb am turkmenischen Markt verantwortlich und seit 2000 mit einer Niederlassung präsent. Turkmenistan hat etwa 6 Millionen Einwohner, ist aber flächenmäßig so groß wie Deutschland, Schweiz und Österreich zusammen und verfügt über immense Bodenschätze – so beispielsweise über die größten Erdgasreserven weltweit. Turkmenistan grenzt im Westen an das Kaspische Meer. Die neu erbaute Hauptstadt Ashgabat hat heuer die Ein-Millionen-Einwohner-Marke überschritten und Staatspräsident Gurbanguly Berdimuhamedow strebt eine Diversifizierung der Wirtschaft und die Verringerung der Abhängigkeit von Erdgasexporten an. Der nationale Entwicklungsplan 2018 bis 2024 zielt auf eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit turkmenischer Unternehmen und das Anziehen ausländischer Investoren ab. Kleine und mittlere Unternehmen sollen als Rückgrat der Wirtschaft gestärkt werden.

Nächster Stopp: Aserbaidschan.

Die Hauptstadt Baku wird auch gern einmal das „Dubai am Kaspischen Meer“ genannt. Mit seinen knapp zwei Millionen Einwohnern gelang der zentralasiatische Staat erstmals so richtig ins Visier der Aufmerksamkeit mit dem vergangenen „Eurovision Song Contest“ aus dem Jahre 2012 und auch Formel 1-Fans ist der Ort nicht unbekannt – aber wirtschaftlich? Laut Angaben des globalen Wettbewerbsfähigkeitsindex´ des Weltwirtschaftsforums rangiert Aserbaidschan auf Platz 35 (von 137 Staaten) der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt und das, obwohl nach dem Zusammenbruch der UDSSR auch der Südkaukasus massiv von Einbrüchen betroffen war. Die Hauptquellen des Wohlstands berufen sich auf Erdgas und -öl sowie Rohstoffe. 2017 wurden laut dem Auswärtigen Amt in Deutschland die gesicherten aserbaidschanischen Erdölvorkommen auf 7,0 Milliarden Barrel und die Erdgasreserven auf 1,1 Billionen Kubikmeter beziffert. Dennoch: Laut Untersuchungen des GTAI (German Trade & Invest) ist der Maschinenbau in Aserbaidschan wenig entwickelt. Das Gros der Maschinen und Anlagen muss die Kaukasusrepublik importieren. Der Staat möchte aber den Angaben nach die lokale Herstellung ausbauen. Die Ende 2016 verabschiedete Roadmap für die Schwerindustrie und den Maschinenbau zielt auf eine Verringerung der Importe von Komponenten für die Produktion von land wirtschaftlichen Maschinen um 65 % und für die Fertigung von Bohrausrüstungen um 45 % bis 2020. Große Investitionen sollen in die Metallindustrie fließen. In Sumgait ist der Bau eines Metallurgiekomplexes für 1,2 Mrd. Euro bis 2019 geplant. Ein weiterer Schwerpunkt des Landes ist die Chemieindustrie (Petrochemie).

Iranisches Unternehmen baut Autofabrik.

Zudem hochspannend ist die Tatsache, dass der derzeit einzige Pkw-Hersteller in Aserbaidschan die Firma NAZ, die in Nachitschewan Autos der Marke Lifan (VR China) montiert, ist. Im Sommer 2016 haben der iranische Hersteller Iran Khodro und der aserbaidschanische Partner Azeurocar in Neftchala mit dem Bau einer Pkw-Fabrik begonnen. Seit Herbst 2017 werden dort jährlich 10.000 Pkw vom Band produziert. Ganja Automobile Plant montiert Landtechnik und Nfz russischer und belarussischer Hersteller. Seit Ende 2017 hat Ganja die Montage von Eurabus-Elektrobussen angestoßen. Wie die aserbaidschanische Nachrichtenagentur Ende September mitteilte, traf der aserbaidschanische Innenminister, Generaloberst Ramil Usubov zu einem Besuch im Iran ein. Da die Beziehungen beider Länder immer schon widersprüchlich waren, gilt dieses Treffen wie viele weitere als außergewöhnlich. Ebenso hervorzuheben war auch im Sommer diesen Jahres das Zusammenkommen aller Staaten des kaspischen Meeres zwecks einer Einigung zur „Aufteilung“ der Region des größten Binnenmeeres der Welt.

Beziehungen zum Nachbarn stärken.

Galt es vor einigen Jahrzehnten noch eine Aufteilung des Binnenmeeres zwischen dem Iran und Russland zu besprechen so sind es nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion inzwischen fünf Staaten, die allesamt an den Rohstoffvorkommen interessiert sind und Ansprüche erheben. Die Aufteilung des Meeresbodens ist wirtschaftlich entscheidend für die Gewinnung der großen Mengen an Öl und Gas, die unter dem Kaspischen Meer lagern. Zudem hängt davon ab, wie Pipelines durch das Gewässer gebaut werden können. Denn: Turkmenistan sei daran interessiert, seine Energieressourcen über Aserbaidschan nach Südeuropa liefern zu können. Europa könnte dadurch unabhängiger von russischem Gas werden, mutmaßt man. Und Russland wiederum hatte in der Vergangenheit den Bau einer transkaspischen Pipeline von Turkmenistan nach Aserbaidschan zu verhindern versucht, um seine Position als Gaslieferant für Europa zu wahren. Ein kompliziertes Geflecht.

Politik versus Ökonomie.

Die derzeitige „Sonderstellung“ des Iran aufgrund der massiven Sanktionen und der in keine Richtung folgenden US-Politik haben selbstredend auch die wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs zum Iran geschwächt. Das Handelsvolumen Österreichs mit dem Iran sei mit „400 Millionen Euro eher gering, auch die Importe aus dem Iran seien relativ niedrig“, erklärte Michael Löwy, Bereichsleiter Internationale Beziehungen in der Industriellenvereinigung, gegenüber den Salzburger Nachrichten (29.8.2018). Und auch die OMV hatte vor einiger Zeit erklärt, dass die Sanktionen gegen den Iran keine substanziellen Einflüsse auf ihr Geschäftsfeld hätten, aber: man hätte keine weiteren Aktivitäten im Iran geplant.

www.bmdw.gv.at
www.gtai.de
www.imf.org
www.eumicon.com
www.wko.at

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