Im Gespräch IoT4 Industry & Business

Fünf Faktoren für kontrolliertes innovatives Wachstum

zur Übersicht
Matthias Müller-Wolf, Regional Vice President Europa, Epicor Software

Flee, freeze or fight – drei typische Stressreaktionen von Menschen, wenn sie kontinuierlich vor unüberschaubar komplexen Problemen stehen. Um die Kontrolle wieder zu erlangen, reagieren wir in der Regel mit mentalen Panikreaktionen, laufen weg, erstarren oder kämpfen bzw. streiten.

Übertragen auf das Unternehmensmanagement erklärt daher McKinsey: In Situationen, in denen visionäre, empathische und kreative Führungsstärke nötig wäre, fallen wir zurück in konservative, starre alte Gewohnheiten, analysieren ein Problem bis hin zur Handlungsunfähigkeit, entziehen uns der Verantwortung durch Ignorieren des Problems oder leiten es weiter, etwa an ein Komitee oder eine Task Force.

Die digitale Transformation ist so ein Thema, das in so manchen Fertigungsunternehmen einen „flee, freeze of fight“-Reflex auslösen könnte.

Industrie 4.0. mit seinen Aspekten wie Industrial Internet of Things (IIoT), Machine Learning bis hin zu Künstlicher Intelligenz (KI) stellt erhebliche Anforderungen an die Fähigkeit zur Veränderung über alle Hierarchien und gewohnten Technologien hinweg. Ein Beispiel dafür ist in vielen Unternehmen die bestehende Lösung für Enterprise Resource Planning (ERP), die aufgrund veralteter Software-Architekturen und mangelnder Skalierbarkeit den neuen Anforderungen nicht mehr gerecht werden kann. Klar ist dabei auch, dass Industrie 4.0 nur ein Sprungbrett darstellt für weitere Schritte. Nur ein Beispiel in der Fertigungsindustrie ist Augmented Reality (AR), das dank aktueller Entwicklungen für Datenbrillen wie Google Glass Enterprise Edition oder Toshiba’s dynaEdge™ AR Smart Glasses in den Startlöchern steht. Für IIoT werden ganze Ökosysteme aufgebaut, ein Markt, der in Deutschland hoch entwickelt ist laut einer Studie vom eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. und Arthur D. Little.

Um hier – wie auch bei anderen technologischen Innovationen – nicht mit „flee, freeze of fight“ zu reagieren, helfen die folgenden grundlegenden fünf Aspekte:

1. Innovationen brauchen Fakten

Ideen rund um Industrie 4.0 lassen sich nur dann bewerten und durchsetzen, wenn sie von den nötigen Daten untermauert werden. Dafür ist der abteilungsübergreifende Zugang zu Informationen erforderlich in einer Weise, die fundierte Analysen von unterschiedlichen Szenarien und Simulationen erlaubt. Nur dann können Innovations- bzw. letztlich Investitionsentscheidungen auf detaillierten Metriken basieren statt auf Intuition und Bauchgefühl. Anhand zuverlässiger Daten führen Diskussionen zu richtungsweisenden Themen auch produktiv zu konkreten Schritten, um Unternehmenswachstum voranzutreiben.

Doch eine globale Studie von Epicor zeigt, dass bei interdisziplinären Entscheidungen nicht immer alle Beteiligten den gleichen Informationsstand haben. Bei 32 Prozent er deutschen Studienteilnehmer nutzen interdisziplinäre Teams sehr häufig bzw. häufig unterschiedliche und sich widersprechende Informationen, bei 43 Prozent ist dies gelegentlich der Fall. Der Mangel an relevanten Informationen führt häufig dazu, dass Entscheidungen verschoben werden müssen – bei 80 Prozent der Befragten in Deutschland kommt dies manchmal bis sehr oft vor. Auch Fehler bleiben nicht aus. Hauptgrund für Fehler in der jüngsten Vergangenheit oder unzureichende Ergebnisse nach Entscheidungen ist laut Angaben von über einem Drittel, dass die nötigen fundamentalen Informationen nicht zur Verfügung standen, gefolgt von 29 Prozent, dass Informationen nicht schnell genug vorlagen. Fehler entstanden zudem, weil verfügbare Informationen ignoriert wurden (26 Prozent) oder nur ungenaue Daten als Entscheidungsgrundlage dienten (25 Prozent).

2. Innovationen brauchen Wachstumsstrategie

Abläufe nur zu beschleunigen, zu verbessern oder Kosten zu sparen ist bei Argumenten für Industrie 4.0 zu wenig. Die interessante Frage ist vielmehr, was folgt daraus für das Wachstum des Unternehmens? Etwa neue Produkte, erweiterte Services oder Geschäftsmodelle für bestehende und neue Märkte? Dazu braucht es eine klare Vorstellung und Planung.

Die Bedeutung der Strategie für Industrie 4.0 unterstreicht die Industrie 4.0-Studie von PwC. Demnach ist Deutschland bei der Implementierung neuer Technologien im internationalen Vergleich noch nicht so weit. Asien und Amerika sind auf der Überholspur. Die Gründe: Es fehlt an Digitalstrategien und digitalen Ökosystemen über Unternehmensgrenzen hinaus. Digitalprojekte werden vereinzelt und unstrukturiert vorangetrieben.

