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MM Coverstory BIONIK | Arm, Rüssel und Tentakel

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Auf der Hannover Messe

Festo sorgt mit seinen bionischen Entwicklungen immer wieder für Staunen. Heuer wurden auf der Hannover Messe Industrie drei besondere Highlights aus diesem Bereich präsentiert, diekräftige Impulse in Richtung Industrie 4.0 setzen. Mit an Bord dabei ist auch das neue MotionTerminal von Festo, das für eine digitale Revolution der Pneumatik sorgt.

Ob Supraleiter, bionische Errungenschaften oder revolutionäre Basisinnovationen, wie das neue Motion Terminal VTEM – bei Festo wird intensiv daran geforscht, die Automation der Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen. So auch im Festo Bionic Network, das bereits vor über zehn Jahren eingerichtet wurde und seither viele spektakuläre Entwicklungen hervorgebracht hat. In Kooperation mit Studenten, namhaften Universitäten, Instituten und Entwicklungsfirmen fördert Festo dabei Projekte bzw. einzelne Versuchs- und Technologieträger, die sich die Natur als Vorbild nehmen.

Dipl.-Ing. Rainer Ostermann: „ Wir wollen neue Technologieansätze aufspüren, weiterentwickeln und für die industrielle Anwendung nutzbar machen.“
Dipl.-Ing. Rainer Ostermann, Country Manager Festo Österreich.

Dipl.-Ing. Rainer Ostermann, Country Manager von Festo Österreich: „Wir wollen neue Technologieansätze aufspüren, weiterentwickeln und für die industrielle Anwendung nutzbar machen. Die Bionik bietet uns dafür ausgezeichnete Möglichkeiten. Der Fundus an spannenden Aufgabenstellungen, die die Natur im Laufe der Evolution höchst ergonomisch gelöst hat, ist unerschöpflich. Eine echte Inspiration für die Automation der Zukunft.“

Paradigmenwechsel in der Robotik.

In der Industrie und auch im privaten Bereich kommen Roboter uns Menschen immer näher. Sie können zum Beispiel bei monotonen oder gefährlichen Tätigkeiten als Assistenzsysteme eingesetzt werden und den Menschen entlasten. Die strikte Trennung zwischen den Arbeitsbereichen von Mensch und Roboter wird dabei zunehmend aufgehoben – ein kollaborativer Arbeitsraum entsteht, der eine interessante Herausforderung in puncto Sicherheit ist. Die Bionik bietet hier spannende Möglichkeiten.

Bionische Leichtbauroboter, wie sie Festo gerade auf der Hannover Messe präsentiert hat, sind aufgrund ihrer natürlichen Bewegungsmuster und der eingesetzten nachgiebigen Pneumatik prädestiniert für eine gefahrlose Mensch-Roboter-Kollaboration. Sie können daher in Zukunft eine preisgünstige Alternative zu klassischen Roboterkonzepten darstellen.

Menschliche Bewegungsabläufe technisch umgesetzt.

In seinen Bewegungsmustern ist der BionicCobot dem menschlichen Arm nachempfunden, von der Schulter über den Oberarm, den Ellbogen, die Elle und die Speiche bis zur Hand.

In seinen Bewegungsmustern ist der BionicCobot dem menschlichen Arm nachempfunden, von der Schulter über den Oberarm, den Ellbogen, die Elle und die Speiche bis zur Hand. Er macht sich dabei den natürlichen Wirkmechanismus von Bizeps- und Trizepsmuskel zunutze, also das effiziente Zusammenspiel von Beuger und Strecker, und das in allen seinen Gelenken. Dadurch kann er wie sein biologisches Vorbild sehr feinfühlige Bewegungen ausführen – angetrieben von Druckluft.

 

Die Maschine gibt nach

Die Stärken pneumatischer Antriebe liegen seit jeher in der einfachen Handhabung und in ihrer Robustheit, den geringen Anschaffungskosten und ihrer hohen Leistungsdichte – also vergleichsweise großen Kräften bei kleinem Bauraum und geringem Gewicht. Haltevorgänge kommen ohne weiteren Druckluftverbrauch aus und sind damit äußerst energieeffizient. Für den direkten Kontakt zwischen Mensch und Maschine bietet die Pneumatik einen weiteren, entscheidenden Vorteil: ihre systemeigene Nachgiebigkeit. Wird ein Aktor mit komprimierter Luft befüllt, lässt sich die erzeugte Bewegung in Geschwindigkeit, Kraft und Steifigkeit exakt einstellen. Im Falle einer Kollision gibt das System nach und stellt damit keine Gefahr für den Menschen dar – wenn die richtige Technologie für eine entsprechende Ansteuerung sorgt.

Der BionicmotionRobot ahmt fließende Bewegungsabläufe mit seiner flexiblen pneumatischen Balgstruktur und einer entsprechenden Ventil- und Regelungstechnik mühelos nach.
Der BionicmotionRobot ahmt fließende Bewegungsabläufe mit seiner flexiblen pneumatischen Balgstruktur und einer entsprechenden Ventil- und Regelungstechnik mühelos nach.

Digitalisierung der Pneumatik.

Um solche Systeme in ihrer Dynamik beliebig einstellen zu können, muss die eingesetzte
Ventiltechnik die Luftflüsse und Drücke äußerst präzise regeln können und dabei die komplexen Verschaltungen von vielen Kanälen gleichzeitig gewährleisten. Ermöglicht wird dies durch die ebenfalls auf der Hannover Messe präsentierte, neue pneumatische Automatisierungs-Plattform Festo Motion Terminal VTEM, die mit ihrer Softwaresteuerung per Apps die Funktionalitäten von über 50 Einzelkomponenten in sich vereint. Damit eröffnet die Digitalisierung der Pneumatik nun völlig neue Anwendungsgebiete, die bisher der elektrischen Automatisierung vorbehalten waren.

motion Apps und Piezotechnik.