Fehlt die Strategie, steigen die Gefahren durch ungeplantes Wachstum – ein Risiko, das Epicor Software anhand einer Befragung von über 1.800 Führungskräften aus zwölf Ländern untersucht hat. Demnach befürchten 28 Prozent der Befragten in Deutschland, dass Unternehmenswachstum zu hohen Druck auf den operativen Betrieb ausübt und dadurch die Qualität und Kundenzufriedenheit leiden könnte. Weitere 24 Prozent zeigten sich besorgt, dass ihre IT-Systeme nicht Schritt halten könnten mit umfangreicheren, komplexeren Geschäftsmodellen.

3. Innovationen brauchen Prozessveränderungen

Schmerzhaft aber notwendig ist, vor der Digitalisierung vorhandene Prozesse kritisch zu überprüfen. Ansonsten werden schlechte Prozesse so, wie sie sind, digitalisiert, was sie nicht besser macht. Klingt banal, doch so einfach ist es nicht. Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen der repräsentativen Studie von etventure und GfK wider: So versteht die Mehrheit der befragten Entscheider in deutschen Großunternehmen unter digitaler Transformation primär nur die „Digitalisierung des bestehenden Geschäftsmodells beziehungsweise bestehender analoger Prozesse“ (55 Prozent). Nur halb so viele (28 Prozent) nennen dagegen den „Aufbau neuer digitaler Geschäftsmodelle“. Gleichzeitig sieht annähernd jedes zweite Unternehmen (49 Prozent) die eigene Branche einem „starken“ oder sogar „sehr starken“ Wandel ausgesetzt. Doch gerade einmal jedes fünfte Unternehmen (21 Prozent) sieht einen ebenso starken Wandel auch beim eigenen Geschäftsmodell voraus.

4. Innovationen brauchen eine geeignete IT-Infrastruktur

Wie auch immer die Maßnahmen für Digitalisierung bzw. Industrie 4.0 aussehen – es braucht geeignete IT-Systeme, um übergreifend von den optimierten Prozessen zu profitieren und Daten effektiv zu nutzen. Besonders europäische Unternehmen stehen hier vor der Herausforderung, dazu Altsysteme ablösen zu müssen – komplett neu aufzubauen wäre einfacher. So zeigt die Studie der Boston Consulting Group (BCG) „The Real Champions of Building the Digital Future“ anhand einer Befragung von 1.300 Unternehmen in Europa und den USA: Bei den Herstellern von mechanischen und elektrischen Geräten gehören 20 Prozent der europäischen und 19 Prozent der amerikanischen Unternehmen zu den „Digital Top Performern“. Ein Drittel aus Europa (31 Prozent aus USA) zählen zu den Nachzüglern. Was die „Digital Leaders“ auszeichnet? Laut BCG konzentrieren sie sich darauf, ihre IT weiter zu vereinfachen, um noch stärker von den bereits erreichten Vorteilen, die sich durch Abbau von Komplexität und freigewordene Ressourcen gewonnen haben, zu profitieren. Zudem setzen sie weiter auf digitalisierte Fertigung, um Prozesse und Technologien noch effizienter und flexibler zu nutzen.

5. Innovationen brauchen Erfolgsmessung

Anwendungen, die sich ausgehend von Industrie 4.0 entwickeln hin zu AR und KI sind kein Selbstzweck und sollten auch nicht als isolierte Satellitenprojekte konzipiert sein. Vielmehr müssen Initiativen in Innovationen nachweisbar auf einen Wertbeitrag für das Unternehmen ausgerichtet sein, entlang einer mittel- bis langfristigen Digitalisierungsstrategie. So betont auch KPMG ist seinem Report „Beyond the Hype: „Für viele Unternehmen machen sich ihre Investitionen in Industrie 4.0-Technologien durch bemerkenswerte Kosten- und Produktivitätsverbesserungen bezahlt.

Die größten Vorteile werden jedoch erst dann zu verzeichnen sein, wenn die Hersteller beginnen, ihre Industrie 4.0-Fähigkeiten auf die Verbesserung ihrer gesamten organisatorischen Leistung zu konzentrieren. Dazu gehören die Umsatz-, Gewinn- und die Kapitalwertentwicklung auf allen Unternehmensebenen. Dies kann nur gelingen, wenn funktionale Silos im Unternehmen überwunden werden und Einklang zwischen der Ausrichtung der Unternehmensziele und der Industrie 4.0-Roadmap besteht.“ Der Rat von KPMG lautet daher: Denken Sie daran, dass es bei dem Thema Industrie 4.0 um Ihre Leistungsbilanz geht, nicht um Technologie. Stellen Sie sicher, dass Sie die richtigen Dinge messen, kontrollieren und berichten.

Fazit

Um die „flee, freeze or fight“-Reaktionen bei den zumeist bereits laufenden Initiativen für Industrie 4.0 zu verhindern, brauchen Fertigungsunternehmen die Kontrolle und Gesamtsicht über Prozesse und Daten mit Abhängigkeiten, Zusammenhänge und Einflussfaktoren aller Geschäftsbereiche. Erst dann sind sie gerüstet für erfolgreiches Wachstum und können Geschäftsvorteile durch technologischen Vorsprung ausschöpfen.  Dazu braucht es Unternehmenssoftware, die integriert ist mit fertigungsnahen Systemen wie ERP und Manufacturing Execution Systems (MES) und darauf ausgerichtet ist, mit visuellen Analytics-Funktionen die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie zu unterstützen. Dazu gehört auch, mit moderner ERP-Software die Messung von Key Performance Indicators (KPIs) zu etablieren, die Prozessmodellierung zu vereinfachen und aufgrund moderner Software-Architektur die Anpassung an neue Anforderungen zu ermöglichen.


Quelle: EPICOR Software

Verwandte Artikel