Das motion Terminal VTEM: mit dem Zuschalten neuer Funktionen über Apps präsentiert Festo Pneumatik der nächsten Generation.
Das motion Terminal VTEM: mit dem Zuschalten neuer Funktionen über Apps präsentiert Festo Pneumatik der nächsten Generation.

Das Festo Motion Terminal kombiniert hochpräzise Mechanik, Sensorik sowie komplexe Steuerungs- und Messtechnik auf engstem Raum. Mit den internen Regelalgorithmen der Motion Apps und den verbauten Piezoventilen lassen sich Durchfl üsse und Drücke exakt dosieren und auch in mehreren Kanälen gleichzeitig beliebig variieren. „Der BionicCobot zeigt, was im Motion Terminal steckt. Es ermöglicht hier sowohl kraftvolle und schnelle, als auch weiche und feinfühlige Bewegungsabläufe. Und das sind nur einige der vielen Funktionen, die wir bei dieser revolutionären Automatisierungsplattform auf kleinstem Raum integriert haben“, ergänzt Ostermann.

Greifer ersetzen die Hand.

Je nach Aufgabenstellung lassen sich an den BionicCobot unterschiedliche Greifer anschließen. Seine Bedienung erfolgt intuitiv über ein eigens entwickeltes grafisches User Interface: Mit einem Tablet kann der Anwender die durchzuführenden Aktionen ganz einfach teachen und parametrieren.

Anschließend lassen sich die definierten Arbeitsschritte per Drag and Drop in einer Zeitleiste beliebig aneinander reihen. Dabei wird der komplette Bewegungsablauf virtuell abgebildet und gleichzeitig simuliert. Als Schnittstelle zwischen dem Tablet und dem Festo Motion Terminal fungiert die Open-Source-Plattform ROS (Robot Operating System), auf der die Bahnplanungen der Kinematik berechnet werden. Das ROS interpretiert dazu den eingehenden Code aus dem Tablet und leitet die daraus resultierenden Achskoordinaten an das Motion Terminal weiter.

Auf Grundlage dieser Koordinaten kann das Motion Terminal über seine internen Algorithmen den jeweiligen Druck in den Luftkammern regeln und damit die Position der einzelnen Achsen bestimmen. Dabei fließen auch die eingehenden Sensordaten der sieben Gelenke in Echtzeit in die Aktionen ein.

Fließende Bewegungsabläufe.

Der OctopusGripper kann sich formschlüssig und sanft um das Greifgut schlingen.
Der OctopusGripper kann
sich formschlüssig und sanft
um das Greifgut schlingen.

Auch in anderen Bereichen der Natur haben die Forscher und Entwickler des Festo Bionic Learning Network ganz genau hingeschaut und eine weitere interessante bionische Lösung präsentiert: den BionicMotion-Robot, einen Leichtbauroboter mit natürlichen Bewegungsformen. Elefantenrüssel und Oktopus-Tentakel können sich besonders flexibel bewegen. Der pneumatische Leichtbauroboter BionicMotionRobot ahmt diese fließenden Bewegungsabläufe mit seiner flexiblen pneumatischen Balgstruktur und einer entsprechenden Ventil- und Regelungstechnik mühelos nach.

Das Konzept der nachgiebigen Kinematik basiert auf dem Bionischen Handling-Assistenten, einer früheren bionischen Entwicklung. Eine neuartige Außenhaut aus einem 3D-Textilgestrick ermöglicht es jetzt dem BionicMotionRobot, das große Kraftpotenzial der gesamten Kinematik auszuschöpfen. Damit hat der bionische Roboterarm eine Tragkraft von knapp drei Kilogramm – bei etwa demselben Eigengewicht.

Greifen wie der Oktopus.

Mit dem OctopusGripper präsentiert Festo ein weiteres ungewöhnliches bionisches Studienobjekt. Der bionische Greifer, der vom Oktopus-Tentakel abgeleitet ist, besteht aus einer weichen Silikonstruktur, die sich pneumatisch ansteuern lässt. Wird sie mit Druckluft gefüllt, krümmt sich der Tentakel nach innen und kann sich formschlüssig und sanft um das jeweilige Greifgut schlingen. Wie bei seinem natürlichen Vorbild sind an der Innenseite des Silikontentakels zwei Reihen von aktiv und passiv geregelten Saugnäpfen angebracht. Damit kann der OctopusGripper eine Vielzahl an unterschiedlichen Formen aufnehmen und halten.

Seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten demonstriert der flexible Greifer am BionicMotionRobot und am BionicCobot. Dabei steuert und regelt das Festo Motion Terminal sowohl den Roboterarm als auch den Greifer. Mit seiner weichen und nachgiebigen Struktur verfügt der OctopusGripper über ein besonders großes Potenzial für den Einsatz in kollaborativen Arbeitsräumen der Zukunft – eine weitere spannende Lösung für Industrie 4.0 aus den Forschungslabors von Festo.

www.festo.at/bionik

Weitere Beiträge aus Ausgabe 2017 | 5A (Sonderausgabe SMART Automation Austria) finden Sie im ePaper des MM Maschinenmarkt.


Quelle: Festo

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